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#Wie Klimaveränderungen das Leben früher Homininen bestimmten

Das Klima hat seit jeher entscheidenden Einfluss auf die Menschheit gehabt. Zwei Studien haben nun mit einer Kombination aus Klimadaten und Fossilfunden rekonstruiert, wie Klimaveränderungen die Wanderungsbewegungen der Frühmenschen bestimmten. Demnach beendete eine extreme Abkühlung vor 1,1 Millionen Jahren die erste Besiedlung Europas durch Homo erectus. Anhand von Klimamodellierungen der letzten 400.000 Jahre zeigt die zweite Studie, dass sich die zunächst getrennten Verbreitungsgebiete von Neandertaler und Denisova durch Warmphasen zu überschneiden begannen – und so Kreuzungen zwischen den beiden Frühmenschenarten möglich wurden.

Über Jahrzehnte hinweg konzentrierte sich die Forschung zu unseren frühmenschlichen Vorfahren auf Fossilfunde von Skelettresten und Artefakten. Neuere Forschungsansätze beziehen zusätzlich Informationen über Umweltbedingungen mit ein und können so rekonstruieren, unter welchen Bedingungen die frühen Homininen gelebt haben. Dabei ermöglichen Erkenntnisse über frühere Klimaveränderungen Rückschlüsse darauf, in welchen Regionen die Kombination aus Temperaturen und Niederschlag wahrscheinlich für frühmenschliches Leben geeignet war und wo die Bedingungen dazu führten, dass frühmenschliche Siedler abwanderten oder gar ausstarben. Zwei Studien liefern nun neue Einblicke in die Geschichte der Homininen.

Kälteeinbruch
Daten von der Iberischen Halbinsel zeigen, dass es vor 1,1 Millionen Jahren einen starken Kälteeinbruch gab. © University College London (UCL)

Klimadaten aus Tiefseebohrungen

Ein Team um Vasiliki Margari vom University College London hat mit Hilfe eines Tiefseesedimentkerns, der vor der Küste Portugals entnommen wurde, die Temperatur in Südeuropa von vor 800.000 bis 1,8 Millionen Jahren rekonstruiert. „Auf der iberischen Halbinsel wurden die ältesten bekannten Homininenreste Europas gefunden“, erklären Margari und ihr Team. „Sie stammen aus der Zeit von vor 1,5 bis 1,1 Millionen Jahren und man ging bisher davon aus, dass die Homininenpopulationen, sobald sie sich etabliert hatten, kontinuierlich fortbestanden.“ Allerdings fehlten für die Zeit zwischen 1,1 Millionen Jahren und 900.000 Jahren Fossilien und Artefakte. Die neuen Forschungsergebnisse liefern nun erstmals eine Erklärung dafür.

„Anhand unserer Analysen des Tiefseesedimentkerns stellten wir fest, dass das Klima in dieser Zeit nicht wie bisher angenommen mild war, sondern dass es erhebliche Schwankungen gab“, berichtet das Team. „Vor rund 1,145 bis 1,123 Millionen Jahren gab es eine Kaltzeit, die mit den extremsten Ereignissen der jüngsten Eiszeiten vergleichbar ist.“ Indem sie die Überreste von Pollen und winzigen Algen im Sedimentkern analysierten, konnten Margari und ihr Team Rückschlüsse auf die damaligen Umweltbedingungen ziehen. „Flüsse und Winde bringen winzige Pollen vom angrenzenden Land in den Ozean, wo sie absinken und in der Tiefsee abgelagert werden“, erklärt Margari. „Nach unserer Analyse der Pollen aus den Sedimentkernen des Ozeans hat die Abkühlung des Nordatlantiks die westeuropäische Vegetation in eine unwirtliche Halbwüstenlandschaft verwandelt.“ Die Oberflächentemperatur des Meeres vor Lissabon fiel in dieser Zeit auf sechs Grad Celsius.

