#Wienern traut man nicht
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„Wienern traut man nicht“
„Schiele vielleicht, aber Klimt nicht, Kokoschka ja, Gerstl nein.“ So verkürzt apodiktisch fällt Reger, der Icherzähler von Thomas Bernhards Roman „Alte Meister“, zunächst sein Urteil über die Größe österreichischer Künstler des zwanzigsten Jahrhunderts, um dann prompt ausführlicher zu werden: „In der Qualität Schieles hat es ja in diesem Jahrhundert mehrere österreichische Maler gegeben, aber außer Kokoschka keinen einzigen wirklich bedeutenden, sozusagen wirklich großen.“
Wie Bernhard selbst wohl bekannt war, haben das offizielle Österreich und die österreichische Kunstgeschichtsschreibung das anders gesehen. Vertreten wird Kokoschka bis heute in den öffentlichen Sammlungen des Landes und in kunsthistorischen Darstellungen meistens am dritten Platz hinter seinem geschätzten Mentor Gustav Klimt und dem beneideten, zuweilen brutal beschimpften Kollegen Egon Schiele.
Niemand weiß das besser als Bernadette Reinhold, Autorin zahlreicher Studien und Herausgeberin einschlägiger Sammelbände über den Maler, die seit 2008 das Oskar-Kokoschka-Zentrum an der Hochschule für Angewandte Kunst in Wien leitet. Es geht in dieser ungewöhnlich konzipierten Biographie aber nicht um die Korrektur einer ohnehin problematischen Rangordnung, sondern um eine Abrechnung mit dem Homo politicus und seiner Hassliebe zu seinem Heimatland.
Die „Facetten“ des Untertitels werden dem großen Bogen kaum gerecht, den diese ehrgeizige Studie zu ziehen versucht – von dem brisanten, die Kunstwelt Wiens polarisierenden Anfang in der Kunstschau 1908 und der Internationalen Kunstschau 1909 über den Militärdienst und die Beteiligung an Propaganda-Initiativen im Ersten Weltkrieg, die bisher kaum bekannte Annäherung an den austrofaschistischen „Ständestaat“ sowie antifaschistisches Engagement in Prag und in England bis zum zögerlichen Mitmachen an der zunehmend konservativen Kulturpolitik Österreichs nach 1945.
Er sah sich selbst als Opfer
Das gründlich recherchierte Herzstück des Buchs untersucht die wechselhaften Beziehungen der Jahre 1945 bis 1955 zwischen der Zweiten Republik und ihrem verlorenen, aber seit 1947 nicht österreichischen, sondern britischen Sohn. Anhand von Personalakten, Sitzungsprotokollen und anderen Archivalien sowie Korrespondenzen und Berichten von Zeitgenossen erzählt Reinhold eine größtenteils unbekannte, letzthin triste Geschichte von Annäherung und Entfremdung. Trotz Intrigen von neidischen, ehemals nazistischen Malerkollegen und anderen Gegnern bemühten sich Politiker und Museumsleute um den einst militant antifaschistischen Künstler. Man wollte ihm Ausstellungen organisieren, Aufträge verschaffen, Professuren sichern, Ehren verleihen und vor allem ihn überzeugen, die österreichische Staatsbürgerschaft wieder anzunehmen.
Bernadette Reinhold: „Oskar Kokoschka und Österreich“. Facetten einer politischen Biografie.
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Bild: Böhlau Verlag
Einzelne Episoden nehmen sich da wie Szenen in einer Nestroy-Posse aus. Gegen die Verleihung einer Ehrenbürgerschaft der Stadt Wien im Jahr 1946 wurden in einer Stadtratssitzung die Einwände erhoben, der sechzigjährige Maler solle erst einmal siebzig Jahre alt werden und ein Ausländer sei er ja auch. Zu den Pannen bei Versuchen, die kargen Bestände des Œuvres in öffentlichen Sammlungen aufzustocken, gehörte die Erwerbung eines beeindruckenden frühen Porträts für die Österreichische Galerie, das sich als Werk des bereits vor 1914 als Plagiator verfolgten Max Oppenheimer entpuppte.
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