Nachrichten

#Warum Möbeldesigner Georges Mohasseb mit Studio Manda in Beirut blieb

Als am 4. August 2020 um 18.08 Uhr die erste von zwei Explosionen das Hafengebiet Beiruts erschütterte, saß Georges Mohasseb noch am Schreibtisch seines Studios, das in einem der oberen Stockwerke einer alten Werkstatt im Industriegebiet Beiruts liegt. Der Produkt- und Interiordesigner trat durch die raumtiefe Schiebetür auf die Terrasse, eine Mitarbeiterin folgte ihm. Zum Glück: Zwar trennen etwa sieben Kilometer Luftlinie Mohassebs „Studio Manda“ vom Hafengebiet, doch die bei der zweiten Explosion entstandene pilzförmige Druckwelle zersplitterte Glasscheiben bis zu zehn Kilometer weit entfernt. Auch die Fenster von Mohassebs Büroräumen barsten, ein Oberschrank, unter dem seine Mitarbeiterin noch kurz zuvor saß, stürzte ein.

Rund 300.000 Einwohner Beiruts wurden an diesem Tag obdachlos, 6000 Menschen verletzt, mindestens 216 verloren wegen der katastrophalen Kettenreaktion ihr Leben: Als bei Schweißarbeiten in einem Lagerraum im Hafen ein Feuer ausbrach und auf dort gelagerte Feuerwerkskörper übersprang, brachte das Feuerwerk große Mengen von Ammoniumnitrat zum Explodieren. Die hochexplosive Chemikalie lagerte im Beiruter Hafen ohne jegliche Schutzmaßnahmen, Experten hatten die libanesische Regierung bereits Monate vorher vor den Gefahren gewarnt.

Hocker von Studio Manda: Mohassebs gestalterische Sprache ist verspielt, aber elegant


Hocker von Studio Manda: Mohassebs gestalterische Sprache ist verspielt, aber elegant
:


Bild: Studio Manda

Seit elf Jahren hat Georges Mohasseb die Räume einer einstigen Filmfabrik in Jabal Lubnan unweit des Beirut Rivers gemietet, hier entwirft und produziert er große Esstische aus Holz, Hocker aus Bronze mit Beinen, die an das Design von Meret Oppenheim erinnern, skulpturale Couchtische aus gefärbtem Harz. Mohassebs gestalterische Sprache ist verspielt, aber elegant, das Wort luxuriös allein würde seinen Entwürfen nicht gerecht werden, weil er nicht nur auf traditionelle Materialien wie Bronze, Marmor oder Glas setzt, sondern beständig mit neuen Materialien experimentiert, die organisch geformte Konsole „Erosion“ etwa besteht aus Gips und Hanffaser.

Der Designer entwirft fast nur nach Maß, also das, was man im Englischen bespoke pieces nennt und sich an der Grenze zwischen Collectible Design und Kunst bewegt. Weil Mohasseb die Nähe zu den Kunsthandwerkern schätzt, die ihre Bronze- und Epoxidharzgießereien wie er im Industrieviertel haben, hat er nie einen Showroom mit Galerie in den beliebten und belebten Gegenden wie Saifi oder Mar Mikhael eröffnet, die ob ihrer Nähe zum Hafen fast gänzlich zerstört wurden.

„Ein starkes Gefühl, mein Land nicht zu verlassen“

Der Libanon ist trotz all der Krisen, die dieses Land beuteln, für seine florierende Designszene bekannt – eine, die Kunsthandwerk schätzt und auf internationaler Bühne brilliert. Viele ihrer Protagonisten, wie das Studio „David /Nicolas“ oder Khaled el Mayss, der in Mailand Möbel bei Nilufar ausstellt und einen Stuhl für Dior entwarf, haben längst auch Dependancen oder zumindest Galerievertretung in anderen Ländern. Die Designerin Nada Debs hat ihren Showroom in Downtown Beirut wieder aufgebaut, aber auch einen Standort in Dubai eröffnet. Die Zerstörung von Georges Mohassebs Studio blieb, abgesehen von Glastrümmern und zerbrochenen Gegenständen, überschaubar. Vielleicht lag es auch daran, also am Gefühl, noch einmal mit einem blauen Auge davon gekommen zu sein, dass „an diesem Tag ein starkes Gefühl der Beharrlichkeit entstand, mein Land nicht zu verlassen.“

Blick aus dem Atelier in Beirut


Blick aus dem Atelier in Beirut
:


Bild: Studio Manda

Mohasseb ist heute Anfang 50, er hat in Washington, D.C. und Paris Architektur studiert, lange in der französischen Hauptstadt gelebt und dort 2008 sein „Studio Manda“ gegründet. Er hat ein Schengen-Visa, er hätte Beirut also zumindest für eine Zeit lang verlassen oder gleich anderswo neu starten können. Aber er blieb. Reparierte die Fensterscheiben und kaufte einen Generator, um im Büro immer Strom zu haben (in Beirut hat bis heute nur den ganzen Tag Strom, wer einen eigenen Generator besitzt). „Letztlich sind hier meine Wurzeln. Beirut ist mein Zuhause.“

Seine Kundschaft sitzt größtenteils in Amerika; die Wertschätzung für Interiordesign und die Bereitschaft für Investitionen in zeitgenössisches Design sind hier größer als etwa in Europa, er stellt aber auch in London, St. Moritz oder Monaco aus und verkauft über die Plattform 1stDibs. „Auch der libanesische Markt war sehr gut, bis die Krise im Jahr 2019 den Libanon traf. Langsam nähert sich meine libanesische Kundschaft aber wieder den 30 Prozent – Sammlerstücke werden hier sehr geschätzt.“

Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, vergessen Sie nicht, ihn mit Ihren Freunden zu teilen. Folgen Sie uns auch in Google News, klicken Sie auf den Stern und wählen Sie uns aus Ihren Favoriten aus.

Wenn Sie an Foren interessiert sind, können Sie Forum.BuradaBiliyorum.Com besuchen.

Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Nachrichten kategorie besuchen.

Quelle

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Schließen

Please allow ads on our site

Please consider supporting us by disabling your ad blocker!