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#Zu blöd, um den Planeten zu retten

Die Apokalypse hat es an sich, dass sie alles andere nebensächlich macht. Wenn die Welt untergeht, geht die Welt unter, und zwar richtig. In der dritten Folge der Serie „Extrapolations“ ist die Welt zwar gerade erst auf dem Weg in die Apokalypse, die Lage ist aber doch schon schlimm genug, dass ein epochaler Erfolg in einer anderen Angelegenheit gar nicht mehr ins Gewicht zu fallen scheint: Die Menschheit hat den Krebs besiegt, heißt es beiläufig, sie muss nun aber schleunigst die Gummistiefelproduktion hochfahren, denn das Wasser steht schon bis zu den Waden, bildlich aber bis zum Hals.

Dass es gegen die Krankheit, die gern als Menschheitsgeißel bezeichnet wird, bald ein Remedium geben könnte, ist ja tatsächlich nicht ganz unrealistisch, Lösungen könnten in der exponentiell beschleunigenden Wissenschaft quasi schon um die Ecke liegen. Die Klimaveränderung hingegen ist eine Gesamttatsache, die uns erst diese Woche wieder mit einer Metastudie in ihrer gesamten Vielschichtigkeit nahegebracht wurde. „Extrapolations“ kann man vor diesem Wechselbad von hochfliegenden Hoffnungen und düsteren Prognosen als einen Versuch sehen, erzählerisch ein bisschen Struktur in die Datenlage zu bringen.

2,3 Grad sind doch gar nicht so schlimm

„Hochrechnungen“ verteilt die von Scott Z. Burns konzipierte Serie über das ganze vor uns liegende 21. Jahrhundert. Jede der acht Folgen wagt sich ein wenig weiter in eine absehbare Zukunft vor, wobei es in den ersten drei Folgen jeweils um unterschiedliche Facetten des Hochzurechnenden geht. Der erste Faktor betrifft natürlich die Temperatur per se, den globalen Durchschnittswert, die berühmten 1,5 Grad, die wohl nicht mehr zu halten sind. Ein Großkapitalist schafft es in der ersten Folge von „Extrapola­tions“, den Menschen einzureden, dass 2,3 Grad doch gar nicht so schlimm sein müssten, solange man sich bei den daraus erwachsenden Problemen an eine digitale Assistenz namens Alpha wenden könne, die dann eben einen Urlaub in einem Feriencamp in der Arktis buche statt wie früher am Mittelmeer. In Folge 2 geht es um das Ausmaß des Artensterbens, in Folge 3 um den Anstieg des Meeresniveaus.

„Extrapolations“ ist eine anthologische Serie, die Folgen sind miteinander verwoben, stehen aber auch für sich und bilden dramatische Einheiten mit eigenen Spannungsbögen. Besonders deutlich wird das in der kunstvollen dritten Episode, die sich einen ehrgeizigen Kontext gesetzt hat. Eine junge Frau in Florida namens Alana, die sich auf ihre Bat Mitzwa vorbereitet, stellt im Jahr 2047 ein paar generationell naheliegende Fragen über das Verhältnis von menschlichem Beitrag und göttlichem Stillschweigen. Manche der „technologieoffenen“ Lösungen, von denen Politiker gern reden, wirken zwar so, als wollte man damit einem Deus ex Machina eine eher fantastische Zugriffsmöglichkeit einräumen, aber insgesamt ist natürlich doch deutlich, dass die Menschheit das selbst wird ausbaden müssen, was sie sich da gerade einbrockt. Und die Menschheit ist eben nicht ideal ausgestattet für diese Aufgabe: „We suck, don’t we?“, fasst Alana ihren eigenen Befund zusammen. Burns dreht diese Folge dann allerdings theologisch geschickt in eine Richtung, in der das Mandat des Handelns wieder realistisch erscheint, und zwar zugleich gattungsgroß heroisch mit kleinen Schritten.

Der latente Hang ins Erhabene

Der Klimawandel muss eben die ganze Zeit heruntergebrochen werden auf die Ebene des Individuellen, wo es doch keinen kollektiveren Prozess gibt. Der Gott von Moses und Abraham (und der Gott von Rabbi Zucker, einer der Hauptfiguren in „Extrapolations“) wird zu einem Horizont für ebenjene Vermittlungsschritte zwischen dem riesigen Ganzen und dem winzigen Einzelnen, das aber doch auch die ganze Zeit emissionsrelevant bleibt.

Winter is leaving: „Game of Thrones“-Star Kit Harington als Milliardär in der Serie „Extrapolations“


Winter is leaving: „Game of Thrones“-Star Kit Harington als Milliardär in der Serie „Extrapolations“
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Bild: Apple TV+

In der zweiten Folge wird der latente Hang ins Erhabene, den alle seriösen extrapolierenden Szenarien haben, auf eine Gattung projiziert, die an evolutionärer Ehrwürdigkeit wenig Konkurrenz hat: Eine Wissenschaftlerin spricht da mit einer Waldame. Wie es sich herausstellt, ist sie das letzte Buckelwalexemplar in den Weiten eines zunehmend unwirtlichen Ozeans. Burns macht sich immer wieder ein Vergnügen daraus, bemerkenswerte Errungenschaften auszustellen, die er für die Menschheit schon für die nächste Dekade oder bald darauf extrapoliert.

Dass wir bald ein automatisches Übersetzungsprogramm für die Walsprache haben könnten, aber trotzdem zu blöd sein dürften, den Planeten vor Überhitzung zu bewahren, das hat bei Burns mit jenem entfesselten Plattformkapitalismus zu tun, dem er seine Serie dann allerdings selbst unterjubeln musste. Auch das gehört zu den Bedingungen einer (wenn auch schleichenden) Apokalypse: Es gibt zu ihr kein Außerhalb.

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