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#Zuspitzung vor der Wahl: Die religiöse Spaltung Amerikas

Zuspitzung vor der Wahl: Die religiöse Spaltung Amerikas

Im TV-Fernduell mit Donald Trump wurde der demokratische Präsidentschaftsbewerber Joe Biden gefragt, was man aus einer Niederlage seiner Partei abzuleiten hätte. „Es könnte bedeuten, dass ich ein lausiger Kandidat bin“, antwortete Biden. Das zumindest sei seine Hoffnung. Denn die andere Erklärung laute, dass Amerika „rassisch, ethnisch und religiös so gespalten“ sei, wie Trump sich das scheinbar wünsche.

Reinhard Bingener

Reinhard Bingener

Politischer Korrespondent für Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Bremen mit Sitz in Hannover.

Wenige Stunden zuvor hatte am Donnerstag das Pew Research Center Erkenntnisse vorgelegt, die auf eine scharfe, religiös unterlegte Polarisierung deuten. Bei der Wahl 2016 hatte sich dies bereits angedeutet: Die Demokraten errangen damals in sämtlichen weltanschaulichen Gruppen von Atheisten bis hin zu schwarzen Protestanten eine Mehrheit. Die einzige, gewichtige Ausnahme waren Christen mit weißer Hautfarbe. Insbesondere bei weißen Evangelikalen, die mit leicht steigender Tendenz rund die Hälfte der weißen Christen ausmachen, führen die Republikaner nach aktuellen Daten weiter mit enormem Abstand: 78 Prozent dieser Gruppe wollen für Trump stimmen. Pew-Forscher Gregory Smith findet es bemerkenswert, dass die weißen Evangelikalen generell sogar „noch stärker republikanisch“ werden. Die Zustimmung für die Konservativen sei von 1994 bis heute um 17 Prozentpunkte auf 78 Prozent gestiegen. Bei den gemäßigten weißen Mainline-Protestanten und den weißen Katholiken ist der Vorsprung der Republikaner mit 53 und 52 Prozent knapper.

Nichtgläubige stimmen vermehrt für die Demokraten

Das Pew Research Center hat in seinen großangelegten „Religious Landscape Studies“ auch die langfristigen, weltanschaulichen Verschiebungen nachgezeichnet, mit deren Hilfe man solche Daten einordnen kann. Die Vereinigten Staaten sind demnach weiter ein vergleichsweise religiöses Land, doch verliert das Christentum inzwischen jährlich rund ein Prozent der Bevölkerung. Unter den Jüngeren ist die Dynamik noch ausgeprägter. Der Anteil der Christen sank so zwischen 2007 und 2019 von 78 auf 65 Prozent. Die „Religious Nones“, also Atheisten, Agnostiker und Unbestimmte legten in diesem Zeitraum annähernd in gleichem Umfang zu und machen nun ein Viertel der Bevölkerung aus. Dieser grundlegende Trend spielt den Demokraten in die Hände, für die rund zwei Drittel der „Nones“ stimmen.

Die Online-Flatrate: F+


Eine bemerkenswerte Einsicht ist, dass die weißen Christen sich unter Trump, während das Christentum in der Gesellschaft allmählich an Boden verliert, politisch auf der Siegerstraße fühlen. Besonders ausgeprägt ist dies abermals unter den weißen Evangelikalen. Vor Trump Amtsantritt sah sich diese Gruppe als Verlierer eines Kulturkampfs. Unter Trump stieg die Zuversicht, dass die eigene Seite sich durchsetzt, von 23 Prozent auf zuletzt 63 Prozent. Der Präsident hat also „geliefert“. Weiße Christen sehen Trump in Kontrast zu anderen Gruppen auch als Person positiv: Er gilt als „intelligent“ (73 Prozent), „ehrlich“ (57 Prozent) und „moralisch aufrichtig“ (51 Prozent.)

Mehr eine ethnische Spaltung?

Die evangelikalen Christen sind zudem die einzige Gruppe, die mehrheitlich ein politisches Engagement der Kirchen befürwortet. Diese Daten könnten auch für andere Gesellschaften wie Deutschland interessant sein, wo sich gerade evangelikale Strömungen vehement gegen eine „Politisierung“ der Kirchen wenden. Zu diskutieren wäre, inwieweit dies tatsächlich den Verzicht auf ein starkes politisches Mandat der eigenen Religion bedeutet oder ob nicht eher ausschlaggebend ist, dass man sich anders als in Amerika in einer ausgeprägten Minderheitssituation befindet.

In Amerika lautet angesichts der Datenlage die offene Frage eher, inwiefern man überhaupt von einer religiösen Spaltung sprechen kann oder nicht zutreffender von ethnischen Gräben sprechen müsste. Der Religionssoziologe Philip Gorski argumentierte jüngst, dass es bei der religiösen Rechten weniger um Religion geht, als man oft den Eindruck hat, sondern eher um „weißen Rassismus“, den der Yale-Professor als „verborgenes Hockerbein“ bezeichnet. Pew-Forscher Gregory Smith verweist auch auf die These von Michelle Margolis. Die Politikwissenschaftlerin hinterfragt die Grundannahme, dass religiöse Überzeugungen politische Präferenzen formen und vertritt die These, dass die religiöse Polarisierung umgekehrt eher die Folge der politischen Polarisierung ist. Dies könnte die republikanische Verfestigung der weißen Christen erklären. Und es deutete darauf hin, dass das amerikanische Christentum womöglich einen hohen Preis für die Links-Rechts-Polarisierung bezahlt, denn eine politisch-liberale Ausrichtung jüngerer, weißer Amerikaner verkoppelt sich fast zunehmend mit einer Identität als „Religious None“.

Kirchgänger Biden könnte punkten

Die weltanschauliche Homogenisierung des eigenen Lagers stößt bei den Demokraten allerdings an Grenzen. Während die Republikaner immer stärker eine Partei der weißen Christen werden, sieht Pew-Forscher Smith die Demokraten religiös tief gespalten. Auf der einen Seite gibt es die wachsende Anhängerschaft der „Religious Nones“, die mehrheitlich weiß sind. Die Partei hängt aber auch von den Afroamerikanern und den Latinos ab, die häufig religiös sind. Bei den Vorwahlen der Demokraten favorisierten die „Nones“ die unterlegenen und linksstehenden Kandidaten Bernie Sanders und Elizabeth Warren, während bei den christlich orientierten Demokraten Biden führte.

Biden selbst ist Katholik. Allein daraus einen großen Vorteil der Demokraten in der katholischen Wählerschaft abzuleiten, geht nach Einschätzung der Pew-Forscher aber zu weit, denn die katholischen Christen in Amerika seien politisch ebenso gespalten wie es die Demokraten religiös sind. Offen ist, ob Biden als regelmäßiger Kirchgänger von einer anderen Entwicklung profitiert: Die jüngsten Daten des Pew Research Center deuten darauf, dass Trump zuletzt sogar in seiner weißen, christlichen Kernwählerschaft signifikant an Zustimmung verloren hat.

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