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#Yasmin Angoes Thriller „Echo der Gewalt“

Es ist leider nicht unüblich, die Qualität eines Romans am Inhalt zu messen. Das gilt erst recht für Krimis, die sofort in einer anderen Liga spielen, sobald man sie zur Milieustudie erklären kann. Land und Leute vermittelt durch Mord und Totschlag? Viele Leser, Rezensenten und Studienräte würden hier sagen, der Zweck heilige die Mittel. Das Stichwort lautet: Gesellschaftsrelevanz. Yasmin Angoe, Amerikanerin der ersten Generation aus Ghana, hat mit „Echo der Gewalt“ ein Thriller-Debüt vorgelegt, das man umstandslos diesem Erziehungsgenre zurechnen könnte, wobei diese bloße Einordnung, soviel sei gleich verraten, zu kurz greifen würde.

Nena Knight, die Protagonistin des Buchs, muss als Kind miterleben, wie bewaffnete Männer ihr Heimatdorf in Ghana überfallen. Der Anführer der Bande lässt sie an einen Baum binden und verlangt von ihren Brüdern, sie zu vergewaltigen. Fassungslosigkeit. Protest. Also werden sie ermordet. Daraufhin verliert Nenas Vater den Kopf, erst im übertragenen Sinn, dann tatsächlich. Auch die anderen Einwohner müssen sterben. Grenzenlose Exzesse, schierer Horror. Yasmin Angoe ist aber noch längst nicht fertig mit ihrer Heldin. Die nämlich wird verschleppt, in einem Lager gefangen gehalten und misshandelt, bevor man sie als Sklavin an einen reichen Psychopathen nach Paris verkauft. Dort geht ihr Leidensweg in die nächste und abermals bestialische Runde.

Die Eigenständigkeit des künstlerischen Ausdrucks

Natürlich liegt es nahe, die detaillierte Beschreibung so ausufernder Barbarei zu verurteilen. Genauso nahe liegt es allerdings, die Autorin dafür zu loben, dass sie das schmutzige Geschäft des Menschenhandels und die Unterdrückung afrikanischer Frauen aufgreift, dass sie eine körperlich und psychisch versehrte Ghanaerin zur Hauptfigur macht, dass sie eine Trigger-Warnung geschrieben hat und hervorhebt, sie habe sich ihrem Material mit „größter Sensibilität und mit Respekt“ gewidmet.

Yasmin Angoe: „Echo der Gewalt“. Thriller.


Yasmin Angoe: „Echo der Gewalt“. Thriller.
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Bild: Suhrkamp Verlag

„Bitte wenden Sie sich“, heißt es schließlich, „an eine der Beratungsdienste in Ihrer Nähe, wenn Sie Hilfe brauchen.“ Die Sache mit der Sensibilität wird man bezweifeln dürfen, denn Yasmin Angoe zieht es vor, ein Gemetzel Gemetzel sein zu lassen und in aller Ruhe auszubuchstabieren, welcher Körperteil wie perforiert wird.

Tatsächlich ist das aber kein Makel, denn „Echo der Gewalt“ überzeugt nicht wegen des Inhalts, sondern wegen der Form. Die Ausschweifungen sind nicht einfach nur überzogen, sondern auch überzogen geschildert, als wolle sich die Autorin der Eigenständigkeit des künstlerischen Ausdrucks vergewissern. Gewalt ist hier ein Stilkriterium, das so verdichtet jeden Realitätseffekt aushebelt und an eine Comicwelt denken lässt. Deswegen fühlt sich Yasmin Angoes Kollege S.A. Cosby bei der Lektüre an „John Wick“ erinnert. Wer plausible Einzelheiten von einer solchen erzählten Welt erwartet, der sollte das Buch erst gar nicht zur Hand nehmen.

Ein Rachefeldzug, den man sich nicht entgehen lassen sollte

Nenas Kindheit und Jugend wird aus der Ich-Perspektive und im Präsens erzählt, sodass der Leser die Welt durch ihre Augen sieht: „Ich bin eine Naturgewalt, ein wildes Tier, das nicht von seiner Beute ablässt.“ Was die erwachsene Frau erlebt, legt die Autorin dagegen in der dritten Person und der Vergangenheit dar. Auf diese Weise bleibt kein Zweifel an den gewissermaßen objektiv zur Schau gestellten Fähigkeiten der Protagonistin. Denn inzwischen arbeitet sie als Profikillerin für den Tribe, eine Geheimorganisation, die sich für die Entwicklung aller afrikanischen Länder einsetzt. Vorsitzender der Gruppe ist Nenas Ziehvater, ein sympathischer und zuweilen eiskalter Bursche.

Teil des comichaften Flairs verdankt sich dem Spiel mit verschiedenen Identitäten. Nena hieß in Afrika noch Ani­nyeh. Wenn sie für den Tribe Leute umbringt, heißt sie Echo. Diese Versionen derselben Frau kommen sich in die Quere, verschmelzen miteinander, ziehen sich an und stoßen sich ab: „Nena oder Echo, Echo oder Aninyeh. Sie hatte keine Ahnung, wer sie sein würde.“ Was sie jedoch ohne zu zögern äußern kann: „Wie soll ich das Selbstvertrauen erklären, dass es mir gibt, jemand davon abhalten zu können, mir wehzutun?“

Als sie in Miami einen Staatsanwalt töten soll, um einem frischen Mitglied des Tribe auszuhelfen, entscheidet sie sich dafür, den Befehl zu ignorieren. Der Neue im Geheimbund ist nämlich einer jener Männer, die ihr Heimatdorf zerstört und ihre Familie hingerichtet haben. Damit beginnt ein Rachefeldzug, den man sich nicht entgehen lassen sollte.

Yasmin Angoe: „Echo der Gewalt“. Thriller. Aus dem Englischen von Karin Diemerling. Herausgegeben von Thomas Wörtche. Suhrkamp Verlag, Berlin 2023. 424 S., br., 18,– €.

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