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#Wie eine Depression virtuell erlebbar wird

„Wie eine Depression virtuell erlebbar wird“

Zehn Kilogramm ist die Bleiweste schwer, die auf meinen Schultern liegt. Ich setze die Virtual-Reality-Brille auf den Kopf und die Kopfhörer auf die Ohren, um wie in einem Videospiel in eine andere Realität einzutauchen. Plötzlich befinde ich mich in einem loftartigen Schlafzimmer. Mein Blick wandert im Zimmer umher. Es herrscht große Unordnung. Schuhe liegen herum, Anziehsachen wurden achtlos auf den Boden geworfen. Das Licht ist dämmrig, alles sieht grau in grau aus. Für die nächste knappe Viertelstunde tausche ich mein eigenes Ich gegen das eines Menschen, dem es überhaupt nicht gut geht. Dadurch, dass ich optisch in seiner Umgebung bin, fühle ich mich gleichsam in seiner Haut. Eine Stimme aus dem Off spricht die Gedanken eines fiktiven Erkrankten.

Jetzt sitze ich wieder hier auf der Bettkante und versuche schon seit einer Stunde aufzustehen. Jeden Morgen dasselbe. Und das seit einem Monat. Geschlafen habe ich auch wieder nicht richtig. Meine Gedanken halten mich wach. Es sind immer dieselben, sie kreisen in meinem Kopf und ziehen mich in eine Abwärtsspirale.

Ich fühle mich total gerädert. Mir fehlt einfach die Kraft, mich vom Bett zu erheben. Als Nächstes müsste ich die Treppe hochgehen. Mich entscheiden, was ich frühstücken will. Eigentlich ist doch egal, was ich esse. Schmeckt eh alles gleich. Und Hunger habe ich auch nicht. All diese Entscheidungen – sie stressen mich, setzen mich unter Druck.

Eine Frauenstimme: „Liegst du immer noch im Bett? Reiß dich zusammen und steh endlich auf! Ich war schon joggen, habe geduscht, gefrühstückt und fahre jetzt zur Arbeit.“

Meine Frau. Jetzt ist sie weg. Mal sehen, wann sie ganz weg ist. Das macht doch keine Partnerin mehr mit. Wer will schon mit mir zusammenleben oder mit mir zusammen Zeit verbringen? Bei mir ändert sich einfach nichts. Nichts bessert sich, eher wird alles noch schlimmer.

Mein Smartphone piept. Eine Nachricht: „Wie geht es dir? Nimm dir alle Zeit, die du brauchst, damit es dir besser geht und du zurück in deinen Job kommst. Wir vermissen dich! Deine Kollegen“

Arbeiten? Für mich unvorstellbar. Ich schaffe es ja noch nicht einmal, mich aufzuraffen und dieses Zimmer aufzuräumen. Seit Tagen nicht. Wie soll ich dann den Antrieb finden, jeden Morgen aufzustehen, mich anzuziehen und zur Arbeit fahren? Dort geht es dann erst richtig los mit Besprechungsterminen und Abgabefristen. Die Kollegen meinen es ja nur gut, wenn sie sich melden. Doch macht mir ihre Nachricht Angst. Und führt mir vor Augen, dass ich nicht mehr funktioniere. Irgendwas ist kaputtgegangen in mir.

Meine Frau, meine Kollegen – sie leben in einer Welt, die sich mir immer mehr verschließt. Ich habe das Gefühl, in einem langen, schwarzen Tunnel gefangen zu sein, der enger und enger wird. Das Licht, das ich am Ende sehe, wird immer schwächer und entfernt sich immer weiter.

Was sich an diesem Samstag in Seligenstadt nahe Frankfurt im Gemeindehaus der katholischen St.-Marien-Gemeinde in einer Virtual-Reality-Brille vor den Augen der interessierten Besucher abspielt, durchleben pro Jahr nach Schätzung der Deutschen Depressionshilfe rund 5,3 Millionen Menschen in Deutschland: eine Depression, die professioneller Unterstützung bedarf. Eigentlich. In Wirklichkeit erhält nur eine Minderheit eine optimale Behandlung für diese Erkrankung, die hinsichtlich ihrer Schwere am meisten unterschätzt wird. Statistisch gesehen erkrankt jeder Fünfte einmal im Leben daran.

Unterschätzte Volkskrankheit

Depression ist eine psychische Störung. Sie ist abstrakt und gleichzeitig sehr präsent in unserer Gesellschaft. Sofern jede und jeder bereit ist, genau und unvoreingenommen hinzuschauen. Depression ist keine klassische körperliche Erkrankung, die mit gezielten Untersuchungen und Labortests klar diagnostiziert werden kann. Angehörige von Betroffenen sprechen häufig von „Seelenkrebs“ und wollen damit klarmachen, dass eine Depression genauso lebensbedrohlich sein kann wie eine Krebserkrankung. Weil eine Depression rational so wenig fassbar ist, sich in vielfältigen Symptomen manifestiert und die Persönlichkeit von Betroffenen zeitweise stark verändern kann, haben sich an diesem Wochenende in Seligenstadt Initiatorin und Psychotherapeutin Marion Sehr und die Robert-Enke-Stiftung zusammengetan, um über die Volkskrankheit aufzuklären und Vorbehalte zu entkräften.

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