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#Was ist eigentlich … Gruppenselektion? – evolvimus

Was ist eigentlich … Gruppenselektion? – evolvimus

Seit in Nature vor kurzem ein neues Paper veröffentlicht wurde, in dem das Ende der Verwandtenselektion erklärt wurde (mehr dazu hier), hat dieses für viele obskure Konzept wieder mehr Aufmerksamkeit bekommen. Dabei wurde es in dem Paper eigentlich nur in einem Satz versteckt angesprochen:

In the fifth and final phase, between-colony selection shapes the life cycle and caste systems of the more advanced eusocial species.

Das Paper hat dann, wie zu erwarten war, Richard Dawkins dazu gebracht, Gruppenselektion erneut zu kritisieren. Das wiederum hat David Sloan Wilson, dem geistigen Vater der modernen Gruppenselektion, zurück zu seinen ScienceBlogs geführt, auf denen er seitdem erneut seine Fehde mit Mr. Dawkins aufrecht hält und in mehreren Artikeln die theoretischen Hintergründe zu besagtem Paper diskutiert. Und dazu gehört selbstverständlich seine Gruppenselektion.

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Ich sage gleich, dass ich das Konzept der Gruppenselektion nicht gerade umarme und mit ihm abends etwas trinken gehen würde. Gruppenselektion und ich sind keine guten Freunde. Das liegt aber weniger daran, dass ich es für falsch halte (Selektionsdruck kann auch auf Gruppen wirken, das bestreite ich nicht), als daran, dass ich seinen Wert in Frage stelle. Gruppenselektion ist für mich ein eher philosophisches Konzept, welches u.a. dazu dient, Mr. Wilson und Mr. Dawkins zu Meinungsverschiedenheiten zu animieren. Es erklärt aber – meiner Meinung nach – sehr wenig Konkretes in der Biologie.

Und damit wären wir beim Thema: Was ist eigentlich Gruppenselektion?

Vero Wynne-Edwards, ein britischer Zoologe, entwickelte das Konzept 1962. Danach verhalten sich Tiere so, dass sie ihrer Gruppe zum Überleben verhelfen. Genauer gesagt, sie reduzieren Nahrungskonsum und Anzahl der Nachkommen um die verfügbaren Ressourcen nicht auszuschöpfen und so das Überleben ihrer Population gefährden. „Zum Wohle der Gruppe” ist dabei eine ähnliche Floskel wie „zur Erhaltung der Art”. Beides sind Ideen, die in der Natur so nicht nachgewiesen werden konnten. Ein Verhalten dient nie der Erhaltung der Art. Der kürzlich verstorbene George C. Williams klärte das in seinem Buch „Adaptation and Natural Selection” (1966); Richard Dawkins baute darauf in seinem Buch „Das egoistische Gen” (1979) auf und erläuterte, das Ziel eines Individuums ist allein die Erhaltung und das Wohl des Individuums, und zwar so weit bis es seine Gene an die nächste Generation weiter geben konnte. Auch ohne von DNA und Genen zu wissen, war das schon Charles Darwins Definition von „Fitness”.

Nun, auch wenn das „egoistische Gen” der Hauptangelpunkt für Evolution sein mag, bedeutet das nicht dass das Gen das einzige Objekt ist, das Selektion unterliegt. Das Individuum (oder genauer gesagt: der Phänotyp des Individuums) wird in erster Linie selektiert: Ist das Verhalten und Erscheinungsbild eines Tieres gut an seine Umgebung angepasst, überlebt es lange genug um Nachkommen zu produzieren. Gleiches gilt für Gruppen – Individuen aus Populationen, die besser an ihre Umwelt angepasst sind und in der direkten Konkurrenz mit anderen Gruppen Vorteile haben, werden eher ihre Gene weiter geben als andere. Auch das hat Charles Darwin schon erkannt:

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Aus: Die Abstammung des Menschen, C. Darwin, 1875

Die Gruppe als Selektionsniveau – aus diesem Gedanken formte David Sloan Wilson eine neue Form der Gruppenselektion. Während es klare Parallelen zu Wynne-Edwards Konzept gibt, unterscheidet Wilson ganz deutlich zwischen dem Selektionsdruck „innerhalb” der Gruppe und „zwischen” den Gruppen. Der Hauptantrieb für diesen Gedanken entstand aus dem Wunsch, Altruismus zu erklären. Laut Wilson kann altruistische Verhaltensweise in der Gruppe nur evolutionär stabil sein wenn der Selektionsdruck, der auf die Gruppe wirkt, stärker ist als der, der auf das Individuum wirkt. Die Individuen haben das Interesse, ihren eigenen Erfolg zu maximieren, aber sie können durch dieses egoistische Verhalten den Erfolg der Gruppe gefährden. Sozialverhalten kann vor diesem Hintergrund nur entstehen, wenn das „Wohl der Gruppe” größeren Wert für das Überleben der Individuen hat, als das Wohl des Individuums. Deshalb argumentiert Wilson, dass eine Individuums-zentrische Sicht der Evolution nicht ausreicht um Sozialverhalten zu erklären. Dies war die Geburtsstunde der Multi-Level Selektion („Selektion wirkt auf mehrere Ebenen, inklusive Gruppe und sogar Art.”) – die moderne Gruppenselektion ist davon nur ein Bestandteil.

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