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#Warum im Kultur-Knockdown noch nicht das letzte Wort gesprochen ist

Warum im Kultur-Knockdown noch nicht das letzte Wort gesprochen ist



Ungelöstes Rätsel: Wann wird Thomas Ostermeier seine Berliner Schaubühne am Lehniner Platz wieder öffnen dürfen? Vorerst bleiben Bühnen, Konzertsäle und Museen in diesem Corona-Winter geschlossen.

Bild: dpa

Ausgerechnet die Kulturbranche, die nach dem ersten Shutdown so vorbildlich ausgeklügelte Hygienekonzepte erarbeitet hat, wird angesichts der pandemischen Herausforderung hart getroffen. Eine Lücke, die zu schließen ist.

Vom stillen Weihnachtsfest ist dieser Tage viel die Rede. Dabei wird der Heilige Abend vermutlich so leise nicht sein, wenn sich doch immerhin zehn Erwachsene plus Kinder um den Christbaum versammeln dürfen. Still ist vielmehr die sonst so trubelige Adventszeit – ohne Weihnachtsmärkte, ohne Kirchengeläut, ohne überfüllte Geschäfte. Ihre Geschenke werden die meisten vermutlich im Netz bestellen, hoffentlich auf den Websites ihrer bevorzugten Innenstadtläden. Totenstill aber bleibt es definitiv in den Musiksälen, Opernhäusern und Theatern im Land, die zu Weihnachten traditionell Hochzeit haben. Kein Bach, Mozart oder Händel wird dort zu hören sein, kein Messias-Konzert oder Weihnachtsoratorium das Publikum festlich stimmen, kein Weihnachtsmärchen oder „Nussknacker“ die Kinder erfreuen. Stattdessen haben Orchestermusiker, Chorsänger und Schauspieler für unbestimmte Zeit pandemisch bedingt Spielpause; in der gebeutelten Kulturbranche trifft es sie besonders hart.

Während in den Niederlanden die Corona-Maßnahmen gerade gelockert wurden und Museen, Theater und Kinos wieder öffnen dürfen, in Frankreich von Mitte Dezember an, bleiben die seit dem 2. November verriegelten Häuser der Kulturnation Deutschland bis auf weiteres verwaist. Die Reaktionen reichen von Protest bis Resignation. Während Dieter Hallervorden vergeblich gegen die Schließung seines Schlosspark Theaters vor das Berliner Verwaltungsgericht gezogen war, Herbert Grönemeyer Besserverdiener zum mäzenatischen Kultursoli aufrief, spielt der Intendant der Berliner Schaubühne Thomas Ostermeier mit dem Gedanken, mit geschlossenem Haus zu überwintern und die Theater erst im Sommer wieder zu öffnen. Womöglich liegt nicht einmal das mehr in seinem Ermessen.

Zu Hochrisikozonen erklärt

Ausgerechnet die Kulturbranche, die nach dem ersten Shutdown so vorbildlich ausgeklügelte Hygienekonzepte erarbeitet hat, wurde für das nachlässige Verhalten anderer angesichts der pandemischen Herausforderung bestraft. „Wenn es einen sicheren Ort gibt, dann die Oper“, meint der Frankfurter Operndirektor Bernd Loebe. Stattdessen wurden die auf Abstand getrimmten Orte der Kultur neuerlich zu Hochrisikozonen erklärt. Fast schon hilflos begründete Kanzleramtsminister Helge Braun deren Schließung: „Irgendwie müssen wir es tun. Und dann doch lieber im Freizeitbereich.“

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Hatte die Künstler zunächst noch empört, dass sie in den Verordnungen in einem Atemzug genannt wurden mit Freizeitvergnügungen wie Wettbüros, Spielbanken und Bordellen, geht es längst um mehr. Zwar stellt Kulturstaatsministerin Monika Grütters insgesamt zwei Milliarden Euro zu deren Absicherung in Aussicht, doch viele Kreative müssen inzwischen um ihre berufliche Existenz fürchten. Vor allem die Freischaffenden sind betroffen, denen Aufträge reihenweise weggebrochen sind und die ohne Auftrittsmöglichkeiten dastehen. Manche lassen sich bereits umschulen, denn auch kellnern können sie derzeit nicht zur Überbrückung.

Zurückstecken müssen alle

Nun mag man einwenden, dass es anderen nicht besser ergehe, dass die Kosmetikerin ebenso hohe Einbußen wie der Barbesitzer zu verkraften habe, nur eben nicht über vergleichbare Mittel verfüge, sich medial bemerkbar zu machen, wie ein Till Brönner. Zurückstecken müssen alle, so viel steht fest, der bekannte Trompeter ebenso wie die Nagelstudiobesitzerin ums Eck. Deshalb ist es wenig förderlich, die einen gegen die anderen auszuspielen, auch wenn die Diskrepanzen unlogisch bleiben. Warum dürfen Kirchen, Bibliotheken und U-Bahnen zugänglich sein, Letztere zu Stoßzeiten dicht gedrängt, nicht aber Opernhäuser und Museen? Warum stellt ein Privattheater ein Gesundheitsrisiko dar, nicht aber eine private Galerie? Der Schauspieler Matthias Brandt war von der Erkenntnis, wie es um den Stellenwert von Künstlern stehe, regelrecht überfahren, „dass diese Gesellschaft Manuel Neuer als systemrelevant erachtet, uns aber nicht“. Er plädiert dafür, den nächsten Schritt zu gehen, nämlich noch stärker zu begründen, „warum es uns gibt und warum das wichtig ist, was wir tun“.

Und warum? Zuspitzungen bei der Systemrelevanz führen in die Irre, denn die Künste haben keinen Auftrag oder ein Ziel, sondern sind Instanzen, um uns und die Gegenwart gerade auch in solch merkwürdigen Zeiten zu befragen, Denkräume zu öffnen und ästhetisch vieldeutig zu bleiben. Und sie können uns zugleich anregend schöne Theaterabende bescheren oder eine alle Sinne strapazierende Ausstellung. In wie vielen Sonntagsreden wurde die einzigartige Kunst- und Bühnenlandschaft hierzulande gepriesen. Jetzt, da uns der Zugang auf unbestimmte Zeit verwehrt bleibt, wird dieser Wert manifest. Doch es ist nichts verloren wie etwa das Geschmeide im Grünen Gewölbe, das „Betreten verboten“-Schild gilt ja nur temporär. Es ist vielmehr die unfreiwillige Umsetzung von Heiner Müllers einstigem Credo, die Theater für ein Jahr zu schließen, um daraus Erkenntnis zu gewinnen. Und? Was erkennen wir? Keine Phantomschmerzen, sondern die Lücke, die es schnell zu schließen gilt.

Sandra Kegel

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