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#Warum Edvard Munch auch heute noch Avantgarde ist

„Warum Edvard Munch auch heute noch Avantgarde ist“

„Madonna“ ist schon da. Der weibliche „Vampyr“ ebenfalls. Und der „Kuss“ wie auch der „Schrei“ in einer Druckgrafikfassung ohnehin. Sechzig Meisterwerke Edvard Munchs aus dem allein ihm ge­widmeten, vergangenen Herbst eröffneten Museum in Oslo (F.A.Z. vom 21. Ok­tober 2021), aber auch aus Texas, New York und anderen Teilen der Welt, zeigen in der Wiener Albertina einmal mehr die atemnehmende Modernität des in Paris, Berlin, Wien und vielen anderen Orten malenden Norwegers. Als wäre dies nicht schon opulent genug, lässt Wien zentrale zeitgenössische und mit Ausnahme von Warhol noch lebende Künstler in Auseinandersetzung mit Munch treten: Georg Baselitz, Miriam Cahn, Peter Doig, Marlene Dumas, Tracey Emin, Jasper Johns und eben Warhol erhalten je eigene Säle, Emin und Warhol sogar zwei. Es handelt sich um Künstler, die Munch als wesentliche formale wie inhaltliche Inspiration für sich ansehen und sogar auf die Auswahl der Werke für die Schau direkten Einfluss nahmen: Ohne Doigs Insistieren etwa hätte die Tate in London ebenso we­nig sein monumentales Hauptwerk „Echo Lake“ ausgeliehen wie das Centre Pompidou sein „100 Years ago“.

Bei den Bildern des in der Karibik malenden Schotten Doig ist der Einfluss Munchs am offensichtlichsten. War schon für Munch die Natur die entscheidende Mitwirkende, indem er die Gemälde oft tagelang im Freien wettern ließ und so Sonne, Schnee und Regen in den Entstehungsprozess einbezog, gilt dies erst recht für Doig. Wie im einstigen Quecksilbersee von Bitterfeld schillern die Farben des „Echo Lake“ bei ihm hochtoxisch; alles droht in seinen Farb-Seen binnen Kurzem zersetzt zu werden. Doch nicht nur im Gewässer finden sich die typischen Verlaufsspuren der unbarmherzigen Zeitläufte, die Munch vor über hundert Jahren in die Kunst einführte. Am Ufer von Doigs „Echo Lake“ ruft ein Polizist mit der Geste von Munchs „Schrei“ ins Leere, erhofft die Reaktion einer vermissten Person – oder wartet dort in Ewigkeit auf Godot. Ähnlich gottverlassen hallen die Schritte in Munchs immer wieder aufs Neue unfassbar un­heimlichem „Herbst im Ulmenwald“ von 1919. Das Betrachterauge versinkt hier im lehmig gelben und schlierigen Untergrund des Hohlwegs, stolpert im dichten Urwald über schlangenartige Windewurzeln oder wird hinterrücks gepeitscht vom Geäst der mit ihren Armen menschenähnlichen Ulme. Munchs verwunschene Bäume finden sich häufig bei Doig.

Doppelbelichtung des Unterbewussten: Edvard Munchs „Frauen im Bad“, 1917.





Bilderstrecke



Munch und seine Erben in Wien
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Der modernste Künstler der Moderne

Das solche Stiche ins Auge Baselitz aus einer malerischen Krise halfen und Jasper Johns 1976 in „Savarin“ und „Corpse and Mirror“ das Detail der Munch’schen Farbdose voller Pinsel mit dem rasiermesserscharf abstrakten Tapetenmuster-Rorschachtest dahinter in Rot, Gelb und Blau und einem Arm in Steinzeitmalereistil darunter vergrößerte, ist vielen bekannt. Auch dass Tracey Emin sich in ihrem Video „Hommage an Edvard Munch und alle meine toten Kinder“ die Seele aus dem Hals schreit für ihre abgetriebene Kinder und sich an dem von Munch oft gemalten Åsgårdstrand in Embryonalstellung nackt und verwundbar macht. Ebenso verletzlich nackt ist Miriam Cahns „Madonna“, die ihre Nähe zu Munchs Versehrten nie leugnen würden. Für die meisten vollkommen überraschend aber kommt die Zwiesprache mit Munch bei Marlene Dumas. Was auch sollten die zutiefst politischen Anti-Apartheid- und Anti-Kriegsbilder der erklärten Feministin aus Südafrika mit den Bildern des mindestens misogynen Munch zu schaffen haben?

Es sind die zerfließenden Körper, die etwa in Dumas’ „Alien“ an die nur wenige Meter entfernt hängende „Pubertät“ Munchs anknüpfen, und es ist die vollständige Überreizung auch durch Farbe insbesondere in den Gesichtern, die äu­ßeres Leid wie inneres Leiden an sich selbst in eine intuitiv erspürbare Form zu packen vermögen. Dumas´ nackte Krieger und ihre „Madonna“ von 1998 stehen in der Albertina so verloren in der Welt wie Munchs Unerlöste. Die kontaminiert strahlende „Nuclear Family“ von 2013 erinnert an dessen expressives Experimentieren mit möglichst ungesunden Farben im Teint.

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