Eiszeit eliminierte frühe europäische Siedler

Um die Auswirkungen der Abkühlung auf die damalige Population von Homo erectus auf der iberischen Halbinsel abzuschätzen, speisten die Forschenden die neuen Daten in eine Klimasimulation ein und glichen diese mit archäologischen und fossilen Erkenntnissen ab. „Die Ergebnisse zeigen, dass das Klima rund um das Mittelmeer vor 1,1 Millionen Jahren zu lebensfeindlich für archaische Menschen wurde“, sagt Co-Autor Axel Timmermann vom Zentrum für Klimaphysik in Busan in Südkorea. Da die frühen Jäger- und Sammlergruppen wahrscheinlich nur sehr begrenzt dazu in der Lage waren, sich durch Feuer, Kleidung und Unterkünfte effektiv vor der Kälte zu schützen, ist dem Forschungsteam zufolge das wahrscheinlichste Szenario, dass die frühmenschlichen Siedler in Europa durch die Eiszeit ausstarben.

„Diesem Szenario zufolge könnte Europa vor etwa 900.000 Jahren von widerstandsfähigeren Menschen aus Asien wiederbesiedelt worden sein, die durch evolutionäre oder verhaltensmäßige Veränderungen unter den immer intensiver werdenden eiszeitlichen Bedingungen überleben konnten“, erklärt Co-Autor Chris Stringer vom Natural History Museum in London. Diese Deutung stimmt gut mit den bisherigen Fossilfunden überein. „Um diese Hypothese weiter zu untermauern, sind weitere Fossilfunde mit möglichst genauer Datierung erforderlich“, schreibt Emily Beverly von der University of Houston in Texas in einem begleitenden Kommentar, der ebenfalls in der Fachzeitschrift Science veröffentlicht wurde.

Klima ermöglichte frühmenschliche Kreuzungen

Auch im weiteren Verlauf der Menschheitsgeschichte hatte das Klima einen prägenden Einfluss. Das zeigt eine Studie eines Teams um Timmermanns Kollegen Jiaoyang Ruan. Das Forschungsteam modellierte die Klimabedingungen der letzten 400.000 Jahre in Eurasien und kombinierte die Ergebnisse mit Annahmen über die bevorzugte Umwelt der Frühmenschenarten Neandertaler und Denisova. Demnach waren die Denisova an kalte Umgebungen angepasst, die durch boreale Wälder und Tundra gekennzeichnet waren, während die Neandertaler gemäßigte Wälder und Grasland bevorzugten.

„Das bedeutet, dass ihre bevorzugten Lebensräume geografisch getrennt waren, wobei die Neandertaler typischerweise den Südwesten Eurasiens und die Denisova den Nordosten bevorzugten“, erklärt Ruan. Klimaveränderungen sorgten aber dafür, dass auch das Klima im Nordosten Eurasiens milder wurde, sodass die Neandertaler ihr Verbreitungsgebiet ausdehnen konnten, bis es sich schließlich mit dem der Denisova überschnitt. Tatsächlich kam es zu Kreuzungen zwischen den beiden Frühmenschenarten, wie Fossilien gemeinsamer Nachkommen belegen.

„Beide Studien haben den Vorteil, dass die verwendeten Modelle erneut durchgeführt werden können, wenn weitere Fossilien und Klimaaufzeichnungen hinzukommen“, schreibt Beverly. „Darüber hinaus werden die rasanten Verbesserungen im Bereich der neuronalen Netze und des maschinellen Lernens in den letzten fünf Jahren wahrscheinlich neue Methoden zur Beantwortung offener Fragen zur Evolution und Migration von Homininen liefern.“

Quellen: Vasiliki Margari (University College London) et al., Science, doi: 10.1126/science.adf4445;
Jiaoyang Ruan (Center for Climate Physics, Busan, South Korea) et al., Science, doi: 10.1126/science.add4459

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