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#Walrufe geben Einblicke in die Erdkruste

Walrufe geben Einblicke in die Erdkruste

Sie sind so laut, dass sie in den Untergrund dringen und dort reflektiert werden: Die Rufe von Finnwalen lassen sich dafür nutzen, die Strukturen der ozeanischen Erdkruste zu erkunden, berichten Forscher. Um seismischen Messinstrumenten am Meeresboden Informationen über den Untergrund zu liefern, werden bisher Schallkanonen eingesetzt, die durch ihre intensiven Donnerschläge Meerestiere schädigen können. Die Nutzung der Walrufe kann diese Technik zwar nicht komplett ersetzten, aber vielerorts eine nicht invasive Ergänzung zu den traditionellen seismischen Forschungsmethoden bieten, sagen die Wissenschaftler.

Welche Merkmale besitzt die Erdkruste im ozeanischen Untergrund? Einblicke in die Tiefe sind unter anderem für die Erforschung und Vorhersage von Erdbeben wichtig. Bisher werden zur Erkundung der geologischen Strukturen starke Geschütze aufgefahren: Schallkanonen senden von Schiffen aus intensive Impulse in die Tiefe, die durch die Wassersäule rasen und dann in den Meeresboden vordringen. Dort werden sie von den unterschiedlichen Schichten und Gesteinsformationen reflektiert und in charakteristischer Weise gebrochen. Diese Echos werden anschließend von seismischen Instrumenten aufgefangen, die sich am Meeresboden befinden. Die Merkmale dieses Widerhalls ermöglichen Forschern dann Rückschlüsse auf die Strukturen im Untergrund.

Buchstäblich durchdringende Rufe

Die ozeanische Seismologie ist auch das Fachgebiet von Václav Kuna und John Nábelek von der Oregon State University in Corvallis. Ihr Forschungsprojekt hatte zunächst eigentlich nichts mit Walen zu tun: Die beiden Wissenschaftler führten seismologische Untersuchungen an einer Verwerfung durch, die sich am Meeresboden vor Cape Blanco an der Küste Oregons befindet. Zur seismischen Untersuchung diente ihnen dort ein Netzwerk aus 54 Messstationen am Meeresgrund. Wie Kuna und Nábelek berichten, detektierten diese Geräte immer wieder starke Signale, die nicht durch geologische Prozesse hervorgerufen wurden.

Wie sich herausstellte, wurden die Schwingungen von den Rufen der Finnwale verursacht, die durch das Gebiet zogen. Es ist bekannt, dass diese bis zu 70 Tonnen schweren Meeressäuger Laute erzeugen, die zu den intensivsten Geräuschen in der Unterwasserwelt gehören. Durch die niederfrequenten und extrem lauten Töne können die in den Ozeanen der Erde weit verbreiteten Finnwale über hunderte Kilometer hinweg miteinander kommunizieren. „Bisher hat man die Rufe nur dazu genutzt, um die Wale zu lokalisieren und ihr Verhalten zu untersuchen. Wir kamen nun auf die Idee, dass sich ihre starken Schallwellen vielleicht auch zur Untersuchung der Erdkruste nutzen lassen“, sagt Nábelek.

Walrufe statt Kanonendonner

Die Auswertungen der Seismometer-Daten zeigten, dass die Geräte tatsächlich nicht nur die direkten Rufe der Wale detektierten, sondern auch die feinen Echos, die sie im Untergrund erzeugten. „Wenn man sich die Seismometerdaten genau ansieht, wird deutlich, dass es nach jedem Walruf eine Antwort der Erdkruste gibt“, sagt Nábelek. Wenn auch schwächer, erzeugen die Rufe der Wale somit letztlich den gleichen Effekt wie die Schallkanonen, die Seismologen einsetzen. Ein Teil der Energie der Walrufe wird demnach in den Meeresboden übertragen. Die seismischen Wellen wandern dabei durch die ozeanische Kruste, wo sie vom Sediment, der Basaltschicht darunter und anderen Strukturen reflektiert und gebrochen werden, erklären die Wissenschaftler.

Dass es anhand der Wal-Ruf-Echos tatsächlich möglich ist, Einblicke in den Untergrund zu gewinnen, konnten Kuna und Nábelek im Rahmen ihrer Studie auch konkret dokumentieren. Sie analysierten dazu sechs Finnwalgesänge und deren Effekte, die Seismometer vor der Küste Oregons aufgezeichnet haben. Wie die Wissenschaftler berichten, war es anhand der Daten möglich, den Standort des jeweiligen Wals genau zu bestimmen und seinen Ruf zu nutzen: Die Forscher gewannen durch die Analyse der Echos geologische Einblicke in die Erdkruste unter den Seismometern. Wie sie erklären, können solche Informationen unter anderem zum Verständnis der physikalischen Prozesse bei Erdbeben beitragen.

Die Forscher betonen allerdings, dass die Walrufe nicht die Auflösungen und Tiefen erreichen, die durch den Einsatz von Schallkanonen möglich sind. „Die Nutzung der Walrufe kann die Standardmethoden deshalb nicht vollständig ersetzen“, sagt Nábelek. „Was wir aber zeigen konnten, ist, dass Walrufe als Ergänzung zu den traditionellen seismischen Forschungsmethoden dienen können“. Der Vorteil liegt dabei auf der Hand: Durch die weite Verbreitung der Finnwale ertönen ihre Rufe vielerorts, sie sind im Gegensatz zu den Schallkanonen kostenlos und schädigen die marinen Ökosysteme nicht. „Diese Methode ist nützlich, um die ozeanische Kruste der Erde zu untersuchen, wo die Standardmethoden nicht verfügbar oder problematisch sind“, so Nábelek.

Möglicherweise gibt es auch Möglichkeiten, die Aussagekraft der Daten durch das Walruf-Verfahren weiter zu verfeinern: „Zukünftige Forschung könnte den Einsatz von maschinellem Lernen beinhalten, um den Prozess der Identifizierung von Walrufen und die Entwicklung von Abbildungen des ozeanischen Untergrunds zu automatisieren“, sagt Nábelek abschließend.

Quelle: Oregon State University, Fachartikel: Science, doi: 10.1126/science.abf3962

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