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#Wir Kinder des Kapitals

„Wir Kinder des Kapitals“

Ein Kind liegt da. Es ist gerade erst geboren, aber schon verzweifelt, die Beine zitternde Halme in der Sommerluft, der Mund zahnlos krähend. Die Eltern stehen bei dem Kind, sie sind mit naheliegenden, wichtigen Fragen beschäftigt: Ist es versorgt, warum weint es, wird es sich die Augen auskratzen? Und man selbst, bloß Beobachterin, fragt sich, was man ihm antut mit dem Dasein auf der Welt. Wird es ertragbar, und was lässt sich dazu beitragen?

Es sind die Wochen der großen Brände und leeren Flussbetten. Der vertrockneten Ernten, Dürren und wachsenden Wüsten. Es ist Sommer. Das Meer vor Mallorca wird zur Badewanne. Die Wälder glühen, und das Gewitter, das gerade heranrollt, klingt bedrohlich für das Kind. Man will nicht unter die Apokalyptiker gehen und vom Krieg in Europa und den Seuchen erst gar nicht anfangen. Aber es ist doch alles gehörig durcheinandergeraten seit der eigenen Kindheit in den Neunzigern. Wann hat es sich jemals so angefühlt? Setzt lieber keine Kinder mehr in diese Welt, raten sie einem heute, haben sie das damals auch gesagt?

Wieder eine Generation, die beim Anblick ihrer Kinder Erleuchtungen hat, dürfen Sie spotten. Aber dies ist die Generation, die vor kaum ein paar Jahren verstanden hat, was Wohlstandsdellen sind. Dass ihre Kinder höchstwahrscheinlich ihre am Planeten angehäuften Schulden abbezahlen müssen. Die Generation derer, die noch auf dem Feld übernachteten, dann Praktika machten und an tausend Zukünfte glaubten. Sicher, da war etwas, tief in der Erinnerung vergraben, nach 9/11 und vor dem großen Börsencrash: ein durch die Welt reisender amerikanischer Vizepräsident mit seiner unbequemen Wahrheit, der den Menschen erklären wollte, wie groß ihre Verantwortung sei, und vor der Katastrophe warnte.




Das war 2006, im Jahr des Sommermärchens. Als Al Gores Worte durch das Klassenzimmer summten, gab es Momente der Betroffenheit, der Irritation. Aber was sollte das alles konkret für ein paar Oberstufler bedeuten?

Keinen Schritt näher

Den Klimawandel zu bekämpfen ist seit den Siebzigerjahren Ziel der internationalen Staatengemeinschaft. Und trotzdem ist das Ziel keinen Schritt näher gerückt. Im Gegenteil, ausgerechnet in diesen letzten dreißig Jahren hat die Geschwindigkeit der Erderwärmung noch einmal deutlich zugenommen.

In seinem Essay „What If We Stopped Pretending“ formulierte der amerikanische Schriftsteller Jonathan Franzen 2019 den zweifelhaften Ratschlag, anzuerkennen, dass es zu spät für die Rettung sei. Wer jünger als dreißig sei, schrieb Franzen, werde die „radikale Destabilisierung des Lebens auf der Erde erleben: Ernteausfälle, apokalyptische Feuer, implodierende Wirtschaftssysteme, epische Fluten, Hunderte Millionen von Geflüchteten aus Regionen, die wegen der extremen Hitze oder Trockenheit unbewohnbar geworden sind“ – besser, darauf vorbereitet zu sein. Franzen beschrieb, wovor Wissenschaftler schon lange warnten. Sobald die Erderwärmung zwei Grad überschritten hat, wird die Welt sich verwandeln. Die Menschheit wird zwar weiter existieren, aber unter sehr viel schlechteren Bedingungen. Man kann den „Point of No Return“ lediglich herauszögern. „Es gibt keine Hoffnung. Nur für uns.“

Franzen entwarf die Strategie des kühlen Abstraktionsvermögens, das im Angesicht der heranrollenden Katastrophe weit über den Gedanken an die eigenen Kinder hinausgeht, eine angesichts der völligen Unmöglichkeit des Idealismus hyperidealistische Bereitschaft, gegen alle Widerstände weiterzumachen: Wer noch auf Rettung hofft, wird nur verzweifeln und von jedem neuen Brand erschreckt. Wer die Katastrophe akzeptiert, kann anfangen, über seinen Spielraum nachzudenken, über „die Dringlichkeit beinahe jeder weltverbessernden Aktion“.

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