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#Wie schmeckt eigentlich Gemüse?

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Wie schmeckt eigentlich Gemüse?

 Josef Floh ist 49 und fühlt sich wie ein Vorschulkind. Dabei ist die Aufgabe nicht allzu schwer. Der Koch soll verschiedene Blattsalate essen und beschreiben, wie sie schmecken. Doch er findet kaum Worte. Der Romana knackt im Mund und ist saftig, der Eichblatt schmeckt frisch und etwas süßlich. Und weiter? Über Wein ließe sich stundenlang reden, beim Gemüse ist schon nach einer Minute Schluss. Deshalb, findet Josef Floh, brauchen Köche ein „neues Wording“. Die Test-Runde im Wiener Restaurant „Steirereck“, das betrieben wird vom besten Koch im Land, Heinz Reitbauer, endet für die Köche im Spätsommer letzten Jahres als Lehrstunde.

Nur wenige Wochen später treffen sich die österreichischen Top-Köche in einem Gasthaus in der Steiermark. Dort hat Gemüsebauer Johann Reisinger neun verschiedene Knollenselleriesorten in Wurzeln, Mittelstück, Schulter, Blattstiel und Blätter zerlegt. Dieses „Leaf to Root“ erinnert an das Alles-Aufessen von Tieren, „Nose to Tail“. Jeder Sellerie-Cut bringt andere Nuancen auf die Zungen.

Akkorde der Aromen

„Jeder hat für sich versucht, Assoziationen zu finden“, berichtet der Niederösterreicher Floh, „wo sind Anhaltspunkte, die man kennt.“ Während sich bei „Saxa“ in der Schulter Zitrusaromen finden und die Spitzen nach Champi­gnon duften, erinnert bei „Balder“ die Schulter an Hühnersuppe und die ­Wurzeln an Macadamianüsse. Der „Monarch“ hat ein fleischiges Mittelstück und eine Liebstöckel-Würze in den Blättern. „Dass es derart verschiedene Geschmäcker gibt, damit hat niemand von uns gerechnet“, so Floh.

Sellerie ist nicht einfach Sellerie. Weit gefehlt. Die eine ist herb, die andere mild, die nächste cremig-fruchtig. loh kocht in seinem Restaurant „Der Floh“ ein Duo von „Balder“ und „Monarch“, im Ganzen geschmort. Dann bricht er die Herzstücke heraus und übergießt mit der Soße, die er aus den Schalen der jeweiligen Sorte gezogen hat, das ohnehin saftige Gemüsefleisch. Auf dem „Balder“-Teller duftet es nach einem Hauch Nussmus. Der „Monarch“ schmeckt erdig und erinnert an Rüben. Das Blattgrün gibt beiden harzig-bittere Noten. Sellerie, die bis vor kurzem höchstens einem Fond den Hauch Umami-Würze geben durfte, punktet mit einem Reservoir an Aromen.

Wie wird Geschmack, wie werden Aromen bei Kohlrabi, Kürbis oder Karotten in die richtigen Worte gefasst? Es fehlt offenbar an einer Gemüsesprache, die geschmackliche Nuancen konkret ausdrückt. Vor allem wenn es um verschiedene Sorten derselben Art geht. Die Verkostung hat gezeigt, so Spitzenkoch Reitbauer, „dass wir bei der Beschreibung von Gemüsen erst am Anfang stehen“. Der Siegeszug des Weins hänge auch damit zusammen, „dass man Weine so exakt beschreiben kann“ und den Gästen zu jedem Wein eine Story über Rebsorte, Region und Produzenten erzählen könne. Langfristig peilen die österreichischen Köche dieses Ziel auch für das Gemüse an.

Es geht nicht um überkandidelte Gemüselyrik, aber für die Akkorde der Aromen mangelt es an Ausdrücken. Bislang ist alles, was herrlich schmeckt, aber die Köche nicht richtig beschreiben können, meist nussig. Wie kann Geschmack in Gänze beschrieben werden? Nicht nur als sauer, süß, bitter, salzig oder umami, sondern alle Aromen, die mit der Nase wahrgenommen werden.

Der Tod der Feinheit

Es sei wichtig, sagt der Physiker und Buchautor Thomas Vilgis, „Speisen eine Zeitlang im Mund zu behalten“. Von dort stiegen die Aromen dann durch den Rachenraum in die Nase und würden dort wahrgenommen. Das Aroma zu identifizieren helfe, wenn es darum gehe, sein Erlebnis in Worte zu fassen und sich mit anderen auszutauschen.

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Auch deutsche Köche finden das Wörterbuch der Gemüsesprache viel zu dünn. Andree Köthe aus dem Nürnberger „Essigbrätlein“ entdeckt bei Steckrüben geschmackliche Unterschiede, je nachdem, ob sie im Herbst und Winter oder im Frühjahr serviert werden. Ganz frisch seien sie im September „fast ein wenig bitter und scharf wie Rettich“. Abgelagert enthielten sie viel mehr Süße. Die Rüben riechen „unfassbar intensiv, fast wie Trüffel“.

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