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#Wir sind Helden

„Wir sind Helden“

Ach, Cate Blanchett. Sie war nicht bei Maischberger, Sandra Maischberger war bei ihr und hat das Gespräch aufgezeichnet, und vielleicht war das ja besser so für die Sendung, die sonst womöglich aus dem Ruder gelaufen wäre. Es gibt Filmjournalisten, die berichten, sie wären zu einem Pressetermin mit Cate Blanchett eingeladen gewesen. Und hätten keine einzige Frage gestellt, weil ihnen bewusst geworden sei, dass ihnen die kluge Frage, auf die Cate Blanchetts Augen, ihr Lächeln, ihre ganze coole Präsenz eine Antwort gewusst hätten, niemals eingefallen wäre. Es gibt andere, die berichten, sie hätten eine Frage gestellt. Aber die Antwort hätten sie schon nicht mehr hören können, so sehr hätten ihnen vor Scham über die eigene dumme Frage die Ohren gedröhnt.

Cate Blanchett und Karl Lauterbach in Maischbergers Sitzecke: das hätte man schon deshalb gern gesehen, weil der Auftrag, nicht nur Journalisten, sondern endlich auch einen Hollywoodstar von seinen Positionen zu überzeugen, Karl Lauterbachs Rhetorik und vielleicht auch dem ganzen Thema noch einmal einen gewissen Schwung gegeben hätte. Es ging, anlässlich des Endes aller Maskenpflichten, noch einmal um Corona, ein Thema also, zu dem wirklich alle schon alles gesagt haben. Immerhin konnte man sich so umso besser auf die Performance konzentrieren, was ja, angesichts des bevorstehenden Auftritts von Cate Blanchett nahelag.

Es sind nicht seine Fäuste

Lauterbach gab den Helden, was, wo er doch offensichtlich eher vergeistigt und ein bisschen nervös spricht, wie ein eigenwilliges, ja mutwilliges Urteil klingen mag. Aber es gibt ja außer den Westernhelden auch die bebrillten Großstadtmänner, und was den Kinohelden zum Helden macht, sind ohnehin nicht seine Fäuste. Es ist die Bereitschaft, für Taten und Unterlassungen die Verantwortung zu übernehmen, und Lauterbach tat, was in amerikanischen Filmen zum Beispiel James Stewart tat.

Wie ein Kinoheld: Minister Lauterbach übernahm Verantwortung.


Wie ein Kinoheld: Minister Lauterbach übernahm Verantwortung.
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Bild: WDR/Oliver Ziebe

Für jeden Fehler, jede Vorschrift, die sich später als sinnlos erwies, speziell für die längst als unsinnig erkannten Schulschließungen, übernahm er die Verantwortung. Und erst nachdem er zwanzig Minuten lang Rede und Antwort gestanden hatte, wies er, ganz diskret, darauf hin, dass er ja erst seit dem Herbst 2021 im Amt ist; dass er also für die Zeit davor nicht für seine Handlungen, sondern allenfalls für seine Meinungen zur Rechenschaft gezogen werden kann. Kein böses Wort über seinen Vorgänger, keine Häme über die bayerische Staatsregierung, die zeitweilig sogar verheirateten Paaren die gemeinsamen Spaziergänge verbot. Lauterbach nahm das alles auf sich, und wenn er seine Irrtümer gestand, schaute er, mit weit geöffneten Augen, mal zum Boden, mal zur Decke. Und versuchte gar nicht erst, sich selbst hinter Passivkonstruktionen, einem „man“ oder dem Verweis auf die Irrtümer der meisten anderen zu verstecken.

Was umso aufrichtiger war, als man Sandra Maischberger irgendwie anzumerken schien, dass sie noch unter dem Eindruck der Begegnung mit Cate Blanchett stand. Sie ist ja in der Rolle der Maischberger bewundernswert genug, wie sie, zweimal in der Woche, die seltsamsten, oft auch die geschwätzigsten und konfusesten Leute empfängt, ohne jemals die Fassung oder auch nur die Konzentration zu verlieren. Auch am Mittwochabend war sie mehr Maischberger als irgendetwas sonst. Aber ein bisschen von der unverwundbaren Coolness, der tiefen Unbeeindrucktheit Cate Blanchetts schien sie sich abgeguckt zu haben. Was Lauterbach mal als Strenge, meistens aber als guten Kontrast zu seiner Peter-Sellers-haften Nervosität zu spüren bekam.

Die Mattheit nach Corona

Was sonst zu den Stärken der Show gehört, dass nämlich drei Gäste, Journalisten oder sogenannte Fernsehpersönlichkeiten, die Lage der Dinge kommentieren, wirkte an diesem Mittwoch matt und konfliktscheu, obwohl Amelie Fried als freundlich linksliberale Bestsellerautorin, Jan Philipp Burgard als Chefredakteur eines weitgehend ungesehenen Privatfernsehsenders und Kristina Dunz als Gewinnerin einer journalistischen Tapferkeitsmedaille nicht übel besetzt waren. Aber eine der Langzeitwirkungen von Corona ist halt die Müdigkeit, die alle Beteiligten bei Corona-Diskussionen erfasst. Und so gelang es Sandra Mischberger einfach nicht, aus den anderen Themen, also Franziska Giffeys Schwäche für die CDU oder der Kritik der Amerikaner an Olaf Scholz, irgendein Konfliktpotential herauszuholen. Und die einander so freundlich gesinnten Gäste waren schon gar nicht zu einem Showdown bereit.

Dann, endlich Cate Blanchett, irgendwo auf der Berlinale, in einer fast mädchenhaften und betont lässigen Selbstinszenierung – schon damit keiner die Person mit der Rolle verwechselt, die sie in dem Film „Tár“ verkörpert. Virtuos, wie sie, die Sandra Maischberger gegenübersaß, in den Momenten der Nachdenklichkeit zur Seite schaute, fast direkt in die Kamera, zu den Zuschauern also, die sich davon gewissermaßen gemeint fühlen durften. Routiniert, wie sie auf jede Frage nicht nur eine Antwort, sondern gleich eine kleine Geschichte zu erzählen wusste: zum Beispiel, dass sie, als sie ein Kind war, sich wünschte, eine Supermarktkette zu gründen, in der es kein Plastik geben würde.

Noch routinierter, wie sie allen Anschein von Routine durch ihre pure Präsenz dementierte. Und absolut ernst, wie sie darauf bestand, dass dort, wo sie arbeitet, im Filmgeschäft, der Fiktionsindustrie, dort, wo Images und Rollenbilder entworfen werden, genau der richtige Schauplatz sei, die gesellschaftlichen und politischen Konflikte in aller Schärfe auszutragen. Und dass es da, speziell was die Rechte und die Präsenz der Frauen angeht, noch viele Konflikte zu bestehen gebe.

Ach, Cate Blanchett. Zwanzig Minuten hatte Sandra Maischberger. Zum Glück läuft „Tár“ in den Kinos, 158 Minuten lang.

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