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#Wissenschaftlicher Konsens, Evidenzsynthesen und Verunsicherungsbomben – Gesundheits-Check

„Wissenschaftlicher Konsens, Evidenzsynthesen und Verunsicherungsbomben – Gesundheits-Check“

Wissenschaftlicher Konsens verbürgt bekanntlich nicht Wahrheit, aber er sollte verbürgen, dass die Studienlage möglichst vollständig zusammengeführt und geprüft wurde. Das schließt das kritische Abwägen von Argumenten in der einen wie der anderen Richtung ein. Von der Form her kann das z.B. in systematischen Übersichtsarbeiten oder, wenn die quantitativen Voraussetzungen gegeben sind, in Metanalysen erfolgen. Cochrane-Reviews mit ihren methodisch gut geregelten und transparenten Verfahren sind besonders hochwertige Evidenzsynthesen. Der Forest-Plot ist das Logo der Cochrane-Gesellschaft, das Zusammenführen der Studienlage mit ihren oft divergenten Befunden symbolisierend.

Schwierig wird es immer, wenn ein Teil der Evidenz ausgeblendet bleibt. Die Homöopathen haben dieses Ausblenden wiederum selbst zu einer Kunstform erhoben, dem sog. „Binnenkonsens“, indem sie sich ein pseudowissenschaftliches Paralleluniversum geschaffen haben. Die „normale“ Wissenschaft zählt dort nur, wenn sie passende Ergebnisse liefert, ansonsten stützt man sich auf die eigenen, ganz besonderen Erkenntnismittel.

In den letzten Monaten kann man auch in der Corona-Querdenkerszene das Bemühen um Evidenzsynthesen beobachten. Es gibt vermehrt sorgfältig erstellte Sammlungen von Studien und Analysen, die auf eine Botschaft hinauslaufen: Das Coronavirus ist recht harmlos und die Impfung ist wirkungslos bis gefährlich. Jetzt ist wieder so ein Werk erschienen, ein Brief an die Bundestagsabgeordneten. Es gegen die Impfpflicht. Das Papier enthält so ziemlich alles, was in den letzten Monaten an gefälligen Studien und eigenwilligen Datenanalysen in der Szene ventiliert wurde. Die Evidenzgrundlagen des wissenschaftlichen Mainstreams fehlen dagegen weitgehend, die ganz abgedrehten Sachen von Sucharit Bhakdi, Stefan Lanka & Co. übrigens auch. Man hat sich sichtlich um seriös erscheinende Pseudowissenschaft bemüht.

Das Papier umfasst 69 Seiten, man kann es nicht im Rahmen eines Blogbeitrags im Einzelnen durchgehen, aber wer reinschaut, wird viele Behauptungen wiederfinden, die hier schon diskutiert wurden oder auf den diversen „Faktenchecker-Seiten“ Gegenstand der Kritik waren. Nicht alles ist falsch, aber alles ist einseitig.

Interessant ist die Liste der Unterzeichner. Da finden sich z.B. der „Lebensschützer“ Paul Cullen, der renommierte Wissenschaftsphilosoph Michael Esfeld, Mitglied der Leopoldina und seit einiger Zeit mit etwas Schlagseite unterwegs, der ehrenwerte Erziehungswissenschaftler Georg Hörmann, die Politikwissenschaftlerin Ulrike Guérot, Christof Kuhbandner, der Münchner Impfgegner Steffen Rabe oder der Homöopathie-Guru Jens Wurster. Bhakdi, Wodarg, Homburg, Schiffmann und andere Szene-Stars fehlen dagegen, vielleicht gelten sie für Briefe an Bundestagsabgeordnete wegen ihrer abstrusen Thesen als verbrannt.

Interessant wäre auch zu erfahren, wie die angeschriebenen Bundestagsabgeordneten mit dem Papier umgehen. Ihre wissenschaftlichen Referenten werden kaum die Zeit aufbringen können, das alles mit dem aktuellen tatsächlichen Wissensstand abzugleichen. Aber vielleicht ist genau das eine der Absichten solcher Papiere: Wenn man sie beiseitelegt, hinterlassen sie das ungute Gefühl, nicht jeden Punkt geprüft zu haben. Verunsicherung als Ziel? In der „normalen“ Wissenschaft sollen Evidenzsynthesen eigentlich Verunsicherung vermindern. Aber hier geht es ja auch um ein politisches Ziel, die Impfpflicht zu verhindern, nicht um Wissenschaft. Dass es gegen eine Impfpflicht durchaus auch ernstzunehmende Argumente gibt, steht auf einem anderen Blatt, nicht auf dem der Briefeschreiber.

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