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#Weihnachten in Corona-Zeiten: Von guten Mächten

Weihnachten in Corona-Zeiten: Von guten Mächten

Vor kaum vier Wochen erregte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet Aufsehen mit der Bemerkung, das kommende Weihnachtsfest werde das härteste, das die Nachkriegsgeneration je erlebt habe. Als ob es auf der Welt nicht jedes Jahr Weihnachten gebe, an dem Flüchtlinge unter menschenunwürdigen Bedingungen in Lagern hausten und Millionen auch im neuen Jahr um das Überleben ihrer Kinder kämpfen müssten – so lautete der Tenor der Empörung, die sich über dem CDU-Politiker ergoss.

Hinzu kam der Hohn derer, die sich daran erinnerten, wie hart es im Nachkriegsdeutschland zugegangen war: Mütter und Kinder unter dem Weihnachtsbaum, die die Hoffnung nicht aufgeben wollten, dass der Mann und Vater, der seit den letzten Kriegstagen vermisst war, doch noch vor der Tür stehen würde; oder die Familien in Ost und West, die später durch den Bau der Mauer auf unabsehbare Zeit voneinander getrennt wurden.

Keine dieser Beobachtungen ist falsch, und doch treffen sie auch in der Summe nicht das Unwirkliche dieser Tage. Wo in gewöhnlichen Jahren auf Weihnachtsmärkten kein Durchkommen mehr war, sind die Plätze öde und leer. In Kirchen und Konzertsälen, wo sonst sehnsüchtige Advents- oder schon weihnachtsjubelnde Musik erklang, herrscht Grabesstille.

Ins Leere greifen auch viele helfende Hände, die sich in jedem Jahr rühren, um Menschen das Licht der Weihnacht erstrahlen zu lassen, denen es so leicht von selbst nicht leuchtet: kaum festlich geschmückte Weihnachtstafeln für die, die kein Dach über den Kopf haben. Im neuen Jahr werden wohl auch die Sternsinger nicht kommen und ihre Bitte um eine Gabe für Kinder in Not mit dem Wunsch verbinden, dass der Segen Gottes auf diesem Haus liegen möge.

Die kalte Stille, die vor allem nachts über dem Land liegt, wird auch in dieser Heiligen Nacht kaum von warmem Licht erhellt. Kein Fernsehgottesdienst, und sei er noch so kunstvoll gestaltet, kann die alle Sinne berührende Mitfeier einer Christvesper oder eines mitternächtlichen Weihnachtslobes ersetzen. Und selbst wenn sie es wollten, so werden an Weihnachten auch die vielen keinen Platz in einer großen Gemeinschaft finden, denen die Kirchen als Institutionen nichts mehr sagen, sie aber als kulturelle Resonanzräume einer vom Christentum geprägten Gesellschaft (noch) nicht missen möchten.

Die Angst bannen?

Zwar wird in diesen Tagen in vielen Gemeinden mit viel mehr Kreativität als um Ostern herum versucht, reale und virtuelle Räume zu erschließen, in denen die Geschichte des Gottes erzählt wird, der Mensch geworden ist, damit der Mensch Gott wird.

Doch eine kollektive, die Kohäsionskräfte der Gesellschaft stärkende Erzählung wird daraus nicht mehr. Und anders als in vergangenen Zeiten gibt es auch keine religiös inspirierten kollektiven Praktiken, um die Angst zu bannen, die ein unsichtbares Virus verbreitet. Auf den Marktplätzen werden keine Corona-Kreuze errichtet, auch keine Wallfahrten ins Leben gerufen zum Dank für die Errettung.

Dank wird stattdessen den Ärzten und Pflegern abgestattet, wie auch Wissenschaftler längst die Stelle der Geistlichkeit als Seher und Deuter eingenommen haben. Doch auch deren Sprache versagt, wenn etwas geschieht, was dieses Weihnachtsfest tatsächlich zu dem härtesten seit Jahrzehnten macht. Tag für Tag kommen Tausende hinzu, die um einen lieben Menschen trauern, der an und mit Corona gestorben ist, ihm vielleicht in der Sterbestunde nicht beistehen konnten und auch nicht die letzte Ehre werden erweisen können. Wenn es sprichwörtlich ein ganzes Dorf braucht, um ein Kind zu erziehen, so stirbt ein solches Dorf derzeit Tag für Tag.

Geschichten, die Halt geben

Auch für diesen Schrecken fehlt es nicht nur an kollektiven Deutungsangeboten, sondern bis in den Alltag hinein auch an Worten. Schon das lateinische „tempus clausum“, das einst die Fasten- und die Adventszeit als Phasen der inneren Reinigung beschrieb, die mit vielen äußeren Einschränkungen einherging, hat als „stille“ oder „geschlossene Zeit“ niemals Eingang in die deutsche Sprache gefunden. Auch für das englische „lockdown“ gibt es bis heute keine Entsprechung, ganz so, als solle das Andere, Fremde, Bedrohliche auch sprachlich auf Distanz gehalten werden.

Gleichwohl liegt mit diesem Weihnachten neue Hoffnung über dem Land: Die Impfungen, so lange sie sich auch hinziehen werden, sind eine Chiffre für Sicherheit. Doch wann dieses Gefühl wieder zurückkehren wird, vermag niemand zu sagen, auch nicht, wie lange es halten wird.

Was bleibt, sind die Geschichten, die Halt geben können, ohne dass sie falsche Sicherheiten vortäuschen. Die von zwei Menschen etwa, die niemandem willkommen waren, aber einem Kind das Leben schenkten. Inmitten der Nacht wurde es hell um sie. Oder die des Widerstandskämpfers Dietrich Bonhoeffer, der im Dezember 1944 im Gestapo-Gefängnis Moabit Verse zu Papier brachte, die von grenzenlosen Vertrauen künden: „Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag. Gott ist bei uns am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag.“

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