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#„Wo zum Teufel sind die Journalisten?“

„„Wo zum Teufel sind die Journalisten?““

Die Russen jagten uns. Sie hatten eine Liste von Namen, auf der wir auch standen und sie kamen schnell näher. Wir waren die einzigen übriggebliebenen internationalen Journalisten in Mariupol und wir dokumentierten die Belagerung durch die Russen in der Stadt seit nunmehr zwei Wochen. Gerade berichteten wir aus einem Krankenhaus, als Bewaffnete in die Flure des Gebäudes kamen. Die Ärzte gaben uns weiße Krankenhauskittel, um sie als Tarnung zu tragen.

Soldaten schrien: „Wo zum Teufel sind die Journalisten?“

Ich sah ihre Armbänder, blau für die Ukraine, und ich versuchte abzuwägen, ob es womöglich getarnte Russen waren. Ich trat vor, um mich zu erkennen zu geben. „Wir sind da, um euch hier ‚raus zubringen“, sagten sie. Die Wände der OP-Säle wackelten unter dem Artillerie- und Gewehrfeuer. Es wirkte fast so, als ob es innen sicherer wäre. Aber die ukrainischen Soldaten hatten den Befehl, uns mitzunehmen.

Wir rannten auf die Straße, ließen die Doktoren zurück, die uns Schutz geboten hatten, die angeschossene schwangere Frau und die vielen Menschen, die auf den Fluren des Krankenhauses schlafen mussten, weil sie nirgends mehr hin konnten. Es fühlte sich grausam an, sie alle hinter sich zu lassen.

Ein ukrainischer Soldat hält die Stellung. Mariupol, 12. März.


Ein ukrainischer Soldat hält die Stellung. Mariupol, 12. März.
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Bild: Mstyslav Chernov/AP

Wir erreichten eine Zufahrt, von der uns gepanzerte Fahrzeuge zu einem dunklen Kellergewölbe brachten. Erst hier erfuhren wir, wieso die ukrainischen Soldaten ihre Leben riskiert hatten, um uns aus dem Krankenhaus zu schaffen.

„Wenn sie euch schnappen, werden sie euch vor die Kamera zwingen, um zu sagen, dass alles, was ihr gefilmt habt, eine Lüge ist“, sagten sie. „All eurer Einsatz, alles was ihr in Mariupol getan habt, wäre umsonst gewesen.“

Der Offizier, der uns vorher gebeten hatte, der Welt seine sterbende Stadt zu zeigen, plädierte dafür, dass wir gehen sollten. Er drängte uns zu den Massen an verbeulten Autos, die alle die Stadt verlassen wollten.

Das war der 15. März. Wir hatten keine Ahnung, ob wir lebend heraus kommen würden.

Medizinische Mitarbeiter betreuen Verwundete im Keller eines Krankenhauses. Mariupol, 1. März.


Medizinische Mitarbeiter betreuen Verwundete im Keller eines Krankenhauses. Mariupol, 1. März.
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Bild: Evgeniy Maloletka/AP

Als ein Teenager aus Charkiw, unweit der russischen Grenze, lernte ich in der Schule, wie man eine Waffe bedient. Mir erschien das sinnlos, dachte ich doch die Ukraine wäre umgeben von Freunden.

Nach der Schule begann ich die Kriege im Irak, in Afghanistan und in Bergkarabach zu dokumentieren, um der Welt die Verwüstungen aus erster Hand zu zeigen. Als dann die Amerikaner und Europäer ihre Mitarbeiter aus den Kiewer Botschaften abzogen und ich Karten vom russischen Aufmarsch in direkter Nachbarschaft meiner Heimatstadt Charkiw sah, war mein einziger Gedanke: mein armes Land.

Ich wusste, dass die russischen Streitkräfte die östliche Hafenstadt Mariupol aufgrund ihrer Lage am Asowschen Meer als eine Art strategischen Preis sahen. Am Abend des 23. Februar fuhr ich mit meinem langjährigen Kollegen und ukrainischen AP-Fotografen Evgeniy Maloletka in seinem weißen VW-Bus dorthin. Wir fuhren um 3:30 Uhr in der Nacht in Mariupol ein. Eine Stunde später begann der Krieg.

In den nächsten Tagen verließ etwa ein Viertel der 430.000 Einwohner die Stadt, während sie noch konnten. Viele glaubten aber nicht, dass da ein wirklicher Krieg kommen würde. Als viele ihre Fehleinschätzung realisierten, war es zu spät.

Mit jeder einzelnen Bombe schnitten die Russen erst den Strom ab, dann Wasser, Lebensmittellieferungen und zuguterletzt das Handynetz und die Funk- und Fernsehsender. Die wenigen Journalisten in der Stadt verließen diese, bevor die letzten Verbindungen weg waren und die Stadt komplett blockiert war.

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