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#Wer liebt, darf unerbittlich sein

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Wer liebt, darf unerbittlich sein

Joy sitzt mit zehn Männern am Tisch. Es geht um ihr Leben, aber sie darf nicht mitreden. Der Verwaltungsrat des Krankenhauses entscheidet darüber, ob sie ihre zweite Schwangerschaft, an der sie wegen einer Herzschwäche sterben könnte, durch eine Abtreibung beenden lassen darf. Joys Überlebenschancen liegen bei fünfzig Prozent. Das genügt den Männern am Tisch. Einer nach dem anderen stimmt mit Nein. Bevor die Sitzung endet, steckt Joy auf, packt ihre selbst gebackenen Kekse und verlässt türenknallend den Raum.

Im Jahr 1968 waren Abtreibungen oh­ne strikte medizinische Indikation in den Vereinigten Staaten noch illegal. Was das be­deu­tete, zeigt die amerikanische Regisseurin Phyllis Nagy in ihrem Film „Call Jane“. Als Joy (Elizabeth Banks), die Hausfrau aus ei­nem Vorort von Chicago, nicht mehr weiterweiß, ruft sie eine Nummer an, die sie auf einem Straßenplakat entdeckt hat. Die Nothelferin Jane, für die der Zettel wirbt, ist keine reale Person, stellt Joy fest, sondern ein Tarnname für ei­ne Gruppe von Frauen um die Aktivistin Virginia (Sigourney Weaver), die mithilfe eines falschen Arztes Schwangerschaftsabbrüche organisiert. Bei den Janes, wie sie sich nennen, bekommt Joy nicht nur ihre Abtreibung, sondern auch eine Motivation für ihr Leben. Fortan, beschließt sie, will sie anderen Frauen helfen, denen es ebenso geht wie ihr oder viel schlimmer. Bald ist sie es, die die Abbrüche durchführt, und als die Polizei auf sie aufmerksam wird, steht ihr Leben abermals auf der Kippe – diesmal zwischen bürgerlicher Bequemlichkeit und feministischer Überzeugung.

Eisgekühlte Euphorie

Es trifft sich gut, dass „Call Jane“ und Andreas Dresens Film „Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush“ auf der Berlinale dicht hintereinander liefen. Denn so konnte der eine Film den anderen kritisieren, ganz ohne Absicht, einfach dadurch, dass es ihn gab. Eine Festival ist ja mehr als ein Haufen Filme, es ist ein Mosaik, ein Puzzle, dessen Teile im Auge des Betrachters zu­sam­men­treffen. Und so passierte es, dass „Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush“ im Vergleich zu „Call Jane“ schlecht aussah – nicht weil sein Thema, der jahrelange ju­ristische Kampf der Mutter von Murat Kurnaz um die Freilassung ihres zu Unrecht in Guantanamo festgehaltenen Sohnes, etwa weniger wichtig gewesen wäre. Sondern weil es Dresen und seiner Drehbuchautorin Laila Stieler nicht gelungen ist, aus der Chronologie der Ereignisse so etwas wie eine Geschichte zu machen.

Diese Chronologie, das stimmt, ist lang – 1786 Tage insgesamt, von denen der Film viele getreulich aufzählt. Aber „Rabiye Kur­naz“ wirkt langatmig, weil seine von der deutsch-türkischen Entertainerin Meltem Kaptan gespielte Heldin sich im Unterschied zu der Hausfrau Joy in „Call Jane“ im Lauf der Handlung nicht verändert. Sie bleibt dasselbe warmherzige und un­er­schütter­liche Muttertier, das sie am Anfang war, und Alexander Scheer als Rechtsanwalt Docke assistiert ihr dabei mit der eisgekühlten Euphorie des schulbuchmäßigen Hanseaten.

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