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#Warum in Afghanistan bald Hunger drohen könnte

Warum in Afghanistan bald Hunger drohen könnte

In Afghanistan steht eine kräftig wachsende Einwohnerzahl einer völlig unzureichenden Nahrungsmittelproduktion gegenüber. Bisher wurde die Lücke durch Einfuhren geschlossen, direkt oder indirekt finanziert von der westlichen Allianz. Doch mit dem Ende der vom Westen gestürzten Regierung, der Einstellung von finanzieller Hilfen und dem Abbruch vieler Entwicklungsprojekte durch ausländische Partnerorganisationen könnte nun schnell eine Versorgungslücke entstehen.

Tobias Piller

Wirtschaftskorrespondent für Italien und Griechenland mit Sitz in Rom.

Afghanistan erlebte zuletzt 2001 und 2008 Hunger in weiten Teilen des Landes, was beide Male eine Not-Intervention des World Food Programme (WFP) notwendig machte. Die UN-Welternährungs- und Landwirtschaftsorganisation FAO schrieb in einem kürzlich vorgestellten Bericht, dass im Mittelwert der Jahre 2018 bis 2020 etwa 25,6 Prozent der Bevölkerung Afghanistans unter Unterernährung leiden, oder etwa 9,7 Millionen Menschen. Der Anteil der Unterernährten lag deutlich niedriger als in den Vergleichsjahren 2004 bis 2006, mit einer Quote von 36,1 Prozent. Doch die Zahl der unterernährten Afghanen ist bis heute konstant geblieben, da inzwischen die Bevölkerung kräftig gewachsen ist.

Hälfte der Bauern betreibt Subsistenzwirtschaft

Verglichen mit 2001, als die Taliban die Herrschaft über Afghanistan verloren hatte, ist die Bevölkerung nach UN-Angaben bis 2021 um 48 Prozent auf geschätzte 39,8 Millionen gewachsen. Die Geburtenrate nahe am Wert 5 gehört zu den höchsten der Welt. Binnen der vergangnen zwei Jahrzehnte hat sich die Stadtbevölkerung nahezu verdoppelt, auf nunmehr mehr als 9 Millionen. Kabul hat jetzt 4,3 Millionen Einwohner, gegenüber 2,5 Millionen im Jahr 2001 und 1,9 Millionen im Jahr 1995. Damals hatten die Taliban erstmals die Macht im Land übernommen. Afghanistans zweitgrößte Stadt Kandahar zählt heute rund eine halbe Million Einwohner, gegenüber 300 000 im Jahr 2001.

Zur Ernährung der wachsenden Stadtbevölkerung fehlt dem Land jedoch eine leistungsfähige Landwirtschaft. Das ist auch auf die Klimaverhältnisse in der trockenen und größtenteils zwischen 600 und 3000 Meter Höhe gelegenen Region zurückzuführen. Zwar arbeiten 45 Prozent der Beschäftigten in der Landwirtschaft und erwirtschaften dort 26 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Doch das sind große Anteile an einer sehr kleinen Wirtschaftsleistung.

Die Hälfte der Bauern betreibt Subsistenzwirtschaft. Das Land ist fast doppelt so groß wie Deutschland, kommt aber nur auf die Hälfte der deutschen Einwohnerzahl. Es erwirtschaftete 2020 nach Angaben des IWF ein BIP von knapp 20 Milliarden Dollar. Das Pro-Kopf-Einkommen beträgt 500 Dollar, gewichtet nach Kaufkraftparität zu Preisen von 2011 lag es 2020 bei 1979 Dollar. Weil wegen der schwierigen Sicherheitslage fast nie ausländische Unternehmen in Afghanistan investieren, auch nicht in den Abbau von Bodenschätzen, lag der gesamte Güterexport Afghanistans 2020 nach Angaben des IWF bei 777 Millionen Dollar. Doch alleine für die Einfuhren von Nahrungsmitteln nach Afghanistan ist nach Angaben der FAO ein Betrag in der Höhe von 300 Prozent des Güterexports notwendig.

Abhängigkeit von Lebensmitteleinfuhren

Bisher wurden ein im Verhältnis zum BIP riesiges Leistungsbilanzdefizit durch vielerlei ausländische Hilfen finanziert. Der jüngste Länderbericht des Internationalen Währungsfonds (IWF) beziffert das Leistungsbilanzdefizit für 2020 auf 24,3 Prozent des BIP. Wenn allerdings all die ausländischen Hilfen einschließlich Sonderunterstützung für die Covid-Pandemie einbezogen würden, ergebe sich ein Leistungsbilanz-Überschuss von 14,2 Prozent, schreibt der IWF. Womöglich sind die Umstände auch aus diplomatischen Gründen etwas verschleiert, doch steckt hinter der Formulierung des IWF vereinfacht gesagt die Aussage, dass 2020 ausländische Hilfen 40 Prozent des BIP erreichten.

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Die Abhängigkeit von Lebensmitteleinfuhren sei auch der Grund für die Ernährungs-Unsicherheit im Land, sagt der Verantwortliche für das FAO-Programm in Afghanistan, Kaustubh Devale. Die Landwirtschaft könne mit vielerlei Verbesserungen leistungsfähiger werden, und die FAO werde sich weiter dafür einsetzen. Pikant sind die politischen Zusammenhänge rund um die UN-Ernährungsorganisationen in Rom: Die langfristig orientierte FAO wird seit zwei Jahren vom chinesischen Generaldirektor Qu Dongyu geleitet, das auf schnelle Rettungseinsätze spezialisierte World Food Programme untersteht dem noch von Donald Trump vorgeschlagenen amerikanischen Exekutivdirektor David Beasley.

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