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#Warum Goebbels nicht verurteilt wird

Warum Goebbels nicht verurteilt wird

In dem zwischen dem Reich und Thüringen geschlossenen Vergleich heißt es, die Parteien seien sich darüber einig, daß die Frage, ob oder inwieweit die Nationalsozialistische Partei „umstürzlerische oder sonst strafbare Ziele“ verfolge, im Rahmen des Leipziger Vergleichs nicht ausgetragen werden könne oder solle; diese grundsätzliche Frage werde erst in einem anderen vor dem Reichsgericht schwebenden Verfahren geklärt werden. Mit diesem anderen Verfahren ist der Hochverratsprozeß gemeint, den der Oberreichsanwalt gegen Dr. Goebbels, den Berliner Gauführer der Nationalsozialistischen Partei, eingeleitet und zu dem der Reichstag seinerzeit die Immunität des Abgeordneten Goebbels aufgehoben hat.

Wann es zur Hauptverhandlung kommen wird, ist noch unbestimmt, da vorher ein umfangreicher und schwieriger Stoff untersucht werden muß. Das Verfahren wird nicht nur gegen Dr. Goebbels, sondern auch gegen mehrere andere Nationalsozialisten in leitender Parteistellung gerichtet sein, darunter gegen Persönlichkeiten, die erst unlängst in dem Offiziersprozeß in Leipzig als Zeugen vernommen werden sollten. Schon damals teilte die Reichsanwaltschaft mit, daß ein solches Verfahren gegen nationalsozialistische Führer schwebe. Als nämlich nach der Vernehmung Hitlers auch Dr. Goebbels und zwei andere prominente Nationalsozialisten als Zeugen gehört werden sollten, erhob der Reichsanwalt Einspruch mit der Begründung, daß diese Zeugen über Dinge Aussagen sollten, um derentwillen gegen sie ein Hochverratsverfahren schwebe.


Der Reichstagsabgeordnete Dr. Frank, einer der Verteidiger, forderte damals vom Reichsanwalt die Erklärung, auf Grund welcher Unterlagen dieses Verfahren eingeleitet worden sei. Reichsanwalt Dr. Nagel beschränkte sich auf die kurze Erklärung, daß allein vom Reichswehrministerium nicht weniger als acht Strafanzeigen gegen Mitglieder der Nationalsozialistischen Partei eingegangen seien, daß aber die Reichsanwaltschaft aus begreiflichen Gründen über die bisherigen Ermittlungen noch nichts sagen könne. Immerhin wurde angedeutet, daß es sich bei den Anzeigen des Reichswehrministeriums ebenfalls um nationalsozialistische Zellenbildungen im Reichsheer handle.

Der Ausgang des Polizeistreits Thüringen-Reich hat gewiß gerade die republikanischen Kreise Thüringens nur wenig befriedigt. Sachlich und vernünftig urteilende Beobachter denken aber nicht daran, etwa den Reichsinnenminister Dr. Wirth für das magere Ergebnis des Verfahrens vor dem Staatsgerichtshof in Leipzig verantwortlich zu machen.  

Die Nationalsozialisten, die oft genug erkennen ließen, daß sie nicht eine Beilegung, sondern vielmehr eine Verschärfung und Vertiefung des Gegensatzes zwischen dem Land Thüringen und dem Reich erstrebten, weil sie sich agitatorische Vorteile davon versprachen, haben auch keinen Grund, den Vergleich zwischen Thüringen und dem Reich als einen rastlosen Sieg für sich auszuposaunen. Anscheinend ist dieser Vergleich (ganz ohne Zutun der Hitler-Leute) angebahnt worden durch eine persönliche Fühlungsnahme des thüringischen Finanzministers Dr. Braun, also eines Landesführers mit dem Reichskanzler Brüning.

Was durch die Beweisaufnahme vor dem Staatsgerichtshof über die Anfänge zu einer parteipolitischen Beeinflussung der thüringischen Polizei im nationalsozialistischen Sinne festgestellt werden konnte, wird in dem Vergleich durch die thüringische Gesamtregierung selbst mitverurteilt. Allerdings bleiben die nationalsozialistisch eingestellten Polizeileiter vorerst in ihren Ämtern. Der Vergleichswortlaut schließt aber auch in dieser Hinsicht eine spätere anderweitige Regelung nicht aus. Die Republikaner haben jetzt die Aufgabe, darüber zu wachen, daß die von der thüringischen Landesregierung in ihrer Gesamtheit für die Wahrung des unpolitischen Charakters der Polizei gegebenen Zusicherungen von den Rechtsradikalen nicht mißachtet werden.

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