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#Wie Regierungen ihre Bürger animieren Steuersünder zu melden

Wie Regierungen ihre Bürger animieren Steuersünder zu melden

Das jüngst freigeschaltete Meldeportal des Baden-Württemberger Finanzministeriums für anonyme Steueranzeigen hat es in den Wahlkampf geschafft: Mit Schlag­worten wie „Steuer-Stasi“ dokumentieren die Kritiker in den Augen mancher Geschichtsvergessenheit, aber zugleich ein Unwohlsein gegenüber privaten Hobbydenunzianten. Allerdings arbeiten deutsche Finanzministerien schon länger mit anonymen Anzeigen; bisher allerdings gingen die per Mail, Brief oder Telefon ein.

Was in der Debatte bislang völlig untergegangen ist: Auch andere Regierungen versuchen, die Mitbürger für die Mithilfe bei der Aufdeckung von Steuerhinterziehungen zu gewinnen – und loben dafür sogar Erfolgsprämien aus. Das Land mit der größten Whistleblower-Tradition sind die Vereinigten Staaten. Whistleblower haben geheime Überwachungsprogramme, amtliche Lügen über den Vietnamkrieg und Bilanzfälschung enttarnt.

Spektakulär war der Fall des ehemaligen UBS-Bankers Bradley Birkenfeld, der Steuertricks der Schweizer Bank UBS aufdeckte. Birkenfeld erhielt für seine Mitwirkung den Betrag von 104 Millionen Dollar vom amerikanischen Fiskus, rund ein Viertel der Summe, die UBS nachzahlen muss. Birkenfeld musste trotzdem ins Gefängnis. Der Fall offenbart zwei Besonderheiten: Das Whistleblower-Programm des amerikanischen Fiskus akzeptiert nur Anzeigen von Personen, die ihren Namen preisgeben. Ihnen winken dafür Belohnungen von 15 bis zu 30 Prozent der Summe, die der Internal Revenue Service (IRS), eine dem Finanzministerium unterstellte Bundesbehörde, wegen des Hinweises einnimmt. Mehrere Schwellen sollen verhindern, dass plumpes Denunziantentum die Fahnder beschäftigt.

Anzeigen und Auszahlen sind an Bedingungen geknüpft

So muss der angezeigte Steuerzahler mindestens 200.000 Dollar Jahreseinkommen aufweisen und die zu erwartende Nachzahlung inklusive Strafen und Zinsen zwei Millionen Dollar übersteigen. Überdies kommt die Belohnung erst zur Auszahlung, wenn der Steuerfall abgeschlossen ist. Das dauert zwischen sechs und zehn Jahren. Im vergangenen Jahr holte der Fiskus dank der landesweiten Whistleblower rund 472 Millionen Dollar herein. Er schüttete knapp 87 Millionen Dollar an 169 Whistleblower aus, im Schnitt 514.000 Dollar je Kopf. Insgesamt hat der Fiskus 61,5 Milliarden Dollar eingeworben und 1 Milliarde Dollar ausgeschüttet im seit 2007 geltenden Whistleblower-Programm.

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Frankreich verzichtet ebenfalls auf anonyme Hinweise. Die Steuerverwaltung schenkt ihnen keine Aufmerksamkeit. Doch wer mit seinem Namen für Informationen geradesteht, die ein großes internationales Steuervergehen aufdecken helfen, kann mit einer finanziellen Anerkennung von bis zu einer Million Euro rechnen. 2017 hat die Regierung das als „Experiment“ eingeführt und 2019 verlängert. Für 2017 wurden 2,7 Millionen Euro budgetiert – weitaus weniger als in den USA.

2004 hatte der damalige Wirtschaftsminister Nicolas Sarkozy die allgemeine Vergütung von Steuerhinweisen abgeschafft. Jahrzehntelang war sie Praxis, doch sie stand auf einer unsicheren Rechtsbasis. Steuerberater betonen, dass die Regierung für die Denunzierung eines Nachbarn wegen eines einfachen Steuervergehens heute nicht bezahle. Es müsse sich um einen großen Fall mit grenzüberschreitenden Verwicklungen handeln wie etwa bei den Affären um die „Panama Papers“. Geprüft wird, ob die Belohnungsobergrenze von einer Million Euro abgeschafft werden soll, etwa da manche Hinweisgeber hohe persönliche Risiken eingehen.

Briten meldeten über 70.000 und Belgier über 3000 Fälle

In Großbritannien gibt es kein Geld für die Denunzierung von Steuersündern. Hinweise nehmen aber auch die britischen Behörden gern entgegen – vertraulich, aber in der Regel nicht anonym. Über ein Internetportal oder eine Telefon-Hotline können Bürger mutmaßlichen Betrug melden. Am Telefon dürfen die Hinweisgeber ihren Namen verschweigen. Der Fiskus ­bittet um Hinweise auf Umsatzsteuer- oder Zollhinterziehung, Sozialabgabenbetrug oder erschlichene Sozialleistungen.

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Gleichzeitig warnt die Steuerbehörde HMRC die Bürger: Sie sollten bloß nicht versuchen, selbst zu ermitteln oder Detektiv zu spielen. Am Tag gingen etwa 200 Meldungen ein, insgesamt 73.000 im Steuerjahr vor Corona. Die Zahl nimmt Jahr für Jahr leicht zu. Gegen 250 Personen und 23 größere Unternehmen ermittelte der Fiskus wegen schweren Steuerbetrugs, der auch mit Gefängnis bestraft werden kann. In der Corona-Krise gab es einen sprunghaften Anstieg von Hinweisen auf Betrug mit staatlichen Kurzarbeits- oder Lohnersatzhilfen. 4500 Angestellte meldeten, dass Arbeitgeber mutmaßlich schummelten.

In Belgien – dessen Bürgern eine eher etwas lockere Steuermoral nachgesagt wird – sind im vergangenen Jahr alles in allem 3500 Hinweise auf mutmaßliche Steuerhinterziehung eingegangen, mehr als je zuvor. Im Vorjahr waren es gerade einmal knapp 2250. Ein großer Teil davon erfolgte anonym, ein beträchtlicher Anteil der Tippgeber nannte aber auch seinen Namen. Eine Erklärung für den Anstieg gibt es nicht. Anlass sei oft Rache oder Missgunst, hieß es. Die belgischen Behörden bemühten sich, die Bedeutung des Anstiegs herunterzuspielen. Verglichen mit 7,1 Millionen Steuererklärungen sei die Zahl der Hinweise minimal.

Ein Sprecher betonte zudem, dass die Steuerbehörden nicht zur Denunzierung ermutigten: „Wir erwarten nicht von den Bürgern, dass sie unsere Arbeit machen.“ Deshalb gebe es anders als für Hinweise auf Sozialbetrug wie Schwarzarbeit auch keine Hotline oder kein Internetportal zur Anzeige von Steuerbetrug. Überprüft werden Hinweise dennoch. Niemand müsse jedoch Panik bekommen, stellen die Steuerbehörden im Internet klar. Ein Hinweis allein bedeute gar nichts.

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