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#Vorsichtige Wiederannäherung

Vorsichtige Wiederannäherung

Wo befindet sich die längste Schlange? Das Suchspiel beginnt gegen 10.15 Uhr. Etwas Zeit zum Warmlaufen sei den Shoppern gestattet, auch wenn die meisten Einzelhändler seit Ende März keine Kundschaft mehr in ihre Läden lassen durften. „Click and Collect“ war seitdem erlaubt. Doch seit diesem Mittwoch gibt es etwa in Gießen per „Click and Meet“ wieder etwas mehr Freiheit. Wer beim Händler der Wahl einen Termin ausmacht und einen frischen negativen Corona-Test vorlegt, darf nach Herzenslust shoppen. Wo also dürften die meisten Kauflustigen anstehen? 

Thorsten Winter

Wirtschaftsredakteur und Internetkoordinator in der Rhein-Main-Zeitung.

Erster Versuch bei TK Maxx an der Einkaufsmeile Seltersweg, die als eine der fünf am meisten besuchten und umsatzstärksten ihrer Art in Städten unter 100.000 Einwohnern gilt. TK Maxx ist ein typischer Schnelldreher, der Kundschaft mit einem dauernd wechselnden Sortiment und niedrigen Preisen lockt. Und ja: bisweilen echten Schnäppchen. An normalen Tagen herrscht schon vormittags regelmäßig ein ziemlich reges Kommen und Gehen. An diesem Vormittag aber von Schlange keine Spur. Im Gegenteil. Anders als im März muss kein Verkäufer die Kundinnen und Kunden bitten, sich ordentlich mit Abstand und Maske anzustellen. Vielmehr tröpfeln die Shopper ins Geschäft. Ein älterer Mann fragt, ob er einfach so rein dürfe. „Nein, nur mit Termin und Corona-Test“, lautet die Antwort des Personals. „Na gut, dann bis später“, sagt der Kunde und dreht ab.

Dutzende statt Hunderte

Der Blick um die Ecke den Seltersweg hinauf und hinunter offenbart: Von Auftrieb kann keine Rede sein. Die Kundschaft verliert sich eher zu Hunderten auf dem roten Klinkerboden, als sich zu Hunderten dort zu ballen. Vor Corona war da vormittags deutlich mehr los. Das mag auch am noch ausgedünnten Angebot liegen. Denn so manches Geschäft bleibt um diese Zeit noch geschlossen. Benetton etwa lädt nur von 12 bis 17 Uhr zu „Test and Meet“, wie es dort heißt. Einige Juweliere haben die Rollgitter heruntergelassen. Selbst im Eingang von H&M mitten auf der Einkaufsmeile muss sich die Empfangskraft in Geduld üben. So wenig ist dort los. Das mag auch daran liegen, dass viele Jugendliche entweder im Wechselunterricht sind oder in der Schule daheim.

Lesestoff: Schild vor einer Boutique mit ausgefallener Mode am Neuenweg in Gießen, einer Nebenlage, am ersten Vormittag der Neuauflage von „Click and Meet“


Lesestoff: Schild vor einer Boutique mit ausgefallener Mode am Neuenweg in Gießen, einer Nebenlage, am ersten Vormittag der Neuauflage von „Click and Meet“
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Bild: thwi.

Vielleicht verliert sich auch deswegen im sonst gerne vollen Laden von Snipes niemand außer der Verkäuferin. Kurios: WMF zieht um diese Zeit mit Töpfen und Bestecken mehr Kundschaft an als Bijou Brigitte oder Hunkemöller mit Dessous. Ebenso kurios: Vor Karstadt, in Gießen dank des großen und gut sortierten Hauses weiter der Frequenzbringer schlechthin, herrscht weniger Betrieb als gegenüber im Covid-19-Testzentrum. Wo Kräfte des Roten Kreuzes nun anderen per Teststäbchen in der Nase kitzeln, verkaufte eine polnische Kette bis vor einigen Wochen noch Schuhe. Nun nutzt das Rote Kreuz das von ihr zurückgelassene helle Mobiliar. Alle zehn bis zwanzig Sekunden geht jemand hinein oder kommt heraus.

Davon profitiert ein alteingesessenes Schuhhaus, wie der geschäftsführende Gesellschafter berichtet. Zupass komme dem Händler außer der Erfahrung mit dem ersten „Click and Meet“ im März der hohe Anteil an Stammkunden. „Das ist ein klarer Vorteil.“ Wie zu hören ist, gilt das etwa auch für einen Anbieter gehobener Mode vor allem für Männer auf dem Seltersweg. Dessen ungeachtet wünscht sich natürlich auch der Schuhhändler den normalen Geschäftsbetrieb zurück. Termin-Shopping kann er sich davon unabhängig ebenso gut für die Zukunft vorstellen – für Sonderaktionen.

Mehraufwand für das Personal

Der Andrang im Testzentrum kann aber auch anderen Händlern als ermutigendes Zeichen gelten. Denn aus Jux lässt sich niemand testen. „Männer schon gar nicht“, wie eine Verkäuferin meint. Andererseits bedeutet das alles einen erheblichen Mehraufwand für das Personal der Händler. Termin überprüfen, einen Blick auf den Testnachweis werfen, sich den Ausweis zeigen lassen – und im Zweifel viel mit uneinsichtiger oder drängelnder Kundschaft diskutieren. Immer und immer wieder. „Wir haben gut verkauft, aber es war schon sehr anstrengend“, erinnert sich ein Verkäufer an „Click and Meet“ im März.

Diese Erfahrung hat den Handelsverband Hessen auf den Plan gerufen. Und er denkt schon einen Schritt weiter, an die Folgen der Lockerungen für Genesene und Geimpfte. „Es kann nicht sein, dass im Frühjahr 2021 noch immer kein digitaler und fälschungssicherer Impfpass entwickelt wurde“, so Hauptgeschäftsführer Sven Rohde schon vor gut einer Woche. Man könne von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Einzelhandel nicht verlangen, die alten Impfpässe der Kundinnen und Kunden zu kontrollieren. Diese enthalten sensible medizinische Daten, die nicht für die Augen Dritter bestimmt seien.

Diese Stellungnahme im Hinterkopf, läuft über Hunderte Meter hinweg die Suche nach einer Kundenschlange. Vergeblich. Obwohl: Eine Minischlange findet sich am Ausschank eines Kaffeerösters. Ein Tässchen? Wieso nicht! Das scheint sich auch ein älterer Mann zu denken. Doch bevor der Kunde den Laden betreten kann, bittet ihn die Frau hinter dem Tresen: „Bitte nehmen Sie sich eine rote Netztasche.“ Der Mann stutzt und fragt: „Muss ich die etwa bezahlen?“

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