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#Warum ist das älteste Chinatown in Europa so begehrt?

Warum ist das älteste Chinatown in Europa so begehrt?

Das Symbol für gelungene Integration wird in einem Pappteller über den Tresen gereicht. Darin liegen, in Sojasauce, vier handgefertigte Jiaozi. Ein freundliches Nicken, bitte zur Seite treten, der Nächste. Die drei Köchinnen hinter der dicken Glasscheibe haben kaum Zeit, um aufzuschauen, sie produzieren die Teigtaschen wie am Fließband. Italiener sind eigentlich eher konservativ, wenn’s ums Essen geht. Vor der „Ravioleria Sarpi“, einem chinesischen Take-away-Lokal, gibt es jedoch immer eine Warteschlange. Die Jiaozi sind köstlich, heißen auf der Speisekarte Ravioli, das Mehl ist Bioqualität, und das Fleisch für die Füllungen stammt aus einem biodynamisch arbeitenden Zuchtbetrieb und wird über die Fleischerei nebenan bezogen, die 1931 gegründete „Macelleria Sirtori“. Sie ist eines der wenigen verbleibenden Geschäfte in Mailands Chinatown, in dem seit Jahrzehnten nur Italienisch gesprochen wird.

Das Viertel rund um die Via Paolo Sarpi ist ein aufregendes Laboratorium des Zusammenlebens, chinesische Realitäten vermengen sich dort mit italienischen – Lokale wie die „Ravioleria“ sind eines der vielen Ergebnisse. Man kann die tausendjährige kaiserliche Küche kosten oder trinkt Bubble Tea in einer italienischen Konditorei; man sieht Kimonos und den letzten Schrei von Mailands Laufstegen, pflegt die müden Füße in einem chinesischen Gesundheitscenter oder bringt sein kaputtes iPhone in den Laden von Johnny Fix, von dem niemand weiß, ob er wirklich so heißt, da ihn alle nur „L’aggiustatutto“ – „den Mechaniker“ – nennen: Er repariert schneller und billiger als der Apple Store am Dom.

Wohnungspreise für 7000 Euro pro Quadratmeter

In Chinatown leben Künstler, Journalisten, Intellektuelle. Das Viertel wird gerade zu einem der angesagtesten der Stadt, die Wohnungspreise erreichen schon 7000 Euro pro Quadratmeter. Viele der 27.000 Italochinesen, die Mailand zählt, verdrängt das in Wohnungen in der Peripherie. Zum Einkaufen und Arbeiten kommt die chinesische Gemeinschaft, die so facettenreich ist, dass der Begriff Gemeinschaft eigentlich gar nicht passt, aber weiterhin in die Via Paolo Sarpi: Da sind Nachkommen der ersten Einwanderer, die oft gar kein Chinesisch mehr sprechen und die Traditionen kaum kennen; da sind Familien, die in den Achtzigern aus dem kommunistischen China einwanderten, und Einwanderer aus jüngster Zeit, die mit dem Selbstbewusstsein aufgewachsen sind, einer Wirtschaftsweltmacht anzugehören.

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Anders als Paris oder London macht Mailand sein Chinatown nicht zum Aushängeschild. Dabei ist es das älteste Europas, und es war in Mailand, wo 1987 Chinesen erstmals in Europa ganz offiziell das chinesische Neujahrsfest feierten. Sie zeigten stolz das Emblem ihrer Kultur: den Drachen. Mittlerweile ist die Parade ein jährliches Ereignis mit bis zu 500.000 Zuschauern. Die Idee, einen Pailou, ein chinesisches Scheintor, aufzustellen, verwarf die Stadt aber wieder. Es könne wie eine gesellschaftliche Barriere wirken, die chinesische Mentalität sei schon verschlossen genug, lautete der Tenor der Debatte. Ähnlicher Stereotype bedienen sich rechtsgerichtete Politiker. Sie nutzen die Uneindeutigkeit der im Viertel gelebten Kultur, um Angst vor Überfremdung zu schüren.

Viele Mailänder haben davon genug. Eine Gruppe engagierter Künstler und Intellektuelle hat sich deshalb jetzt vorgenommen, ein anderes Bewusstsein für Chinatown schaffen. Zu ihr gehört der Schauspieler Shi Yang Shi, der sein schwieriges Coming-out im chinesischen Kontext öffentlich machte, sowie die Wirtschaftswissenschaftlerin Lala Hu, die das erhöhte Misstrauen gegenüber den Italochinesen zu Beginn der Pandemie als Rassismus anprangerte. Als Brückenbauer verstehen sich auch die Autorin Ciaj Rocchi und der Illustrator Matteo Demonte. Der 47-Jährige ist Italochinese in dritter Generation. Als das Paar vor 15 Jahren einen Sohn bekam, fingen sie an, alte Fotos und Dokumente zu sammeln, um ihm die Geschichte seiner Herkunft zu erzählen. Was als eine Art Familienalbum begann, wurde zur Leidenschaft und das Paar zu Experten für chinesische Migration. Mit dem Ziel, deren Hintergründe außerhalb akademischer Kreise bekannt zu machen, veröffentlicht es Comic-Essays, produziert Trickfilme, organisiert Kunstaktionen und Ausstellungen.

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