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#Zukunftsforscher Horst Opaschowski und Matthias Horx über ein Leben ohne Reisen

Zukunftsforscher Horst Opaschowski und Matthias Horx über ein Leben ohne Reisen

Was passiert mit unserer Gesellschaft, wenn wir unseren geistigen Horizont auf Reisen nicht mehr erweitern können?

Horst Opaschowski Die ganze Menschheitsgeschichte ist eine Reisegeschichte, und Reisende kommen erfahren und bewandert zurück. Die Vielfalt der Fremde wahrzunehmen ist seit Jahrhunderten ein Grund des Reisens und trägt zur Persönlichkeitsbildung bei. Reisende lernen in der Ferne, die eigene Kultur, Religion und Weltanschauung zu relativieren und mit neuen Augen zu betrachten. So wachsen Rücksichtnahme und Respekt, ohne die Toleranz nicht gelebt werden kann. Ohne Reisen erfahren und erleben wir weniger. Weltläufigkeit und kosmopolitisches Denken über Grenzen hinweg gehen uns verloren. Allerdings: Nicht jeder Tourist ist ein Botschafter für Völkerverständigung und baut Vorurteile ab.

Matthias Horx Es gibt ja auch immer einen inneren Horizont. Die Fremde liegt auch in uns selbst, in inneren Bildern, in Träumen, in Sehnsüchten. Außerdem gibt es unglaublich gute Filme über andere Welten, andere Kulturen. Wenn unsere Reisemöglichkeit eine Weile eingeschränkt ist, heißt das nicht unbedingt, dass wir uns verengen. Vielleicht ist es auch mal ganz gut, eine Pause zu machen, einen Reset.

Welche Folgen hat fehlender interkultureller Austausch auf globale Solidarität, internationale Konflikte und Nationalismus, wenn wir unseren Urlaub weitgehend in der Heimat verbringen?

Horx Das muss nicht so sein, dass wir uns voneinander entfremden. Wir sind in Europa auch mit tiefen Wurzeln miteinander verbunden. Menschen reisen auch in der Pandemie, interkulturell, oft aus familiären Gründen. Zwar weniger, aber dafür auch intensiver.

Opaschowski Heimaturlaub an sich fördert keine Neigungen zum Nationalismus, sondern kann ein Ruhepol für Stabilität, Geborgenheit und Sicherheit sein. Aber eine immobile Gesellschaft ist und wird unberechenbar, weil sie sich zwischen Stillstand und Ausnahmezustand bewegt. Sie kann politisch stockkonservativ und wenig innovativ und zukunftshungrig werden. Frust, Langeweile, Depressionen und Aggressionen können Folgen sein. Denn wo bleibt dann das Ventil zum Dampfablassen? Empathie und Hilfsbereitschaft zwischen Nationen können auf der Strecke bleiben. Wenn es keinen persönlichen interkulturellen Austausch auf Reisen mehr gibt, gehen soziale Sensibilitäten bei der Lösung von Konflikten verloren. Der Umgangston wird rauher und das Verhalten aggressiver.

Können wir unseren Wohlstand noch schätzen und Probleme in armen Ländern verstehen, wenn wir selbst nie erlebt haben, dass nicht überall auf der Welt sauberes Trinkwasser aus dem Hahn kommt?

Horx Das ist eine sehr moralisch zugespitzte Frage, und solche Fragen haben nie richtige Antworten. Viele Menschen sind ja früher auch gereist, ohne sich allzu sehr um das Trinkwasser im Zielland Sorgen zu machen – Hauptsache, es gab genug im Hotel. Ich kann mir vorstellen, dass wir nach der Pandemie doch etwas weniger und aber auch achtsamer reisen werden. Es wird eine massive Zunahme von Öko- und „Engagement“ Tourismus geben.

Vielleicht ist es auch mal ganz gut, eine Pause vom Reise zu machen: Kreuzfahrtschiff in Bremen.


Vielleicht ist es auch mal ganz gut, eine Pause vom Reise zu machen: Kreuzfahrtschiff in Bremen.
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Bild: Picture-Alliance

Opaschowski Urlauber wollen Armut nicht sehen und erleben. Die meisten Auslandsreisenden suchten die Fremde nur als exotische Szenerie: eine leicht bekleidete Frau in der Hängematte, ein schöner Mann beugt sich über sie, die Sonne lacht, die Palmen wehen im Wind, der Strand ist da. Aber nur ganz im Hintergrund sind die Einheimischen – als Kulisse. Die sollen bitte schön nicht zu nahe kommen. Das Eintauchen in deren Alltagsleben findet kaum oder gar nicht statt. In der Umweltbewegung wird zwar immer betont, man soll das Regionale, das Authentische erfahren. Aber auch viele Einheimische wollen das nicht.

Jungen Menschen bleiben Schüleraustausch, Auslandssemester und Arbeitserfahrungen im Ausland vorerst verwehrt. Sehen Sie darin ein Problem?

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