Wissenschaft

#Warum ein Happy End täuschen kann

Warum ein Happy End täuschen kann

Wir Menschen bevorzugen ein Happy End – Erfahrungen, die gut enden. Wir ziehen aus solchen Erlebnissen Schlüsse für künftige Situationen und Entscheidungen. Doch gerade dies geht manchmal schief und führt zu Fehlentscheidungen, weil wir dazu neigen, das gute Ende überzubewerten. Forscher haben nun herausgefunden, welche Mechanismen im Gehirn dahinterstecken.

Menschen treffen ihre Entscheidungen auf der Basis von Erfahrungswerten. Dabei bewerten sie vergangene Erlebnisse und können daraus zum Beispiel ableiten, ob sie etwas ähnliches noch einmal erleben möchten oder lieber vermeiden. Ein Teil dieser Einordnungen geschieht allerdings unbewusst und Beobachtungen legen nahe, dass dabei das Ende einer Erfahrung überproproportional stark gewichtet wird. Die Lehren, die wir aus einer Erfahrung ziehen, können dadurch subjektiv nicht unbedingt die richtigen sein. Solche kognitive Verzerrungen ziehen dann häufig Fehlschlüsse und irrationale Entscheidungen nach sich. Ein klassisches Beispiel ist der sogenannte „Banker Trugschluss“, der dazu führt, dass Menschen kurzfristige Aufwärtstrends überbewerten und langfristige Entwicklungen zu wenig einbeziehen.

Die letzten Momente zählen am meisten

Forscher um Martin Vestergaard von der University of Cambridge haben nun in einer Studie mit funktioneller Magnetresonanztomografie (fMRT) untersucht, wie Menschen Entscheidungen treffen und welche kognitiven Mechanismen dabei eine Rolle spielen. „Wenn Sie sich entscheiden, in welchem Restaurant Sie zu Abend essen möchten, denken Sie darüber nach, wo Sie in der Vergangenheit eine gute Mahlzeit hatten. Aber Ihre Erinnerung daran, ob diese Mahlzeit gut war, ist nicht immer zuverlässig – unser Gehirn gewichtet die letzten Momente der Erfahrung stärker als den Rest der Erfahrung“, erklärt Vestergaard. „Wenn wir unsere eingebaute Anziehungskraft von Happy Ends nicht kontrollieren können, dann können wir nicht darauf vertrauen, dass unsere Entscheidungen wirklich gut für uns sind.“

Anhand eines Spiel-Experiments gelang es den Forschern, diesen Effekt genau nachzuvollziehen. 27 Probanden sollten jeweils entscheiden, welcher von zwei Münztöpfen den höheren Gesamtwert hat. Dazu sahen sie in schneller Folge eine Reihe von Münzen aus jedem der beiden Töpfe, wobei größere Münzen wertvoller waren als kleine. Der Hirnscanner zeichnete währenddessen auf, was im Gehirn der Probanden vor sich ging. Die Aufgabe wurde mehrfach wiederholt, wobei sowohl die Anzahl der gezeigten Münzen variierte als auch ihre Reihenfolge: Mal erschienen die großen – also wertvollen – Münzen zu Beginn der Sequenz, mal gegen Ende.

Kognitive Verzerrungen führen zu irrationalen Entscheidungen

Fast alle Probanden entschieden sich gegen einen Topf, wenn sich die Größe der Münzen gegen Ende der Sequenz verringerte – auch wenn der Gesamtwert der gezeigten Münzen eigentlich höher war als im anderen Topf. Ein schlechtes Ende überlagerte also bei ihrer Entscheidungsfindung den positiven Gesamtverlauf. Wie stark dieser Effekt ausgeprägt war, variierte von Person zu Person. Nur wenige waren allerdings in der Lage, ihn ganz zu ignorieren.

Damit bestätigen die Ergebnisse theoretische Modelle und replizieren frühere Forschungen. Erstmals konnten die Forscher nun jedoch auch nachvollziehen, welche kognitiven Mechanismen der Entscheidung zugrunde liegen. Wie sie herausfanden, wird der Gesamtverlauf eines Ereignisses in der Amygdala codiert, einer Hirnregion, die unter anderem für die emotionale Bewertung von Situationen zuständig ist. Ob sich die Sequenz zum Ende hin positiv oder negativ entwickelt, wird dagegen in der vorderen Insula verarbeitet, einem Teil der Großhirnrinde, der unter anderem an Sinneswahrnehmungen beteiligt ist.

Separate Hirnregionen für Ende und Verlauf

Je stärker die vordere Insula bei den Probanden aktiv war, desto eher neigten sie dazu, den Gesamtverlauf zu vernachlässigen und sich von der Tendenz am Ende der Münzsequenz täuschen zu lassen. Eine hohe Aktivität der Amygdala ging dagegen häufiger mit richtigen Entscheidungen einher. Damit widerspricht die aktuelle Studie früheren Vermutungen, denen zufolge es sich bei der Amygdala um einen primitiven Teil unseres Gehirns handelt, der rationalen Entscheidungen eher entgegensteht.

Der Fokus auf die letzten Momente einer Erfahrung ist den Forschern zufolge ein grundlegender Mechanismus im menschlichen Gehirn. In vielen Lebenssituationen kann es wichtig sein, darauf zu achten, ob sich Dinge in einem Auf- oder Abwärtstrend befinden. Zieht man diese Information jedoch dazu heran, ein Gesamterlebnis zu bewerten, führt das zu einem verzerrten Urteil. Geht es nur um die Entscheidung für ein gutes Restaurant, hat ein Trugschluss kaum ernsthafte Konsequenzen. In anderen Zusammenhängen kann es jedoch sehr relevant sein, sich möglicher kognitiver Verzerrungen bewusst zu werden.

„Viele Politiker, die eine Wiederwahl anstreben, nutzen aus, dass wir verstärkt die letzten Momente einer Episode in Erinnerung behalten und in unsere Entscheidungen einbeziehen; sie werden immer versuchen, gegen Ende ihrer Amtszeit stark und erfolgreich zu erscheinen“, sagt Vestergaard. „Wenn Sie auf diesen Trick hereinfallen und frühere Inkompetenz und Misserfolge außer Acht lassen, dann könnten Sie am Ende einen ungeeigneten Politiker wiederwählen.“ Dem Forscher zufolge lohnt es sich daher, sich Zeit zum Innehalten und Nachdenken zu nehmen. „Ein analytischerer Ansatz zur Ergänzung Ihres intuitiven Urteils kann dazu beitragen, dass Sie eine rationale Entscheidung treffen.“

Quelle: Martin Vestergaard (University of Chicago) et al., Journal of Neuroscience, doi: 10.1523/JNEUROSCI.2130-19.2020

Wenn Sie an Foren interessiert sind, können Sie Forum.BuradaBiliyorum.Com besuchen.

Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Wissenschaft kategorie besuchen.

Quelle

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Schließen

Please allow ads on our site

Please consider supporting us by disabling your ad blocker!