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#Wie die Menschen in Rostow die Wagner-Besatzung erleben

Nennen wir ihn Oleg. Der Mann aus dem südwestrussischen Rostow am Don heißt eigentlich anders, doch sein richtiger Name soll nicht bekannt werden. Denn für Oleg stehen Russlands Präsident Wladimir Putin und der Milizenführer Jewgenij Prigoschin, der gerade das Zentrum von Olegs Heimatstadt weitgehend unter Kontrolle gebracht hat, im Kern für dasselbe: für Krieg, Korruption und Repression. Der Sechzigjährige wohnt mit seiner Familie im Zentrum Rostows.

Am Freitagabend las er noch die jüngsten Tiraden Prigoschins auf Telegram. „Ich nahm das nicht ernst“, sagt Oleg im Gespräch mit der F.A.Z. Schließlich schimpft der Milizenführer fast täglich auf die Militärführung. Als Oleg am Samstagmorgen dann Videos von Panzern vor Rostower Verwaltungsgebäuden sah, „verstand ich nicht, wessen Panzer das waren. Ich dachte erst an das Verteidigungsministerium.“ Bald stellte sich heraus, dass sich da nicht das reguläre Militär absichern wollte, sondern schon die irregulären Einheiten eingerückt waren – Prigoschins Leute.

Oleg ging am Morgen auf die Straße, auf den Markt, kaufte ein. Er sah die Panzer und gepanzerten Fahrzeuge mit Kennzeichen der prorussischen, im vergangenen Herbst von Putin annektierten „Volksrepublik“ von Luhansk, bewaffnete Leute ohne Hoheitszeichen. „Ich bin extra nah an sie herangegangen“, sagt er. Die Rostower hätten dem Treiben zugeschaut wie einem „Zirkus“, vor allem jüngere Leute seien neugierig, machten Fotos von sich vor den Panzern.

Kadyrow auf dem Weg „in die Zone der Spannungen“

Der F.A.Z. liegt so ein Foto vor: Man sieht einen Panzer, auf dem mit roter Farbe „Sibirien“ steht; ein Passant legt einem Bewaffneten die Hand auf die Schulter. Oleg traut der Lage nicht, will nur aus der Wohnung gehen, um das Lebensnotwendige wie Wasser und Essen zu kaufen. Es habe sich ja niemand auf den Aufstand vorbereitet. „Ich dachte eher, die ukrainischen Streitkräfte rücken ein, als an einen innerrussischen Machtkampf.“

Oleg sah, wie ein Personenfahrzeug mit „Achmat“-Aufschrift weggefahren sei. Das sind Leute des Tschetschenenführers Ramsan Kadyrow, dessen Vater diesen Vornamen trug. Kadyrow hatte noch im Herbst gemeinsam mit Prigoschin das Verteidigungsministerium scharf kritisiert, nannten den Milizenführer seinen „Bruder“. Doch als im Frühjahr klar wurde, dass Prigoschins Stern in Moskau wieder im Sinken begriffen war, schwieg Kadyrow.

Und jüngst waren seine „Achmat“-Kämpfer demonstrativ die ersten, die eine Erklärung von Verteidigungsminister Sergej Schojgu unterzeichneten, mit der sie sich dem Verteidigungsministerium unterstellen. Es war eine symbolische Geste, ein Abrücken von Prigoschin. Am Samstag, nach Putins morgendlicher Verurteilung des Aufstands als „Verrat“, sprach auch Kadyrow schnell von einem „verräterischen Abenteuer“ und einem „Messer in den Rücken“. Tschetschenische Einheiten des Militärs und der Nationalgarde seien auf dem Weg „in die Zone der Spannungen“, versprach Kadyrow.

Ein Panzer, der laut russischen Telegramkanälen zu den Wagner-Truppen gehört, steckt  im Eingang des Zirkus von Rostow am Don fest.



Bilderstrecke



Prigoschins Truppen
:


Fotos vom Aufstand in Russland

Igor Choroschilow, ein Rostower Journalist, bezweifelt im Gespräch mit der F.A.Z., dass es zum Kampf zwischen den Wagner-Leuten und Kadyrows Einheiten in Rostow kommen werde. Zwar rückten diese von Westen an, aus Richtung der Stadt Taganrog und damit von der Grenze zur Ukraine. Prigoschins Milizionäre seien aber im Kampf gestählt und gemeinsam „durch die Hölle gegangen“, sagt Choroschilow. Die Kadyrow-Leute dagegen seien wegen der kämpferischen Inszenierungen für soziale Medien als „Tiktok-Truppen“ bekannt. Ihre reale Kampfkraft wird von vielen bezweifelt.

Der Journalist Choroschilow ist am Samstagnachmittag durchs Rostower Zentrum gelaufen. Er filmte, wie die maskierten Bewaffneten Prigoschins zwei Männer auf den Straßenasphalt zwangen. Warum, blieb unklar. Laut Choroschilow rückten die Wagner-Leute gegen fünf Uhr morgens von drei Seiten ein und besetzten den Stab des Südlichen Militärbezirks sowie das umliegende Stadtviertel. Die Polizei und andere Einheiten der Sicherheitskräfte hätten ihnen keinerlei Widerstand geleistet. Das deckt sich mit Olegs Schilderung. Choroschilow sagt, das zentrale Viertel sei abgeriegelt, niemand werde eingelassen, auch er und andere Journalisten nicht, Prigoschin kommuniziere mit der Welt über Telegram.

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