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#Wofür der Westen kämpfen muss

„Wofür der Westen kämpfen muss“

Wladimir Putins ukrainischer Krieg entpuppt sich als Vernichtungsfeldzug. Die Brutalität seines Eroberungswillens stellt dabei eine westliche Grundannahme infrage: die Erzählung, dass der Westen jetzt die Ukraine schützt. Viel stimmiger klingt das Gegenteil: Die Ukraine schützt den Westen. Sie kämpft nicht nur für sich, sondern auch für alle Länder, die nach ihr dran wären: für Moldau, das Moskau schon als nächstes Ziel genannt hat; für die baltischen Staaten, deren russophone Minderheiten Putin vielleicht auch „befreien“ möchte. Für Polen und die früheren Satelliten Moskaus, welche die NATO im Stich lassen müsste, wenn sie Putins Abzugsforderungen folgen wollte; für Deutschland, das dann wieder Frontstaat wäre.

Für die Bundesregierung heißt das: Ein Panzer in der Ukraine schützt Deutschland besser als ein Panzer zu Hause. Wer einem Land hilft, das sich gegen Putins Imperialismus wehrt, hilft sich selbst. Im Kalten Krieg haben Deutschlands Verbündete das beherzigt. Sie haben Berlin geschützt, als Nikita Chruschtschow mit Atomwaffen drohte, weil sie wussten, dass sie am Checkpoint Charlie auch sich selbst verteidigten. John F. Kennedy sagte damals: „Alle freien Menschen, wo immer sie auch leben, sind Bürger von Berlin.“

Wenn aber der Westen in der Ukraine sich selbst verteidigt, hat das Folgen für die Definition seiner Ziele. Eine Folgerung ist: Ein Waffenstillstand alten Typs reicht nicht mehr. Die Minsker Abkommen von 2014 und 2015 hatten zwar Vorzüge. Solange sie galten, starben nicht mehr Dutzende von Menschen jeden Tag, sondern nur alle paar Tage einer. Aber Russland behielt die eroberte Krim, und vor allem flossen weiter Öl, Gas und Euros. Putin hielt Paraden, und der Westen finanzierte die Hyperschallwaffen, die jetzt die Ukraine angreifen. Der Mix von Minsk, Waffenruhe plus Geschäft schuf die Basis des Überfalls von 2022.

So einen falschen Waffenstillstand darf es nicht wieder geben. Wenn Putin als Lohn für kurzes Stillhalten seine neuen Eroberungen behalten darf und zugleich die Sanktionen loswird, wäre das für ihn ein Triumph. Er hätte die Landbrücke zur Krim geschaffen. Er gewönne Zeit und Geld, um den nächsten Krieg vorzubereiten. Vielleicht über die Ukraine hinaus. Deshalb muss der Westen jetzt mehr tun, als Putin nur dort zu stoppen, wo er steht, um dann zum „business as usual“ zurückzukehren. Der amerikanische Verteidigungsminister Lloyd Austin hat die Linie vorgegeben: Russland muss so eingehegt werden, dass es niemanden mehr überfallen kann. Militärische Eindämmung und Sanktionen müssen bleiben, solange das Regime bleibt, wie es ist.

Putin muss den Krieg genauso fürchten wie der Westen

So eine Strategie ist allerdings riskant. Putin könnte sie mit Eskalation beantworten, und sein Außenminister hat sich gerade wieder in nuklearen Andeutungen ergangen. Aber gerade Deutschland hat erfahren, dass Erpressern gegenüber Festigkeit hilft. In der Berlin-Krise der Sechzigerjahre ist der Westen standhaft geblieben, und als 28 Jahre später die Mauer fiel, hatte er sich ohne Krieg durchgesetzt.

Auch diesmal müssen die Verbündeten sich vielleicht über Jahre in Geduld üben. Putins Politik wird bleiben, solange er herrscht. Das kann noch dauern, denn die meisten russischen Herrscher der letzten hundert Jahre sind erst durch den Tod aus dem Amt geschieden. Kennedy sprach seinerzeit von einem „langen Kampf im Zwielicht, Jahr um Jahr“.

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Um diesen Kampf zu gewinnen und zugleich einen Atomkrieg zu vermeiden, werden die Verbündeten viel ertragen müssen: Inflation, vielleicht den Verlust von Arbeitsplätzen. Robert Habeck und Friedrich Merz haben darauf hingewiesen. Die Verbündeten werden auch lernen müssen, ihre Konflikte zu entschärfen. Mit Polen könnte das gehen, weil bei allem Zwist eine gemeinsame Sicht auf Russland da ist. Ungarn wird schwieriger.

Vor allem wird der Westen lernen müssen, mit nuklearer Erpressung zu leben. Putin spürt die Sorge der freien Gesellschaften vor der Bombe, und er nutzt sie. Zu der Antwort muss deshalb das Angebot kontrollierter Abrüstung gehören, aber eben auch eine neue Wehrhaftigkeit. Der jüngste Beschluss des Bundestags über Waffenlieferungen an die Ukraine kann da erst der Anfang sein, denn Putin wird erst dann aufhören, mit dem Atomkrieg zu drohen, wenn er ihn genauso fürchtet wie der Westen. Als Ergänzung zum Nuklearschirm Amerikas muss die Diskussion über eine europäische Abschreckung vorangetrieben werden.

Das Ziel ist nicht der Sieg über Russland. Das Ziel ist, Putins imperialen Mythen so lange zu widerstehen, wie sie in Moskau Staatsdoktrin sind. So lange muss der Westen die Ukraine stützen. Und so lange darf es mit Russland keine Geschäfte mehr geben. Dann erst kann neuer Friede kommen.

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