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#Wieder ist Minneapolis im Notstand

Wieder ist Minneapolis im Notstand

Die Bilanz der Nacht zum Dienstag lautet: vierzig Festnahmen, mehrere leicht verletzte Polizisten, wieder gewaltsame Proteste und wieder Plünderungen. Im Großraum Minneapolis im Bundesstaat Minnesota herrscht Ausnahmezustand. Nachdem am Sonntag während einer Polizeikontrolle in der Kleinstadt Brooklyn Center ein tödlicher Schuss auf einen jungen Afroamerikaner abgegeben wurde, zogen Demonstranten am Montagabend die zweite Nacht in Folge durch die Straßen.

Majid Sattar

Majid Sattar

Politischer Korrespondent für Nordamerika mit Sitz in Washington.

Die Proteste ließen sich nicht stoppen. Nicht durch eine neuerliche Ausgangssperre. Und auch nicht durch eine transparente Informationspolitik der Behörden. Mike Elliott, der afroamerikanische Bürgermeister von Brooklyn Center, sagte: „Wir wissen, das hätte nicht zu einem schlechteren Zeitpunkt geschehen können.“ Das ganze Land, ja die ganze Welt schaue gerade auf Minneapolis. Zehn Meilen von Brooklyn Center entfernt findet der Prozess gegen den früheren Polizisten Derek Chauvin statt. Er ist wegen „Morden zweiten und dritten Grades“ an George Floyd angeklagt. Vor knapp einem Jahr presste er sein Knie minutenlang auf den Nacken des Afroamerikaners, der ihn anflehte, aufzuhören, da er keine Luft bekomme. Der Tod Floyds löste die schwersten Unruhen in Amerika seit den Tagen der Bürgerrechtsbewegung aus. Vorsichtshalber hatte man die Nationalgarde für den Prozess nach Minneapolis beordert.

Die hilflose Erklärung der Polizistin

Dann kam es am Sonntag zu einer Verkehrskontrolle, die aus dem Ruder lief. Tim Gannon, der Polizeichef von Brooklyn Center, wandte sich am Montag in einem emotionalen Auftritt an die Öffentlichkeit. Mit zittriger Stimme trug er vor, dass eine am Einsatz beteiligte Polizistin den Schuss auf den 20 Jahre alten Daunte Wright offenbar versehentlich abgegeben habe: Sie habe wohl einen „Taser“ genannten Elektroschocker einsetzen wollen, dann aber zur Schusswaffe gegriffen. Auf Videoaufnahmen einer Körperkamera, die Gannon zeigte, ist zu hören, wie die Polizistin beim Versuch der Festnahme Wrights „Taser, Taser, Taser“ ruft, dann aber – nachdem sich Wright seiner Festnahme entzieht und wieder auf den Fahrersitz flüchtet – mit ihrer Pistole schießt. Als die Polizistin ihren Fehler erkennt, ruft sie: „Verdammte Scheiße. Ich habe gerade auf ihn geschossen.“ Wright fuhr danach noch mehrere Blocks weiter, prallte dann aber mit einem anderen Fahrzeug zusammen.

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Gannon hob hervor: „Es gibt nichts, was ich sagen kann, um den Schmerz der Familie zu lindern.“ Ihm sei nicht bekannt, dass im Wagen des Opfers eine Waffe gefunden worden sei. Die Polizisten hätten Wright kontrolliert, weil die Zulassung seines Wagens abgelaufen gewesen sei. Bei der Überprüfung seiner Personalien hätten sie dann festgestellt, dass gegen ihn ein Haftbefehl wegen eines „groben Vergehens“ vorliege – es ging um illegalen Waffenbesitz. Bürgermeister Elliott forderte die Entlassung der Polizistin. Da der Verwaltungschef der Stadt dem Bürgermeister widersprach, wurde er umgehend von Elliott entlassen. Am Dienstag gab Elliott bekannt, dass die Polizistin wie auch Gannon ihre Kündigungen eingereicht hätten. 

Untersucht wird nun, wie es zu dem mutmaßlichen Fehler kam. Die weiße Beamtin ist seit 26 Jahren im Polizeidienst. Der Elektroschocker und die Dienstwaffe sind durch Gewicht und Farbe deutlich voneinander zu unterscheiden. Präsident Joe Biden äußerte Verständnis für die Proteste, mahnte aber, diese müssten friedlich bleiben. Es gebe „absolut keine Rechtfertigung“ für Plünderungen und Gewalt. Die Frage, ob es ein Unfall oder Absicht gewesen sei, müsse noch geklärt werden.

Angst vor Beeinflussung des Floyd-Prozesses

Brooklyn Center hat rund 30.000 Einwohner. Bis vor wenigen Jahren war es eine Stadt mit weißer Bevölkerungsmehrheit. Inzwischen bilden Minderheiten die Mehrheit – nahezu ein Drittel der Stadtbevölkerung sind Afroamerikaner. Brooklyn Center gehört zur Metropolregion der Zwillingsstädte Minneapolis/St. Paul. Die Bürgermeister der beiden Großstädte riefen den Notstand aus.

Der neuerliche Vorfall und die gewaltsamen Proteste beeinflussen den Gerichtsprozess gegen Chauvin. Die Verteidigung des Angeklagten beantragte am Montag, die Geschworenen umgehend zu isolieren. Der Anwalt Eric Nelson sagte, die Vorgänge von Brooklyn Center könnten die Geschworenen beeinflussen. Richter Cahill lehnte den Antrag aber ab. In der dritten Woche des Prozesses begann am Dienstag die Verteidigung mit der Befragung ihrer Zeugen und Sachverständigen. Bisher hatten die Ankläger Regie geführt. In der kommenden Woche werden die Schlussplädoyers erwartet. Cahill sagte, von Montag an würden die Geschworenen dann von der Öffentlichkeit abgeschottet.

Die Anklage hatte bisher zum einen herauszuarbeiten versucht, dass das Vorgehen Chauvins bei der Festnahme Floyds wegen des Vorwurfs, beim Kauf von Zigaretten mit Falschgeld bezahlt zu haben, eindeutig den Einsatzregeln widersprach. Zum anderen sagte ein Sachverständiger nach dem anderen aus, dass Floyd gestorben sei, weil ihm die Luft abgeschnürt wurde – und nicht wegen seines Drogenkonsums oder wegen Vorerkrankungen.

Am Montag bekräftigte noch einmal ein Kardiologe diese Lesart: Nach Prüfung aller Fakten und Indizien, so der Mediziner Jonathan Rich, könne er mit einem hohen Grad medizinischer Sicherheit sagen, dass Floyd nicht wegen einer Herzerkrankung oder einer Überdosis gestorben sei. Tatsächlich habe der Getötete über ein sehr starkes Herz verfügt. Zuvor schon hatte der Lungenspezialist Martin Tobin ausgesagt, dass Floyd an den Folgen von Sauerstoffmangel gestorben sei. Der niedrige Gehalt an Sauerstoff habe Hirnschäden verursacht und Floyds Herz zum Stillstand gebracht. Die Verteidiger werden nun in den verbleibenden Prozesstagen versuchen, zumindest Zweifel daran zu wecken, dass die Gewaltanwendung Floyds Tod verursacht hat. Mehrfach schon fiel das Stichwort, auf dem Chauvins Verteidigung fußt: begründeter Zweifel.

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