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#Wie die Pest nach Europa kam

„Wie die Pest nach Europa kam

Drei große Pestausbrüche zwischen dem sechsten und 19. Jahrhundert forderten in Europa Millionen Todesopfer. Doch wo verbarg sich der Erreger zwischen den Ausbrüchen? Eine neue Studie legt nun nahe, dass es wahrscheinlich kein dauerhaftes natürliches Reservoir der Pest in Europa gab. Die geringe Vielfalt an geeigneten Nagetierwirten und ungünstige Klima- und Bodenbedingungen machen es plausibler, dass das Pestbakterium nicht in Europa überdauerte, sondern wiederholt eingeschleppt wurde und nur zwischenzeitlich lokale Zwischenwirte nutzte.

Der „Schwarze Tod“ gilt als eine der verheerendsten Pandemien der Weltgeschichte. In der Hochphase zwischen 1346 und 1353 kostete er geschätzt 25 Millionen Menschen in Europa das Leben – ein Drittel der damaligen Bevölkerung. Schon Jahrhunderte vorher, vom sechsten bis achten Jahrhundert, hatte die Pest in Europa gewütet und mit dazu beigetragen, das Ende der Antike einzuläuten. Eine dritte weltweite Pestpandemie gab es Ende des 19. Jahrhunderts. Verursacht wird die Krankheit durch das Bakterium Yersinia pestis. Ein natürliches Reservoir des Erregers sind Nagetiere, darunter Ratten. Die Übertragung auf den Menschen findet üblicherweise durch Parasiten wie Flöhe statt, die sowohl bei Nagern als auch bei Menschen Blut saugen.

Vergleich mit China und den USA

Ob das Pestbakterium jedoch zwischen den Pandemien in natürlichen Reservoiren in Europa überdauert hat, oder ob es jedes Mal erneut von außerhalb Europas eingeschleppt wurde, ist wissenschaftlich umstritten. Ein Team um Nils Stenseth von der Universität Oslo hat nun anhand statistischer Modellierungen untersucht, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass Yersinia pestis langfristige natürliche Reservoire in Europa hatte. Als Grundlage nutzten die Forscher Daten über die Umweltbedingungen an Orten der Welt, an denen die Pest noch heute in Nagetieren vorkommt und immer wieder Infektionen beim Menschen verursacht.

Den Ausgangspunkt bildeten Informationen über Bodenbeschaffenheit, Höhenlage, Temperatur, Niederschlag und Nagetiervorkommen in pestbetroffenen Regionen in China. Die Forscher validierten ihr Modell, indem sie zeigten, dass es auf Basis der chinesischen Daten auch weitere heute existierende Pestreservoire der Welt korrekt identifizieren kann, darunter im Westen der USA. Im nächsten Schritt berechneten sie, wie wahrscheinlich ein Pestreservoir in Europa ist. Das Ergebnis: „Nur für 0,6 Prozent Europas sagte das Modell Bedingungen vorher, die für Pestreservoire geeignet wäre“, so die Forscher.

Europa ungünstig für die Pest

Abgesehen von kleinen Teilen Spaniens, Portugals, Südfrankreichs, Italiens und Griechenlands machen es die Umweltbedingungen in Europa sehr unwahrscheinlich, dass das Pestbakterium dort mehr als nur mittelfristig überdauern kann. Die Schlüsselfaktoren: „Der Artenreichtum von Nagetieren und vermutlich auch der mit ihnen vergesellschafteten Floharten ist in China und den Vereinigten Staaten deutlich höher als in Europa“, so die Forscher. „Dies deutet darauf hin, dass die europäischen Nagetier- und Ektoparasitengemeinschaften für die Entwicklung von Pestreservoiren in Europa wahrscheinlich nicht günstig sind.“ Zudem zeigte die Analyse, dass auch die Bodenzusammensetzung sowie die Klimabedingungen in den meisten Teilen Europas für Yersinia pestis unvorteilhaft sind.

Dieses Ergebnis passt dazu, dass die Pest heute in Europa nicht mehr natürlich vorkommt. Mit Hilfe historischer Klimadaten wiesen Stenseth und seine Kollegen nach, dass die Wahrscheinlichkeit für natürliche Pestreservoire in Europa in der Vergangenheit sogar noch geringer war als heute. „Unsere Analysen deuten stark darauf hin, dass die lokalen Umweltfaktoren in West- und Mitteleuropa, einschließlich der chemischen Zusammensetzung des Bodens, der Höhenlage und des Klimas, keine günstigen Bedingungen für persistente langfristige Pestreservoire bieten, die von wilden Nagetieren und ihren Ektoparasiten unterhalten werden“, schreiben.

Mechanismen teils unklar

Die Autoren gehen deshalb davon aus, dass die Pest in Europa lediglich mittelfristig in lokalen Nagetierpopulationen überdauern konnte, jedoch kein langfristiges Reservoir hatte. Die großen Ausbrüche seien daher mit deutlich höherer Wahrscheinlichkeit durch Erreger verursacht worden, die von außerhalb Europas eingeschleppt wurden, beispielsweise durch Handelsreisen.

Inwieweit die Faktoren, die in das statistische Modell eingeflossen sind, tatsächlich beeinflussen, ob die Pest in einer Region überdauern kann, ist in einigen Fällen noch nicht geklärt. So sagt das Modell beispielsweise voraus, dass Böden mit einem hohen Gehalt an Kupfer, Eisen, Natrium und Magnesium und einem niedrigen Gehalt an Kalzium besonders hohe Chancen bieten, dass sich ein natürliches Pestreservoir bilden kann. Warum dies allerdings der Fall ist, lässt sich aus den Daten nicht ableiten. Die Forscher weisen deshalb darauf hin, dass trotz der Robustheit ihrer Ergebnisse Feldstudien erforderlich sind, um die Mechanismen zu ermitteln, die den dokumentierten Mustern zugrunde liegen.

Quelle: Nils Stenseth (Universität Oslo, Norwegen) et al., Proceedings of the National Academy of Sciences, doi: 10.1073/pnas.2209816119

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