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Zerplatzte Träume

Das Treppenhaus ist mit prächtigen Säulen und antiken Motiven verziert, die herrschaftlichen Räume schmücken bunte Fresken: In ihrem Verwaltungspalast residierten die Zuckerbarone vornehm, schließlich kam der Kaiser aus Wien gelegentlich vorbei. In Fiume – dem heutigen Rijeka – ließen die Habsburger an ihrem Adriahafen im 18. Jahrhundert eine der größten Zuckerraffinerien Europas errichten. Österreich wollte im Wettlauf um die Ausbeutung der Kolonialschätze aufholen.

Der Bau galt als größter barocker Firmensitz auf dem Kontinent. Seit Kurzem erstrahlt er dank EU-Geldern wieder im alten Glanz. 2020 war Rijeka Europas Kulturhauptstadt (ECOC). Der Zuckerpalast, der „Palača šećera“, sollte als Renommierprojekt für das in Vergessenheit geratene Rijeka werben, das sich als Stadt der Kultur neu erfinden wollte. Doch Corona machte alle Pläne zur Makulatur. Das Programm wurde um die Hälfte gekürzt, und die erhofften ausländischen Besucher blieben weg – der Kulturstadt-Traum war zerplatzt.

Ein verschenktes Jahr

„Tragisch und schmerzhaft“ waren die 16 Monate, sagt Rijekas Kulturdezernent Ivan Šarar. „Ein verschenktes Jahr.“ Derzeit befindet sich die Stadt an der Kvarner Bucht in Kroatien, die vor dem Ersten Weltkrieg zu den zehn größten Häfen Europas zählte, in einem tiefgreifenden Strukturwandel. Rijeka hat rekordverdächtig viele Flächen an verfallenen Industriebauten. Nach dem Auseinanderbrechen Jugoslawiens und der Wende in Osteuropa gingen in den 1990er-Jahren in Rijeka reihenweise große Fabriken und Werften bankrott, da plötzlich die Märkte fehlten. In wenigen Jahrzehnten verlor die Stadt ein Drittel ihrer Einwohner. Derzeit leben dort rund 120 000 Menschen. Als Kulturhauptstadt wollte man auch international das „Aschenputtel“-Image loswerden.

Aufstieg und Fall gehören in Rijeka eng zusammen. Die Stadt wurde jahrhundertelang ferngesteuert: Von 1465 an rund 450 Jahre von Österreich und Ungarn aus Wien und Budapest, dann von Mussolini aus Rom und nach dem Zweiten Weltkrieg aus dem kommunistischen Belgrad. Dazwischen war Fiume eine vom italienischen Dichter Gabriele D’Annunzio mit Freischärlern regierte präfaschistische Operettenrepublik. Und nach dessen Vertreibung war sie vier Jahre lang stolzer Freistaat.

Mehr oder weniger ­aufpoliert: Gründer­zeitfassaden in der Altstadt von Rijeka.


Mehr oder weniger ­aufpoliert: Gründer­zeitfassaden in der Altstadt von Rijeka.
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Bild: Plainpicture

Um an die guten Zeiten anzuknüpfen, sind über 40 Millionen Euro in die Umwandlung und Sanierung der alten Industriebrachen geflossen. Fast die Hälfte der Gelder stammt aus Brüssel. Prunkstück ist das neue „Kulturviertel“ rund um den „Palača šećera“ am Rande der Innenstadt. Dort ist ein feuerwehrrot gestrichenes Museum für zeitgenössische Kunst entstanden, und ein alter Backsteinbau wurde in ein „Haus für Kinder“ verwandelt, mit großer Bücherei und multimedialen Angeboten, um die man Rijeka beneiden kann. Die angrenzende neue Stadtbibliothek ist dagegen noch im Bau. Es geht beschaulich zu im „Kulturviertel“ – von Andrang keine Spur. Das schicke Café im Kinderhaus ist weiter geschlossen. Noch wirken die frisch sanierten Bauten wie Fremdkörper in der Stadt mit ihren bröckelnden Fassaden. „Monumentale neue Gebäude sind nicht alles“, gibt der Buchautor Miljenko Smokvina zu bedenken, der sich seit Jahrzehnten mit der Stadt und ihrem industriellen Erbe beschäftigt. Bei der begrenzten Zahl von Touristen müsse Rijeka jetzt eben seine Einwohner mit guten Ausstellungen und Kulturprogrammen begeistern.

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