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#Wie die EU auf Lukaschenkos Flugzeugentführung reagiert

Wie die EU auf Lukaschenkos Flugzeugentführung reagiert

Am Ende des Kalten Krieges haben sich die europäischen Staaten (unter denen damals noch die Sowjetunion war) in mehreren Dokumenten darauf geeinigt, die Achtung von Menschenrechten, Grundfreiheiten und demokratischen Prinzipien nicht mehr als innere Angelegenheit von Staaten, sondern als internationale Fragen zu betrachten.

Hinter dieser Festlegung, die in der Hochstimmung nach dem Zusammenbruch der kommunistischen Diktaturen getroffen wurde und wohl nur in dieser Situation möglich war, stand eine Überlegung, die der spätere tschechische Präsident Václav Havel Mitte der achtziger Jahre als verfolgter Regimegegner so formuliert hatte: „Ein Staat, der seinen Bürgern die grundlegenden Menschenrechte bestreitet, wird auch für seine Nachbarn gefährlich: Die innere Willkür wächst sich unausweichlich zu Willkür in den Außenbeziehungen aus.“

Die Entführung des Ryanair-Flugs Athen–Vilnius nach Minsk war ein spektakulärer Beleg für die Richtigkeit dieser Aussage. Um eines Oppositionellen habhaft zu werden, hat das Regime des belarussischen Machthabers Alexander Lukaschenko mit einem Mittel in die zivile Luftfahrt eingegriffen, das sonst nur von Terroristen eingesetzt wird.

Was ist das Kalkül des Diktators?

Wundern darf sich niemand über diese Skrupellosigkeit Lukaschenkos – die hat er schon lange vor dem brutalen Vorgehen gegen die Demokratiebewegung seit der gefälschten Wahl im Sommer vorigen Jahres unter Beweis gestellt, als er in den neunziger Jahren mehrere Gegner einfach verschwinden ließ.

Fragen wirft jedoch das Kalkül des Diktators auf: Hat er geglaubt, die EU werde es nach der Flugzeugentführung bei einer symbolischen Erweiterung jener Sanktionen gegen seinen Machtapparat belassen, die ihn nicht wirklich schmerzen? Ist er in seinem Kampf um die eigene Macht so sehr in der Defensive, dass ein solches Signal an seine Gegner im Inland und im Exil schwerer wiegt als die möglichen internationalen Folgen? Oder haben wir es – was am wahrscheinlichsten scheint – mit einer unguten Mischung aus beidem zu tun?

Dass die EU so rasch mit der Schließung ihres Luftraums für die belarussische Fluggesellschaft reagiert hat, ist gut; und wenn die angekündigten weiteren Sanktionen tatsächlich an die Geldquellen des Regimes gehen, hat sie vieles von dem getan, was ihr im Moment möglich ist. Denn tatsächlich hat sie derzeit kaum Instrumente, um auf den Machthaber in Minsk einzuwirken. Dass Lukaschenko auf die Forderung der EU nach der Freilassung des gekidnappten Regimegegners Roman Protassewitsch eingeht, ist vollkommen undenkbar. Damit beginge er politischen Selbstmord, weil er damit den Sicherheitsapparat bloßstellen würde, der die wichtigste Stütze seiner Herrschaft ist – neben der Rückendeckung aus Moskau.

Aber bei Lukaschenkos Patron haben die Europäer noch geringere Möglichkeiten, eine unmittelbar erkennbare, positive Verhaltensänderung zu bewirken. Sie können höchstens Schlimmeres verhindern, indem sie Menschenrechtsverletzungen und Aggressionen gegen Nachbarstaaten mit einem Preisschild versehen. Darin lag die Wirkung der Sanktionen gegen Russland wegen der Annexion der Krim und des Krieges in der Ostukraine

Man kann die EU zu Recht dafür kritisieren, dass sie ihre darin liegenden Möglichkeiten oft nicht konsequent nutzt. Aber nicht darin liegt ihre eigentliche Schwäche. Die besteht darin, dass sie auf die Herausforderungen durch autoritäre Regimes in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft fast immer erst dann reagiert, wenn sie von diesen dazu gezwungen wird. Nach der Ost-Erweiterung der EU, die trotz aller damit verbundenen Schwierigkeiten eine Erfolgsgeschichte ist, hat sie nur noch halbherzig versucht, eine positive Agenda für den Osten Europas zu entwerfen und voranzutreiben.

Halbherzige Initiativen Brüssels

Die verschiedenen Konzepte, die seit Anfang des Jahrhunderts dazu vorgestellt wurden, kranken zum einen daran, dass ein Raster mit Brüsseler Maßstäben über eine komplizierte und widersprüchliche Wirklichkeit gelegt wurde, die sich nicht darin einfangen ließ. Das führte zu Fehleinschätzungen und enttäuschten Hoffnungen. Vor allem aber wurde jener Systemkonflikt zwischen Demokratie und Autoritarismus, der spätestens seit der orangen Revolution in der Ukraine 2004 eine wesentliche Triebfeder der politischen Entwicklungen im Osten Europas war, nicht als solcher thematisiert. Im Bemühen, Gesprächskanäle offen zu halten und im Dialog zu bleiben, wurde zu lange versäumt, Gegensätze zu benennen und daraus Schlüsse für eine aktive und nicht nur reagierende Politik zu ziehen. Man hat sich gescheut, die Konsequenzen der richtigen Diagnose von Anfang der neunziger Jahre zu ziehen.

Deswegen reicht es nun nicht mehr, Lukaschenko für die Flugzeugentführung einen „bitteren Preis“ zahlen zu lassen, wie Außenminister Heiko Maas sagte. Dieser Vorfall ist eine weitere Mahnung an die EU, mit Hochdruck an der Verteidigung ihrer eigenen Integrität zu arbeiten. Denn wenn das russische Regime erst einmal in einer solchen Lage ist wie jetzt Lukaschenko, könnte es zu spät sein.

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