Nachrichten

#Zum Erfolg verdammt

Inhaltsverzeichnis

Zum Erfolg verdammt

Ein denkbar repräsentativer und musikalisch starker Auftakt für das Rheingau Musik Festival, das nun bis zum 5. September 190 Konzerte an achtzehn Spielorten im Rheingau und den angrenzenden Regionen bietet: Der traditionell vom hr-Sinfonieorchester in der Basilika von Kloster Eberbach bestrittene Eröffnungsabend war diesmal zugleich das jährliche Benefizkonzert des Bundespräsidenten, sodass die sechshundert Plätze der im zweifachen Schachbrettmuster etwa zur Hälfte belegten romanischen Basilika in Anwesenheit von Frank-Walter Steinmeier zu einem guten Teil mit Ehrengästen aus Politik und Wirtschaft gefüllt waren.

Zu den mit allerlei Formalitäten verbundenen Hygienemaßnahmen kamen so noch besondere Sicherheitsvorkehrungen mit Taschenkontrollen und Polizisten, die verschiedene Einlassarmbändchen in Augenschein nahmen. Die in Schlangen wartenden und später in geordneten Gruppen artig abtretenden Besucher waren auf all das offenbar gefasst und hatten viel Zeit eingeplant für das mit Ansprachen, aber ohne Riesling-Pause, zweistündige Konzert – zumal viele auf dem Hinweg noch die seit Kurzem voll gesperrte Salzbachtalbrücke der Autobahn 66 umfahren mussten.

Knapp 100.000 Karten verkauft

Dass Konzertgänger bereit sind, all das auf sich zu nehmen, und dass schon jetzt von insgesamt 120.000 Festivalkarten nur noch 25.000 zum Verkauf stehen, zeugt vom großen Musikhunger nach der langen Verzichtsphase und der kompletten Absage des Rheingau Musik Festivals im vergangenen Sommer. Dank der Hilfe aus dem Festival-Rettungsfonds des Landes Hessen in Höhe von einer halben Million Euro, und da viele Kartenkäufer auf die Ticketrückerstattung verzichteten, hat das seit 1987 bestehende und weiterhin vom Gründerintendanten Michael Herrmann geführte Festival die bislang schwerste Krise mit einer zusätzlichen Kreditaufnahme leidlich überstanden. Denn finanziert wird der weiterhin konstant bei etwa acht Millionen Euro liegende Gesamtetat auch dieses Jahr etwa zu gleichen Teilen durch Sponsorengelder und den Kartenverkauf, ergänzt nur durch einen minimalen Landeszuschuss.

Das Festival ist somit zum Erfolg verdammt, was sich in populären Programmen mit beliebten Standardwerken niederschlägt. Eine Idee wie Strandkorbkonzerte mit Jazz- und Popstars im Wiesbadener Fußballstation trägt dazu bei, aber auch der aufsehenerregende Neubau eines mobilen, pandemiegerecht und akustisch hochwertig ausgelegten Kammermusiksaals auf Schloss Johannisberg, der unter normalen Bedingungen 1100 Plätze bietet. Dieser anteilig aus dem Programm „Neustart Kultur“ geförderte Fürst von Metternich Konzert-Kubus kann zerlegt und innerhalb von vier Wochen andernorts wieder aufgebaut werden. Zugleich hat das für seine gute Organisation bekannte Festival keine Kosten und Mühen gescheut, um an zehn verschiedenen Orten in der Rhein-Main-Region kooperierende Corona-Teststationen einzurichten, in denen Festivalbesucher bevorzugt getestet und die Ergebnisse digital mit der Eintrittskarte verknüpft werden können.

Atmosphärisch verströmte der Eröffnungsabend jedenfalls, all der Einschränkungen zum Trotz, samt Aufzeichnung durch den Hessischen Rundfunk, etwas von dem Glamour und gehobenen Gemeinschaftsgefühl, den es für den auch von Steinmeier als so wichtig beschworenen „Neustart Kultur“ braucht. Der Oper Frankfurt und den hessischen Staatstheatern in Darmstadt und Wiesbaden war ein ähnlicher Effekt zwei Wochen zuvor noch nicht vergönnt, als sie den Spielbetrieb kurz vor Saisonschluss wieder aufnahmen und die Säle noch gespenstisch leer bleiben mussten.

Das hr-Sinfonieorchester, das während des Lockdowns im Frankfurter Sendesaal im Unterschied zu den Bühnenorchestern die ganze Zeit auf hohem Niveau Programme proben und streamen konnte, war nun der beste Garant für ein musikalisch packendes Erlebnis von großorchestraler Wirkung. Die verkleinerte Streicherbesetzung entfaltete dazu im starken Hall der Basilika einen satten, den Bläsern ebenbürtigen Vollklang.

Für den kolumbianisch-österreichischen Chefdirigenten Andrés Orozco-Estrada, der zur nächsten Saison in gleicher Funktion zu den Wiener Symphonikern wechselt, war das ein Ausstand nach Maß, nachdem er sein offizielles Abschiedskonzert schon einige Tage zuvor in der Alten Oper gegeben hatte. Er hat die sieben Jahre in Frankfurt für sich genutzt, um sein Standardrepertoire weiter aufzubauen – Beethoven-Sinfonien-Zyklus inklusive. Überdies hat er als charmanter Plauderer bei neuen Formaten zur Konzerteinführung sowie früheren Massenveranstaltungen wie dem Open-Air-Konzert am Main durchaus verdienstvoll breite Publikumsschichten hinzugewonnen.

Im Cuvéehof von Schloss Johannisberg ist der Konzertkubus entstanden (unser Bild zeigt die Aufbauarbeiten).


Im Cuvéehof von Schloss Johannisberg ist der Konzertkubus entstanden (unser Bild zeigt die Aufbauarbeiten).
:


Bild: Samira Schulz

Das musikalische Niveau hat Orozco-Estrada dabei stets hoch gehalten. Das zeigte sich so auch, als er mit dem hervorragenden Solisten Augustin Hadelich das Violinkonzert d-Moll op. 47 von Jean Sibelius wie eine durchgängige große Erzählung wirken ließ. Das ging maßgeblich von Hadelich aus, der gleich eingangs mit der einsamen Melodie in die Tiefe führte und mit mitreißenden Steigerungen alle virtuosen Passagen und Leidenschaften von da an stimmig herleitete. Seine klangmächtige Guarneri tönte dazu in den tiefen Lagen raumfüllend sonor.

Mendelssohns Sinfonie Nr. 5 d-Moll op. 107, die „Reformationssinfonie“, fügte sich als Hommage an den Reformator und Augustinermönch Martin Luther trefflich in die Basilika der ehemaligen Zisterzienserabtei: hell, klar und schlicht, mit gekonnten Übergängen, aber auch energisch und scharf akzentuiert, in der Polyphonie und dem Choral „Ein feste Burg ist unser Gott“, die Kraft der Tradition beschwörend. Hoffentlich kann sie dem Festival wie der klassischen Kulturszene insgesamt helfen.

Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, vergessen Sie nicht, ihn mit Ihren Freunden zu teilen. Folgen Sie uns auch in Google News, klicken Sie auf den Stern und wählen Sie uns aus Ihren Favoriten aus.

Wenn Sie an Foren interessiert sind, können Sie Forum.BuradaBiliyorum.Com besuchen.

Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Nachrichten kategorie besuchen.

Quelle

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Schließen

Please allow ads on our site

Please consider supporting us by disabling your ad blocker!