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#Was Oktopussen ihr großes Gehirn verlieh

„Was Oktopussen ihr großes Gehirn verlieh

Tintenfische sind hochintelligente Tiere mit komplexem Nervensystem. Doch warum die Gehirne dieser Kopffüßer diesen für wirbellose Tiere ungewöhnlich hohen Entwicklungsstand erreicht haben, war bisher erst in Teilen geklärt. Einen wichtigen Faktor dafür könnten Forscher nun entdeckt haben. Demnach sind in den Nervengeweben der Tintenfische ungewöhnlich viele microRNAs aktiv – kleine RNA-Schnipsel, die die Produktion von Proteinen regulieren können. Das Repertoire dieser microRNAs bei den Kopffüßern ist das drittgrößte im Tierreich und das größte bei einem wirbellosen Tier, wie die Wissenschaftler feststellten. Das könnte die Intelligenz dieser Tiere erklären.

Tintenfische sind einzigartig – kein anderes wirbelloses Tier hat ein so komplexes Nervensystem und eine so hohe Intelligenz entwickelt. Diese Kopffüßer besitzen ein zentrales Gehirn, aber auch ein peripheres Nervensystem, das teilweise autark handeln kann: Verlieren sie einen Tentakel, bleibt er berührungsempfindlich und kann sich noch schlängeln. Oktopus, Kalmar und Co sind zudem enorm lernfähig, neugierig und gedächtnisstark. Sie können sogar zählen und nutzen Werkzeuge, um beispielsweise Muscheln zu öffnen. „Man sagt, wenn man einem Alien begegnen will, soll man tauchen gehen und sich mit einem Oktopus anfreunden“, sagt Seniorautor Nikolaus Rajewsky vom Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in Berlin. Studien zeigen, dass die großen, komplexen Gehirne der Kopffüßer in der Zahl ihrer Neuronen und der Verbindungen zwischen den Hirnzellen in den Gehirnen von Hunden und anderen Wirbeltieren kaum nachstehen.

Blick auf die RNA der Tintenfische

Doch warum die Gehirne der Tintenfische so viel weiter entwickelt sind als die anderer wirbelloser Tiere, ist bislang erst in Teilen geklärt. Auf der Suche nach einer Antwort haben sich Rajewsky, sein Kollege Grygoriy Zolotarov und ihr Team die RNA-Aktivität in 18 verschiedenen Geweben des Gewöhnlichen Kraken (Octopus vulgaris) und des Kalifornischen Zweipunkt-Kraken (Octopus bimaculoides). Dabei zeigte sich, dass es bei der Boten-RNA, die für den Transport der genetischen Bauanleitungen zu den Proteinfabriken der Zelle zuständig ist, keine großen Auffälligkeiten bei den Oktopussen gibt. Dafür zeigte sich jedoch bei einem anderen Typ RNA eine Besonderheit: In den Geweben der Oktopusse – und vor allem im Nervengewebe und Gehirn – sind ungewöhnlich viele microRNAs aktiv, wie die Forscher feststellten.

Diese kleinen Stücke Ribonukleinsäure enthalten keine proteinkodierenden Gene. Sie können aber an die Boten-RNA andocken und so regulieren, in welchem Maße deren Code in Proteine umgesetzt wird. Bei den beiden Oktopus-Arten waren 90 zuvor unbekannte Familien solcher microRNas aktiv, wie Zolotarov und seine Kollegen berichten. Um herauszufinden, welche davon für die Kopffüßer insgesamt typisch sind und welche nur für die hochentwickelten Tintenfische, verglichen die Wissenschaftler das microRNA-Repertoire der beiden Kraken, des Zwergtintenfischs Euprymna scolopes und des primitiven Kopffüßers Nautilus. Dabei zeigte sich: „Von den 90 neuen microRNA-Familien fanden sich zwölf bei Nautilus und dem Zwergtintenfisch – sie repräsentieren daher die Grundausstattung der Cephalopoden“, berichten die Forscher. 43 microRNA-Familien waren dagegen nur bei den Oktopussen und dem Zwergtintenfisch vertreten, 35 weitere nur bei den Oktopussen.

Explosive Erweiterung des miRNA-Repertoires

Demnach hat sich im Laufe der Entwicklung von einfachen Kopffüßern wie Nautilus zu den intelligenten, großhirnigen Tintenfischen die Zahl der microRNAs drastisch erhöht. „Dies ist die drittgrößte Erweiterung von microRNA-Familien im Tierreich und die größte jenseits der Wirbeltiere“, sagt Zolotarov. Kein anderes wirbelloses Tier weist eine so große Zahl an microRNAs auf. Mit insgesamt 138 microRNA-Familien besitzen die Tintenfische sogar mehr als beispielsweise die zu den Wirbeltieren gehörenden Hühner. Als nächstes untersuchten Zolotarov und seine Kollegen, wo und wie stark die microRNAs der Oktopusse aktiv sind. „Von den 43 microRNAs, die nur bei den Oktopussen vorkommen, waren 34 in einem oder mehreren neuronalen Geweben aktiv“, berichten sie. „In diesen Geweben wurden sie im Schnitt 13-mal stärker exprimiert als in nicht neuronalen Geweben.“

Daraus schließt das Team, dass diese Erweiterung im Repertoire der regulierenden RNA-Stücke entscheidend wichtig für die Entwicklung von komplexen Gehirnen und Nervensystemen sowohl bei Wirbellosen wie bei Wirbeltieren war. „Die bemerkenswerte Explosion des microRNA-Repertoires in Tintenfischen könnte darauf hindeuten, dass microRNAs und ihre spezialisierten neuronalen Funktionen eng mit der Entwicklung komplexer Gehirne in Tieren verknüpft sind – wahrscheinlich sind sie dafür sogar notwendig“, konstatieren die Forscher. Wie genau die kleinen RNA-Stücke die Hirnentwicklung im Einzelnen vorantreiben, muss nun durch weitere Studien geklärt werden.

Quelle: Grygoriy Zolotarov (Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft, Berlin) et al., Science Advances, doi: 10.1126/sciadv.add9938

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