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#Wer durch die Hölle geht, schuldet dem Teufel nichts

Wer durch die Hölle geht, schuldet dem Teufel nichts

Alles geht hier sehr schnell. Die Tat geschieht im Affekt mit einer stumpfen Hiebwaffe, Drogen sind im Spiel, Geld auch und Gefühle sowieso. Jedenfalls liegt Romeo (Asier Etxeandia), der langhaarige Lude, Betreiber des Bordells „Novias Club“, getroffen am Boden. Blut läuft aus einer Kopfwunde. Seine drei „Mädchen“, mindestens eine von ihnen schwer verwundet, müssen fliehen. Freiwillig waren sie ohnehin nicht (mehr) hier. Dass Romeo überleben wird, können sie nicht wissen.

Axel Weidemann

Das ist der Ausgangspunkt der spanischen Serie „Sky Rojo“, die vor ihrem Start auch deshalb viel Aufmerksamkeit bekommen hat, weil Netflix mit den Machern der Erfolgsserie „Haus des Geldes“ Esther Martínez Lobato und Álex Pina warb, die ihre Hände im Spiel hatten. Seit einiger Zeit hat das Interesse an spanischen Produktionen zugenommen. Amazon legte unlängst die Serie „El Internado“ neu auf. Hits wie „Elite“ und das besagte „Haus des Geldes“ gingen auf das Konto von Netflix. Letztere konnten an den Erfolg spanischer Serien wie „Grand Hotel“ und „Velvet“ anknüpfen. Auch die Kritik blickt schon eine Weile wohlwollend nach Spanien.

Bei „Sky Rojo“ ist die erste Frage, die sich den Betrachtern stellt, wenn sie das dunkelrote BMW-Cabrio im halsbrecherischen Tempo über die Straßen Teneriffas brettern sehen, eben jene, die sich bei vielen Netflix-Produktionen stellt: Kann man dieses Tempo halten? Die Antwort: Ja, diese Serie kann. Und wird es im Verlauf der ersten vier zur Ansicht vorliegenden, auf dreißig Minuten verdichteten Episoden noch steigern. Allerdings nicht ohne Kollateralschäden in Sachen Brutalität und Blödsinn.

Für Netflix-Routinen ist „Sky Rojo“ zumindest gewagt

Forsch erzählt wird hier nicht nur die Flucht einer draufgängerischen Notgemeinschaft aus drei recht unterschiedlichen Frauen: Coral vom spanischen Festland (Verónica Sánchez), Gina (Yany Prado) aus Kuba und Wendy (Lali Espósito) aus Argentinien. Auch der Sexclub des tarantinohaft narzisstisch und künstlerisch überzeichneten Zuhälters Romeo – und alles, was dieser Ort den Prostituierten abverlangt hat – wird elegant verflochten und vorgeführt: Erniedrigung und Folter aller Art, nackte Haut, Leinen, Leder und Lack sowie hier und da ein männliches Geschlechtsteil. Vieles davon ist zwar gängiges Material bei Streamingportalen. Für die dann doch oft brav durchexerzierten Netflix-Routinen ist „Sky Rojo“ aber zumindest gewagt.

Dafür gelingt es, weder zu verherrlichen noch zu verharmlosen. Und auch mit der in solchen Serien sonst üblichen Lakonie wird sparsamer umgegangen. Schmerz ist Schmerz. Das soll man sehen. Selbst wenn die rasant hineingeschnittenen Szenen diverser Praktiken keineswegs so schmutzig inszeniert sind, wie sie sich laut ihrer Aussage für die Prostituierten anfühlen: Sie werden als Narben auf begehrenswerten Körpern präsentiert, deren Seelenleben erst durch sie verständlich wird: Man solle sich doch einmal vorstellen, sagt Coral, wie eine Person, die es hasst, berührt zu werden, die nicht mit Fremden aus derselben Flasche trinken würde, pro Tag „25 bis 30 Zeigefinger in den Mund geschoben“ bekommt, deren Hygienegrad stark variiert. Der Sex wiederum, sagt Wendy, sei nicht das Schlimmste. Das Schlimmste sei, die ganze Zeit darüber lachen zu müssen.

Die zwei Brüder mit den drei Problemen: Moisés (umwerfend: Miguel Ángel Silvestre) und Christian (Enric Auquer)


Die zwei Brüder mit den drei Problemen: Moisés (umwerfend: Miguel Ángel Silvestre) und Christian (Enric Auquer)
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Bild: Netflix

Getragen wird die Serie von einer leichtfüßigen Erbarmungslosigkeit, die zwar ihren Gegenstand ernst nimmt, aber nicht jedes ihrer erzählerischen Elemente. So ist etwa Coral ein Medikamenten-Junkie. Ihr Menü: Morgens zwei Ibuprofen, vor dem Zubettgehen Codein, Tramadol, Lorazepam – bevorzugt Propofol. Sie nimmt alles, was sie kriegen kann; Butorphanol vom Tierarzt oder direkt den Fentanyltropf der alten Dame mit der Hüft-OP.

Klar, dass da manchmal was daneben geht. So wie am Pool einer Hotelanlage, wo ihr der Speichel aus dem Mund läuft, sie an ihrer Zunge zu ersticken droht und sich nur mit Mühe an den Rand des Pools schleppen kann. Und all das nur, um „einmal kurz die Augen schließen“ zu können. Als sie bei diesem Versuch beinahe draufgeht, ist man als Zuschauer schon fast dankbar dafür, dass ihr Wendy die Nolaxon-Spritze in guter alter „Pulp Fiction“- Manier in den Hals rammt. Irgendeine Vene wird sie schon erwischen. Effekt geht über Präzision – und man verzeiht es der Serie, weil sie charmant und mitreißend von ihren Figuren zu erzählen weiß.

In oft ausgesprochen düsteren, dafür nie rührseligen Rückblenden wird von der tristen Vergangenheit der Frauen berichtet, aber auch von der Bruderbeziehung der beiden tragischen Schergen, die Romeo auf das Trio angesetzt hat: Moisés (umwerfend: Miguel Ángel Silvestre) und Christian (Enric Auquer). Sie haben ihr eigenes Kreuz zu tragen: Vom Vater früh verlassen, die kranke Mutter nach einem Schlaganfall hinfällig und dement, haben sie ihr Leben einem Zuhälter verschrieben, der für sie sorgt, wie er für seine Mädchen sorgt: umfassend, nie uneigennützig.

Dass in „Sky Rojo“ sowohl das Seelenleben der Gejagten als auch der Jäger gekonnt, aber nie über Gebühr durchleuchtet wird, verleiht der Serie bei allen Albernheiten, die hier auch ihren Platz verdienen, eine gewisse Tiefe. Oder anders: Wenn „Sky Rojo“ es schafft, drei Frauen über vier Folgen in Minimalbekleidung und auf glitzernden Highheels auf die Flucht vor zwei Brüdern in einem Jeep mit aufgeklebten Flammen und Bullenhörnern zu schicken und dabei dennoch ganz zarte und anrührende Momente entstehen zu lassen, dann ist das ein ziemlich sehenswertes Kunststück.

Sky Rojo ist ab Freitag bei Netflix abrufbar.

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