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#Wie die Welt sauerstoffreich wurde

„Wie die Welt sauerstoffreich wurde

Lange konnten die ersten photosynthetischen Cyanobakterien den Sauerstoffgehalt der Atmosphäre kaum verändern – erst vor etwa 2,3 Milliarden Jahren hielt das Lebenselixier dann doch Einzug in die Welt. Zu diesem mysteriösen Prozess präsentieren nun Forscher einen neuen Erklärungsansatz: Eine Wechselwirkung zwischen speziellen Meeresmikroben und Mineralien in den Ozeansedimenten könnte demnach die Sauerstoffanreicherung der Erde ausgelöst haben.

Mit jedem Atemzug versorgen sich Mensch und Tier mit einer Portion des Gases, das sie für ihren Stoffwechsel benötigen: Etwa 21 Prozent Sauerstoff enthält unsere Luft und in gelöster Form steht O₂ auch den Wassertieren zur Verfügung. Das Oxidationsmittel zur Freisetzung von Energie bildet damit ein Fundament des Lebens, wie wir es kennen. Doch diesen Schatz an verfügbarem O₂ hatte unsere Welt nicht immer zu bieten, wie aus geologischen Untersuchungen bekannt ist: In den ersten zwei Milliarden Jahren der Erdgeschichte enthielt die Atmosphäre kaum Sauerstoff. Das war auch noch lange der Fall, nachdem sich bereits photosynthetische Mikroben entwickelt hatten, die Sauerstoff freisetzen. Dennoch konnte sich nicht genügend Sauerstoff ansammeln, um die globale Biosphäre zu beeinflussen. Offenbar wurde er im gleichen Maße wieder gebunden, wie er zuvor freigesetzt wurde.

Doch dann kam schließlich das sogenannte Great Oxygenation Event: Vor etwa 2,3 Milliarden Jahren verschob sich das stabile, sauerstoffarme Gleichgewicht – das Atemgas begann sich in der Atmosphäre anzusammeln und erreichte schließlich die Werte, die bis heute Mensch und Tier das Leben ermöglichen. Es handelte sich damit um einen der folgenreichsten Prozesse in der Erdgeschichte. Was unseren Planeten aus seinem sauerstoffarmen Zustand herausholte, ist bisher allerdings ein Rätsel der Wissenschaft. Es gibt zwar bereits Erklärungsansätze und Hypothesen, doch ein rundes Bild zeichnet sich bisher nicht ab.

Dem gasförmigen Schatz auf der Spur

Der jüngste Beitrag zur Klärung des Great Oxygenation Events stammt nun von einem Wissenschaftlerteam um Gregory Fournier vom Massachusetts Institute of Technology in Cambridge. Die Basis ihrer Studie bildetet der Blick auf die Grundlagen des irdischen Sauerstoff-Systems: Der heutige Gehalt in der Atmosphäre entsteht durch ein stabiles Gleichgewicht zwischen Prozessen, die Sauerstoff produzieren, und solchen, die ihn verbrauchen. Offenbar existierte vor dem Great Oxygenation Event allerdings ein anderes System, bei dem das Verhältnis von Sauerstoffproduzenten und -verbrauchern nicht viel zusätzlichen Sauerstoff für die Atmosphäre übrig ließ.

„Wenn man sich die Erdgeschichte ansieht, scheint es zwei Sprünge gegeben zu haben, bei denen das System von einem stabilen Zustand mit wenig Sauerstoff zu einem stabilen Zustand mit viel mehr Sauerstoff überging – einmal im Paläoproterozoikum und einmal im Neoproterozoikum“, sagt Fournier. „Diese Sprünge können somit nicht durch einen allmählichen leichten Anstieg des Sauerstoffüberschusses verursacht worden sein“. So widmete sich das Team der Frage, durch welchen Prozess die Sprünge entstanden sein könnten. Dabei rückte der organisch gebundene Kohlenstoff in den Fokus: Er wird hauptsächlich durch Oxidation abgebaut: Mikroben im Ozean verbrauchen Sauerstoff, um das organische Material zu verwerten, wie etwa Detritus, der sich im Sediment abgesetzt hat. Um Hinweise zu erhalten, welche Entwicklungen in diesem System eine Rolle für die Anreicherung von Sauerstoff gespielt haben könnten, entwickelten die Wissenschaftler Computermodelle.

Wechselwirkungen zwischen Mikroben und Mineralien

Wie sie berichten, spuckte das System dann schließlich einen plausiblen, theoretischen Mechanismus aus: Wenn damals bestimmte Mikroben angefangen hätten, organische Stoffe nur teilweise zu oxidieren, könnten speziell wirksame Substanz entstanden sein: „partially oxidized organic matter“ (POOM), die aufgrund ihrer chemischen Eigenschaften „klebrig“ gewesen wären. So hätte sich POOM an Mineralien im Sediment gebunden, wodurch weitere Oxidation verhindert worden wäre, erklären die Wissenschaftler. Der Sauerstoff, der andernfalls für den vollständigen Abbau des Materials verbraucht worden wäre, hätte sich dann in der Atmosphäre anreichern können. Wie aus ihren Modellen hervorging, könnte dieser Prozess die Atmosphäre in ein neues, sauerstoffreiches Gleichgewicht gebracht haben.

Diese bis dahin „dünn“ wirkende Hypothese konnten die Forscher anschließend weiter untermauern. „Wir gingen dazu der Frage nach, ob es da draußen einen mikrobiellen Stoffwechsel gibt, der POOM produziert“, sagt Fourier. Das Team durchsuchte dazu die wissenschaftliche Literatur und identifizierte schließlich eine Gruppe von Mikroben, die heute noch in der Tiefsee organisches Material teilweise oxidieren. Diese Mikroben gehören zur Bakteriengruppe SAR202, und ihre partielle Oxidation wird durch ein Enzym geleistet, das als Baeyer-Villiger-Monooxygenase (BVMO) bezeichnet wird. Um Hinweise darauf zu bekommen, wann diese Mikroben beziehungsweise ihre Fähigkeiten entstanden sind, führten die Forscher eine phylogenetische Analyse durch sowie Untersuchungen mittels des Konzepts der molekularen Uhr.

Wie sie berichten, zeichnete sich ab, dass die Bakterien tatsächlich Vorfahren besitzen, die offenbar schon vor dem Great Oxygenation Event existierten. Zudem ließ sich auch das Gen für das Enzym in verschiedenen Mikrobenarten bis in die Zeit vor der Sauerstoffanreicherung zurückverfolgen. Darüber hinaus fanden die Forscher genetische Hinweise darauf, dass die Diversifizierung der Erbanlage – die Anzahl der Arten, die das Gen erwarben, genau in den Zeiträumen zugenommen hatte, in denen die Sauerstoffzufuhr in der Atmosphäre sprunghaft anstieg. „Wir fanden einige zeitliche Korrelationen zwischen der Diversifizierung von POOM-produzierenden Genen und dem Sauerstoffgehalt der Atmosphäre“, sagt Shang. „Das stützt somit unsere allgemeine Theorie.“

Abschließend betonen die Forscher allerdings, dass nun weitere Untersuchungen erforderlich sind, um ihre POOM-Theorie zu bestätigen – von Experimenten im Labor bis hin zu Erhebungen im Feld. „Einen neuen Erklärungsansatz vorzuschlagen und seine Plausibilität zu belegen, ist der erste wichtige Schritt. Den haben wir erst einmal absolviert“, so Fournier.

Quelle: Massachusetts Institute of Technology, Fachartikel: Nature Communications, doi: 10.1038/s41467-022-28996-0

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