Wissenschaft

#Wie Eizellen das Eindringen vieler Spermien verhindern

Nachdem der Sieger ins Ziel gelangt ist, muss der weitere Zugang verwehrt werden: Wie Eizellen nach der Befruchtung das zerstörerische Eindringen von zusätzlichen Spermien blockieren, beleuchtet nun eine Studie. Die Forschenden konnten Prozesse aufklären, die zur Versteifung der Hüllstruktur um die Eizelle führen, wodurch die sogenannte Polyspermie verhindert wird. Die Studie trägt damit zum Verständnis von Ursachen von Unfruchtbarkeit bei und könnte zudem der Entwicklung neuartiger Empfängnisverhütungsmethoden zugutekommen, sagen die Wissenschaftler.

Eine erfolgreiche Verschmelzung steht am Anfang der Entstehung jedes neuen Menschen: Das Spermium, das den Wettlauf zur Eizelle gewinnt, kann durch ihre Hülle dringen und dadurch den Prozess der Embryonalentwicklung in Gang setzten. Dabei ist es allerdings wichtig, dass nicht auch noch Nachzügler in die Eizelle vordringen. Denn zusätzliche Spermien sorgen für Schäden nach der Befruchtung und führen zum Abbruch der Embryonalentwicklung. Die sogenannte Polyspermie muss deshalb verhindert werden. Grundsätzlich war bereits bekannt, dass dafür Veränderungen der Hüllstruktur um die Eizelle sorgen, die als Zona pellucida (ZP) oder als Glashaut bezeichnet wird.

Untersuchungen haben gezeigt, dass sich diese Struktur aus vernetzten Eiweiß-Fasern nach der erfolgreichen Befruchtung verhärtet, um das Eindringen weiterer Spermien zu verhindern. Doch die molekularen Mechanismen dieses Prozesses sind bisher unklar geblieben. Im Rahmen ihrer Studie ist das internationale Forschungsteam nun einer Spur genauer nachgegangen, die sich in früheren Studien abgezeichnet hat: Demnach setzen Eizellen nach dem Eindringen eines Spermiums ein Enzym frei, das offenbar einen speziellen Proteinbaustein der Glashaut schneidet, der als ZP2 bezeichnet wird.

Veränderungen der Eizellhülle im Visier

Das Forschungsteam hat nun untersucht, wie dieser Prozess zur Verhärtung der Glashaut führen könnte. Als Modell dienten ihnen dabei die Eizellen von Mäusen. Bei ihrer Studie kamen die derzeit modernsten Möglichkeiten zur Aufklärung von Molekularstrukturen zum Einsatz: Die Wissenschaftler nahmen das ZP2-Protein sowie das gesamte Netzwerk der Glashaut mittels Kryo-Elektronenmikroskopie und Röntgenkristallographie ins Visier. Um strukturellen Veränderungen auf die Spur zu kommen, untersuchen sie dabei die Eizellen vor und nach der Fusion mit einem Spermium.

Wie das Forschungsteam berichtet, verdeutlichten ihre Untersuchungsergebnisse nun die Rolle, die das ZP2-System bei der Verhinderung der Polyspermie spielt. Wie aus den Analyseergebnissen hervorging, fungiert dieser Bestandteil der Glashaut-Matrix nach seiner enzymatischen Spaltung wie eine Art Kitt: Die geschnittenen Eiweiß-Filamente führen zu einer verstärkten Vernetzung und einem Zusammenziehen der Hüllstruktur. Die dadurch ausgelöste Versteifung der Glashaut kann dann effektiv verhindern, dass weitere Spermien in die Eizelle eindringen, erklären die Wissenschaftler.

Ein mechanischer Effekt

„Es ist wie eine Art Reißverschlusssystem, das zugezogen wird“, resümiert Seniorautor Luca Jovine vom schwedischen Karolinska Institut in Huddinge. Das Team fand hingegen keine Hinweise darauf, dass durch den molekularen Veränderungsprozess zusätzlich auch eine Spermienbindungs-Stelle verloren geht, wie zuvor vermutete wurde. Der Effekt ist also offenbar rein mechanisch: „Das System, das wir aufgeklärt haben, ist aus evolutionärer Sicht sehr sinnvoll, da es Spermien auf eine Weise blockiert, die nicht davon abhängt, wie sich diese an die Eizelle heften“, sagt Jovine.

Dem Forschungsteam zufolge handelt es sich bei den Ergebnissen zwar um Informationen auf grundlegender Ebene. Doch sie haben eine möglicherweise wichtige Bedeutung für Entwicklungen in der Reproduktionsmedizin. Denn Störungen bei der Ausbildung einer normalen Glashaut sowie des Prozesses der Unterbindung der Polyspermie können zu Unfruchtbarkeit führen. „Zum ersten Mal haben wir eine molekulare Sicht darauf, wie sich die Struktur der Eizellhülle nach der Befruchtung verändert und wie sich dies auf ihre Funktion auswirkt. Dieses Wissen ermöglicht es uns, genetische Mutationen mit Bezug zum Glashaut-System besser zu interpretieren, die im Zusammenhang mit weiblicher Unfruchtbarkeit stehen“, erklärt Jovine.

Das Team will sich deshalb nun auch weiterhin der Erforschung der Hüllstruktur der Eizellen widmen. „Wir sollten die Prozesse besser verstehen, die während der Befruchtung auf molekularer Ebene stattfinden“, sagt Jovine. Neben der Bedeutung für die Fruchtbarkeit könnten sich dabei auch Möglichkeiten abzeichnen, unerwünschte Schwangerschaften auf eine neuartige Weise zu verhindern, hebt der Wissenschaftler abschließend hervor: „Detaillierte Informationen über die Struktur könnten im Prinzip auch zur Entwicklung nicht hormoneller Kontrazeptiva ausgenutzt werden“, so Jovine.

Quelle: European Synchrotron Radiation Facility, Fachartikel: Cell, doi: 10.1016/j.cell.2024.02.013

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