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#80 Prozent Arbeitszeit bei 100 Prozent Lohn

„80 Prozent Arbeitszeit bei 100 Prozent Lohn“

Nur vier Tage in der Woche arbeiten, aber für fünf Tage Gehalt bekommen? In Großbritannien probieren dies nun rund 70 Unternehmen mit 3300 Mitarbeitern aus. Es soll das größte Pilotprojekt weltweit sein. Organisiert wird es von der Gruppe „4 Day Week Global“, die eine Kampagne zur Verkürzung der Arbeitszeit auf 32 Stunden je Woche führt.

Es sind vor allem kleinere Unternehmen, die teilnehmen. Die Branchen sind verschieden. Auf der Liste stehen ein Fish-&-Chips-Laden aus einem Küstenort in Norfolk, die Softwarefirma Rivelin Robotics aus Sheffield, der Erbschaftsteuerberater Stellar Asset Management und das alternative Finanzinstitut Charity Bank aus Kent. Vor einigen Monaten haben die Onlinebank Atom und das Softwareunternehmen WANdisco schon ähnliche Versuche mit einer Viertagewoche gestartet. Ihre Hoffnung ist, dass die Mitarbeiter dabei zufriedener und motivierter werden und die Produktivität steigt. „100-80-100“ laute die von den Organisatoren versprochene Zauberformel: 100 Prozent Produktivität bei 80 Prozent Arbeitszeit bei 100 Prozent Lohn.

Einen „historischen Versuch“ nennt es die Soziologin Juliet Schor vom Boston College, die das Pilotprojekt mit anderen akademisch begleitet und die Ergebnisse auswertet. Sie untersucht, wie die Mitarbeiter auf den zusätzlichen freien Tag reagieren. Konkret erwartet sie weniger Stress und Burnout, mehr Zufriedenheit im Job, weniger Mitarbeiterfluktuation und weniger Kündigungen, insgesamt höhere Produktivität. Die Viertagewoche würde eine „dreifache Dividende“ abwerfen, nämlich für Mitarbeiter, Unternehmen und das Klima, zeigt sie sich optimistisch.

Weil die Unternehmen freiwillig teilnehmen, hätten sie ein gutes Gefühl, dass das Experiment für sie funktionieren werde. Allerdings deutet sie auch an, dass es, „um die Viertagewoche auf die ganze Wirtschaft auszuweiten, staatliches Handeln benötigt, um Unternehmen reinzuholen, die entweder die Vorteile nicht sehen können oder für die die Vorteile kleiner sind“, sagte Schor gegenüber der F.A.Z. Joe O’Connor von der „4 Day Week Global“-Gruppe sagt, mehr und mehr Unternehmen entdeckten nun beim Auslaufen der Pandemie, dass sie ihren Mitarbeitern Neues bieten müssten, um konkurrenzfähig zu bleiben. Kürzere Arbeitszeiten seien ein Wettbewerbsvorteil.

Unterschiede bei Produktion und Dienstleistungen

Eines der teilnehmenden Unternehmen ist die kleine Craftbier-Brauerei Pressure Drop Brewery in Tottenham, Nordlondon. „Alle auf der Welt müssen ihre Art zu leben und zu arbeiten ändern“, findet Gründer Sam Smith. Der Brauerei-Chef gibt allerdings zu, dass für ein Unternehmen wie seines, das physische Produkte herstellt, die Herausforderungen einer Viertagewoche bei vollem Lohnausgleich größer seien als bei Dienstleistern, die flexibler ihre Arbeit organisieren können.

Die Gruppe „4 Day Week Global“, die in Neuseeland sitzt, schreibt, ihre Studien hätten ergeben, dass dies möglich ist. In früheren Pilotprojekten hätten fast zwei Drittel der Unternehmen mit einer Viertagewoche Vorteile bei der Rekrutierung von neuen Mitarbeitern gesehen. Und, wenig überraschend, die große Mehrzahl der teilnehmenden Mitarbeiter sagte, sie seien zufriedener und weniger gestresst.

Parallel zum aktuellen britischen Pilotprojekt seien ähnliche Versuche in Irland, den USA, Kanada, Australien und Neuseeland in Vorbereitung, sagt die Kampagnengruppe. Auch in Schweden und Finnland gab es einzelne Tests. Vor Jahren hat die isländische Hauptstadt Reykjavík einen Versuch gestartet mit einer radikalen Arbeitszeitverkürzung für die Mitarbeiter der Kommunalverwaltung. In Spanien regte die linke Splitterpartei „Más País“ die landesweite Einführung der Viertagewoche an.

Deutschland zieht nicht mit

In Deutschland gibt es derzeit keine größeren Versuche. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) veröffentlichte jüngst unter dem Titel „Feministische Zeitpolitik“ die Forderung zur Einführung einer „32-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich für alle“. Die IG Metall hatte auch mal mit der Idee geliebäugelt. Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, sagte vor zwei Jahren, eine Reduktion der Arbeitszeit auf eine Viertagewoche sei vorstellbar – aber nicht bei vollem Lohnausgleich. Dieser würde für die Unternehmen effektiv eine deutliche Erhöhung der Stundenlöhne bedeuten und damit steigende Kosten, die für viele nicht zu verkraften seien.

Angesichts des drückenden Personalmangels in vielen Unternehmen wirkt die Idee einer radikalen Arbeitszeitverkürzung auf breiter Front jedoch etwas aus der Zeit gefallen. Jüngste Äußerungen des Chefs des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) gingen eher in die andere Richtung: Er forderte eine Aufstockung auf eine 42-Stunden-Woche – mit einer entsprechenden Gehaltserhöhung.

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