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#Wenn die Uhr anders geht

Wenn die Uhr anders geht

Keine Sorge, Sie sind nicht allein. Wer eine Vorstell-Rückstell-Unsicherheit hat, teilt dieses Schicksal mit vielen anderen. Sonntag ist es wieder so weit, und spätestens beim Aufwachen stellt sich die bange Frage: Was schlägt die Stunde wirklich? Auch wenn Sie es gleich wieder vergessen: In der Nacht vom 27. auf den 28. März wird die Uhr um eine Stunde vorgestellt, wer um zwei noch wach ist, kann in Echtzeit miterleben, wie ihm 60 Minuten gestohlen werden. Aus dem Nichts heraus ist es plötzlich drei Uhr in der Früh. Weil eine Mehrheit in der EU darin keinen Sinn mehr erkennt, sollte die Zeitumstellung eigentlich abgeschafft werden. Aber dann kam Corona dazwischen, und das Thema rückte in den Hintergrund.

Michael Hierholzer

Zeitfühlige beklagen, dass sich Körper und Geist nur ungern dem neuen Rhythmus anpassen. Schlafmangel, Nervosität, Unkonzentriertheit, gereizte Stimmung sind die Folge. Dabei hat sich die Situation ohnehin vor mehr als einem Jahr verschärft, und so gut wie alle sind aus der Zeit gefallen, aus dem Takt geraten, auf der Suche nach der verlorenen Zeit, in der das Leben seinen gewohnten Gang nahm. Die Winterzeit geht, die Sommerzeit kommt, die Corona-Zeit bleibt. Und damit ein Zeitempfinden, das aus den Fugen geraten ist.

Der Zeit ist die Diversität abhanden gekommen

Manches hatte sich schon vorher angebahnt: Der Unterschied zwischen Arbeit und Freizeit, Berufs- und Familienleben wurde zusehends verwischt, im Homeoffice ist nun alles vollends ineinandergefallen. Der Zeit ist die Diversität abhandengekommen. Von ihr handelte zum ersten Mal der Prediger Salomo im biblischen Buch Kohelet: Alles hat seine Zeit. Steine wegwerfen, Steine sammeln, herzen, aufhören zu herzen, die Liste ist lang. Dass die Zeit eingeteilt wird, nicht nur nach Lichtjahren, Stunden, Nanosekunden, sondern in individuell, gesellschaftlich, kulturell vorgegebene Abschnitte, ist für den Menschen essentiell.





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Zeitumstellung und Corona
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Was uns umtreibt

Bis in die Moderne hinein war die Sache hierzulande einigermaßen klar: Im Kirchenjahr wurden zu den einzelnen Feiertagen sämtliche Emotionen von tiefem Schmerz bis jubelnder Freude hervorgerufen, der Sonntag war heilig, zwischen festlichen und gewöhnlichen Tagen war ein Unterschied wie Tag und Nacht, und man mag sich auch an die strikten Essens- und Ruhezeiten im (groß-)bürgerlichen Haushalt erinnern. Strenggläubige aller möglicher Richtungen haben bis heute keine Zeit, um über sie nachzudenken, denn sie ist erfüllt von Tätigkeiten und Riten, die den religiösen Vorschriften entsprechen. Unter diesem Gesichtspunkt sollte man über die Mallorca-Reisenden nicht die Nase rümpfen und auch die Kirchen nicht schelten, dass sie an Ostergottesdiensten festhalten: Die Abwechslung, sei es durch einen Ausflug auf die Balearen-Insel oder einen Besuch der Messe im Dom, bringt etwas Zeit-Normalität mit sich.

Der Zeitverlust kann etwas Bedrohliches annehmen

Wie alle grundlegenden Phänomene ist die Zeit ein so komplexes Ding, dass sie Physiker, Philosophen, Schriftsteller, bildende Künstler, Musiker, Psychologen, Wissenschaftlicher etlicher Fachrichtungen immer in Atem hält. Die Aspekte, unter der sie betrachtet wird, sind vielfältig und lassen sich nicht auf einen Nenner bringen. Aber auch unsere alltägliche Zeiterfahrung ist widersprüchlich: Die Zeit rast, steht still, läuft einem davon, vergeht zu rasch oder gar nicht, zieht sich in zäher Langeweile dahin oder reißt ohne Erbarmen alles mit sich. Sie in einfache Begriff zu fassen: unmöglich.

Wenn die biologische Uhr tickt, ist das etwas ganz anderes, als sich im Hier und Jetzt der Gegenwart meditativ zu versenken. Der Zeitverlust kann etwas Bedrohliches annehmen, die Konzentration auf den Augenblick heilende Kräfte entfalten. In einem Moment die Ewigkeit spüren: Dies zu erleben erstrebten östliche und westliche Mystiker gleichermaßen. Sie stemmten sich gegen die Zeit. Und sehnten sich nach Unendlichkeit. Die Idee des ewigen Lebens jedoch behagt heute vielen überhaupt nicht. Zukunft, klar, aber ohne Ende? Unheimlich. Ewigkeit, das bedeutet nämlich nicht endlos viel Zeit. Sondern das Gegenteil davon. Es braucht keine Uhren mehr. Auch wenn sich manche als deren Sklaven empfinden: Dass in der Corona-Zeit so vieles nicht vorangeht, finden wir schon schlimm genug. Dass gar nichts mehr läuft: Das ist für die meisten Bewohner der Gegenwart unvorstellbar.

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