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#Zankapfel im Kleinformat

„Zankapfel im Kleinformat“

Wer von der Zukunft in die Vergangenheit gehen will, muss nur eine Straße überqueren. Nördlich des Arnulf-Klett-Platzes, der eigentlich ein vielspuriger Straßenschlauch ist, liegt Stuttgarts größte Baustelle. Das langgestreckte Empfangsgebäude des Hauptbahnhofes ist mit Bauzäunen verrammelt, dahinter füllt sich allmählich die größte und teuerste Baugrube der Stadt: Eine gewaltige Wanne, in der der Tiefbahnhof für Stuttgart 21 entsteht.

Bahnreisende müssen sie in einem riesigen Bogen umlaufen, um an ihre Gleise zu gelangen. Unterwegs versprechen großformatige Visualisierungen eine völlig neue Stadtmitte: Eine Plaza voller Lichtaugen, die den künftigen Untergrundbahnhof erhellen sollen, verspricht urbanes Flair. Wo heute Gleisbündel weit ausfächern, soll ein ganzes Stadtviertel entstehen.

Umstrittenes Projekt

Das gefällt nicht allen. Stuttgart 21 war und ist das umstrittenste Projekt der Bahn. Aber die Macht des Faktischen hat die Proteste ins Leere laufen lassen. Und so bleibt auf der anderen Straßenseite nur der nostalgische Blick in die Vergangenheit. Für manche aus der Anti-S-21-Bewegung ist ein ehemaliger Media-Markt tatsächlich eine Wallfahrtsstätte geworden. Dort hat der Bonatz-Bau, wie das Bahnhofsgebäude nach seinem Architekten genannt wird, noch seine Flügelbauten, dort überspannen noch acht Bahnsteigdächer die 16 Gleise, dort reihen sich auf den Bahnsteigen noch Gepäckwagen. Und neben dem Personenbahnhof breitet sich ein fast ebenso ausladendes Geflecht von Gleisen und Weichen aus: der Güterbahnhof.

All das Vergangenheit. Anzuschauen ist sie in den Miniaturwelten Stuttgart. Der Name signalisiert es schon: Angelehnt an den Trendsetter in der Hamburger Speicherstadt, das Miniatur Wunderland, das eine Modelleisenbahn-Ausstellung zu einem Touristenmagneten gemacht hat.

Tatsächlich hat Rainer Braun, der Besitzer der Stuttgarter Anlage, sich auch von Hamburg motivieren lassen, im Frühjahr die Ausstellung in Stuttgart zu öffnen. Und tatsächlich zielt die Anlage mit ihren bis zu 260 Loks, 1000 Zügen und 500 Häusern auf alle, die ihren Spaß an einer Modellwelt haben, Familien mit Kindern ebenso wie Modellbahner, die bewundern, was sich alles so bauen lässt, wenn man mal die Grenzen eines Kellerraumes sprengt.

Europas größtes Stadtmodell

Damit endet aber auch schon der Vergleich mit Hamburg. Die Stuttgarter Anlage ist – ernster. Da blinken nicht überall die Lichter, sucht man vergebens Gags, und auch die Züge haben nicht so viel Auslauf, sie fahren eher ein und aus in den Bahnhof.

Vor allem ist die Anlage nicht ein Potpourri von Landschaftsszenen oder einzelnen bekannten Bauwerken, sondern konzentriert sich auf den Bahnhof, sein weitverzweigtes Gleis-Vorfeld und die Straßenzüge drum herum. Und das in einer perfekten Detailtreue: Ob das jetzt Fensterrahmen sind, Grabsteine auf dem angrenzenden Friedhof, Dachformen selbst des kleinsten Schuppens und natürlich die Bahnanlagen selbst – alles exakt, nichts phantasiert. Auf 180 Qua­dratmetern steht hier Europas größtes Stadtmodell, im Maßstab 1:160: So sind vier Quadratkilometer in der Realität komprimiert.

Und ein komplettes Rätsel für Rainer Braun und sein Team. Das ist vielleicht der größte Unterschied zu Hamburg: Dort hat ein großes Team gezielt auf die Öffentlichkeit hin gebaut. Die Stuttgarter Anlage aber war nicht für die Öffentlichkeit bestimmt und entstand im Alleingang quasi in den Katakomben: in einem Zwischenstockwerk einer unterirdischen S-Bahn-Station. Dort, bei der Bahn, arbeitete Wolfgang Frey. Er hatte Einzelhandelskaufmann gelernt, ging dann zur Bahn, war Rangierer, Schaffner, schließlich Fahrdienstleiter in verschiedenen Stellwerken. Schon als etwa 18-Jähriger begann er, den Stuttgarter Bahnhof nachzubauen – und fasste bald den Plan, das gesamte Eisenbahnnetz der Stadt Stuttgart nachzubauen.

Die Stuttgarter Welt im Puppenstubenformat


Die Stuttgarter Welt im Puppenstubenformat
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Bild: Bernhard Bürkle

Was eindeutig in einer Wohnung nicht unterzubringen war. 1992 bekam Wolfgang Frey sein Untergrund-Reich, und sein Arbeitspensum nahm deutlich Fahrt auf. Nach dem Dienst im Stuttgarter Hauptstellwerk stieg er in die S-Bahn, fuhr eine Station weiter, öffnete dort eine Stahltür – um nach seiner Arbeit in seiner Freizeit ein genaues Abbild seiner Arbeitswelt zu schaffen.

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