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#Wie das Kaffeehaus zur Lebensform wurde

Wie das Kaffeehaus zur Lebensform wurde

Wer glaubt, ein Kaffeehaus sei so gut wie das andere, weiß nicht, wie schlecht Kaffee schmecken kann. Wer glaubt, es gehe im Kaffeehaus vor allem darum, wie der hier servierte Kaffee mundet, hat vermutlich noch nie eines von innen gesehen. Wer glaubt, das Kaffeehaus sei eine Angelegenheit von gestern, befindet sich im Irrtum: Es ist eine Angelegenheit von vorgestern. Deshalb kann man hier so gut auf eine bessere Zukunft warten. Das Kaffeehaus war, ist und wird immer sein: der „Wartesaal der Talente“, wie Erich Kästner einst schrieb – „es gibt Leute, die hier seit zwanzig Jahren, Tag für Tag, aufs Talent warten“.

Hubert Spiegel

Aber zwanzig Jahre können schnell vorüber sein. Zwischen 1915 und 1933 war das Romanische Café in Berlin der wichtigste Treffpunkt der Künstler und Intellektuellen, das „Hauptquartier der Bohème“, wie Walter Benjamin schrieb. Dann bezog die Gestapo dort einen festen Tisch. Denn das Kaffeehaus war immer auch ein politischer Ort: „Wenn man durch die Drehtür, die unentwegt in Bewegung blieb, das Café betrat, stand man vor der Entscheidung: links oder rechts. Das war kein politisches Problem; im ,Romanischen‘ war man immer links, in welche Richtung man auch ging.“ So Géza von Cziffra, in Ungarn geborener Filmregisseur, Drehbuch- und Theaterautor, der wie viele Künstler damals ein Vielreisender war. Das heißt, er wechselte von den Wiener Kaffeehäusern ins Romanische Café und wieder zurück.

Das „Industriegebiet der Intelligenz“

In Berlin und nicht in Wien lernte er Joseph Roth kennen, den großen Schriftsteller, Journalisten und Trinker aus Galizien. Roth, genial, entwurzelt, immer in Geldnot und mit dem kostbaren Talent gesegnet, sich noch im größten Tumult mühelos aufs eigene Schreiben konzentrieren zu können, führte eine klassische Kaffeehausexistenz, an die Egon Erwin Kisch gedacht haben mag, als er schrieb, man müsse nicht unbedingt eine Wohnung haben – „wenn man ein Kaffeehaus hat“.

Das Bild zeigt einen Kaffeehaus-Gast um 1910 in Wien.


Das Bild zeigt einen Kaffeehaus-Gast um 1910 in Wien.
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Bild: IMAGNO/Austrian Archives

In diesen Wochen, in denen der Kaffee im Pappbecher zum Mitnehmen pandemiebedingt erstmals eine halbwegs akzeptable Daseinsberechtigung erfährt, sind zwei reizvolle, höchst lesenswerte Bücher erschienen, die vom Kaffeehaus erzählen: schmal, konzentriert, hochliterarisch und frei von Abbildungen das eine; opulent, großformatig, dreihundert Seiten dick und reich bebildert das andere. „Im Romanischen Café“, ein von Brigitte Landes in der Insel-Bücherei herausgegebenes „Gästebuch“ der alten Berliner, 1943 ausgebombten Institution an der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche, ist eine Sammlung von Miniaturen und Textauszügen, während Christian Brandstätter in seinem Prachtband „Das Wiener Kaffeehaus“ auf eine dreihundertjährige Tradition zurückblickt: Bereits um 1730 soll es mehr als dreißig Kaffeehäuser in der Stadt gegeben haben. Im März 1938 waren es etwa zwölfhundert.

All die Texte, die in diesen beiden Büchern zum Kulturgut Kaffeehaus versammelt sind – von Else Lasker-Schüler, Klabund, Irmgard Keun und Sylvia von Harden bis Alfred Polgar, Hans Weigel, Heimito von Doderer und Thomas Bernhard –, machen eines sehr schnell deutlich: Das Kaffeehaus gibt es, damit man im Kaffeehaus übers Kaffeehaus schreiben kann. Ein anderer Aspekt hingegen findet kaum Erwähnung: Was unterscheidet eigentlich das Berliner Kaffeehaus von seinem Wiener Pendant?

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