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#Warum der Westen in Afghanistan scheiterte

Warum der Westen in Afghanistan scheiterte

Kabul ist das neue Saigon. Die Bilder gleichen sich, die Situation ist dieselbe. Tausende Menschen irren in Furcht und Panik durch die Stadt, wollen raus aus dem Land, hoffen auf einen Flug in die Freiheit. Dabei sind die Maschinen, mit denen sie dem Chaos entrinnen können, noch nicht einmal da. Die Besatzer indes hocken schon überall, in den Straßen, im Präsidentenpalast, am Flughafen. Waffenstarrend patrouillieren sie durch die Stadt. Die Amerikaner und ihre Verbündeten sind von der Gnade der Taliban abhängig, wollen sie überhaupt noch jemanden retten. Das ist das schmähliche Ende einer Mission, die nicht nur den islamistischen Terror beenden, sondern Afghanistan Demokratie und Menschenrechte bringen sollte. Davon bleibt: nichts.

Dass die Vereinigten Staaten, die Europäische Union und die deutsche Politik von der Entwicklung überrollt werden und nicht damit gerechnet haben, wie schnell die Taliban die Macht an sich reißen, zeugt von einer Verblendung, welche die gesamte westliche Öffentlichkeit betrifft. Alle haben auf Kabul geschaut, Organisationen haben sich auf die Hauptstadt konzentriert und daran geglaubt, dass es einen Wandel gäbe. Doch den gab es im Rest des Landes nicht, wovon Korrespondenten immer wieder berichteten. Die Taliban waren nie weg, sie waren an der Macht, lange bevor sie eine Provinzhauptstadt nach der anderen eingenommen haben. Die Truppen der Alliierten bunkerten sich ein, mehr als ihre Militärbasen beherrschten sie nicht. Sie sorgten für eine nur scheinbare Sicherheit, unter welcher der Aufbau einer Zivilgesellschaft nach westlichem Vorbild nicht gelingen konnte.

Das war schon zu spüren, als wir vor Jahren mit jemandem unterwegs waren, der sich seit den Achtzigern in Afghanistan engagiert. Der pensionierte Oberstarzt der Bundeswehr Reinhard Erös ging Ende der Neunzigerjahre in den Norden Pakistans, in dem Millionen von Afghanen vor der Terrorherrschaft der Taliban Zuflucht gesucht hatten. Erös baute mit seiner privaten Organisation Kinderhilfe Afghanistan Schulen für Jungen und Mädchen und medizinische Hilfseinrichtungen auf, inzwischen sind es dreißig an der Zahl. Selbst mit jemandem wie ihm durch die östlichen Provinzen Afghanistans zu reisen bedeutete, unentwegt auf der Hut zu sein, sich abzusichern, die Lage zu erkunden, Haken zu schlagen, nicht länger als zwei Stunden an einem Ort zu verweilen und – sich bei lokalen Autoritäten rückzuversichern. Diese Autoritäten sind nicht Provinzgouverneure, sondern Bürgermeister, Milizenführer und Mullahs. Die Soldaten aus dem Westen hingegen sorgten als Ziel der sich Jahr um Jahr steigernden Angriffe der Taliban für Gefahr. In ihrer Nähe war kein Afghane sicher.

Man fragt sich, wie das den verantwortlichen Politikern verborgen bleiben konnte und warum es nicht längst die Öffentlichkeit durchdrungen hat, dass die im Herbst 2001 begonnene „Operation Enduring Freedom“, die seit 2015 den zynisch wirkenden Titel „Freedom’s Sentinel“ – Wächter der Freiheit – trägt, zwar den Terror von Osama Bin Laden und Al-Qaida eingedämmt hat, ansonsten aber ein einziger Misserfolg ist. Es ist erschütternd zu sehen, dass es um Visaformalitäten geht und schon vor einer Flüchtlingswelle gewarnt wird, die man am liebsten in die Türkei umleiten würde, während in Afghanistan Tausende, die an die Versprechungen des Westens geglaubt, sich für Freiheit und Menschenrechte eingesetzt haben, um ihr Leben bangen und die Rache der Taliban fürchten müssen. Das ist unser Dank.

Die Bilder gleichen sich. Die Niederlage der Amerikaner in Vietnam 1975, der Abzug der Sowjets aus Afghanistan 1989 und der Rückzug der Alliierten jetzt, der bis vor Kurzem noch als geordnet inszeniert wurde und erst am 31. August offiziell enden sollte. Sie verweisen auf die verheerenden Niederlagen der Engländer im neunzehnten Jahrhundert am Hindukusch, in denen der britische Historiker William Dalrymple eine Blaupause der Kriege unserer Zeit erkennt: Eine scheinbar überlegene Macht marschiert ein, glaubt an einen raschen Sieg und scheitert am Widerstand der Stammeskrieger, welche die Afghanen bis heute sind.

Wobei die „Operation Enduring Freedom“ mit dem Kampf gegen den weltweiten islamistischen Terror einen legitimen Ausgangspunkt hatte. Auch in diesem könnten wir wieder am Anfang stehen. „Mit dreizehntausend der Zug begann, / Einer kam heim aus Afghanistan“, heißt es in Theodor Fontanes „Trauerspiel von Afghanistan“. Pflichtlektüre seit 1858.

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