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#Zwei Nationen, im Jodeln vereint

Zwei Nationen, im Jodeln vereint

Das Ganze begann als halber Scherz“, amüsiert sich Sébastien Troester im Telefongespräch. Der Verlagsverantwortliche des Palazzetto Bru Zane, des in Venedig beheimateten Zentrums für Musik der französischen Romantik, war von einem Kollegen geneckt worden, er befasse sich bloß immer mit obskuren Komponisten und Werken – warum aber nicht zum Beispiel mit Jacques Offenbach und einem Publikumsmagneten wie „La vie parisienne“? „Ich nahm ihn beim Wort“, fährt Troester fort, „und begab mich auf eine zweijährige Schatzsuche.“

Der Tauchgang in kaum kartografierte Archive – namentlich in abyssale Regionen von Frankreichs Nationalbibliothek – förderte im Schlamm der Geschichte versunkene Preziosen zutage: Die handschriftlichen Einzelstimmen der Uraufführung des „Pariser Lebens“ am 31. Oktober 1866, die wie ein Palimpsest Spuren der frühesten Werkfassung tragen; für die vier ersten Akte die Partitur des Konzertmeisters (der seinerzeit die Aufführungen leitete), in der sich sämtliche Gesangslinien mitsamt Text sowie eine Synthese des Orchesterparts finden; dazu Manuskripte einzelner Nummern und Passagen aus der Probezeit.

Zusammen mit der in New York bewahrten Orchesterpartitur aus der Hand des Komponisten erlauben diese Funde eine Rekonstruktion des Werks, wie es Offenbach und seine Librettisten imaginiert und weitestgehend ausgearbeitet hatten, aber nie zu hören und zu sehen bekamen. Denn schon während der Proben am Pariser Théâtre du Palais-Royal – damals wie heute ein Sprechtheater, keine Musikbühne – war es im September und Oktober 1866 wohl wegen der gesanglichen Überforderung gewisser Mitwirkender zu drastischen Eingriffen gekommen. 1867 dampfte der Komponist das Werk dann von fünf Akten auf deren vier ein, 1873 überarbeitete er es abermals.

Im Aufzug: Szene aus der Offenbach-Aufführung.


Im Aufzug: Szene aus der Offenbach-Aufführung.
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Bild: Vincent Pontet

Was jetzt am 7. November im Théâtre des Arts von Rouen vorgestellt wurde, ist die Urfassung, welche die Equipe des Palazzetto Bru Zane als „Idealfassung“ zu bezeichnen versucht ist. „Was, wenn diese beiden nie gespielten Akte [die Aufzüge vier und fünf] die besten in dieser Folge ständig überarbeiteter Seiten wären?“, fragen Troester und drei seiner Kolleginnen und Kollegen im Vorwort ihrer Neuausgabe. Was, wenn diese Version nicht nur in Bezug auf den Entstehungsprozess des Werks ideal wäre, sondern auch hinsichtlich der Bühnenwirksamkeit – ja schlicht der künstlerischen Güte?

„Sauerkraut mit Schink und Wurst / Gibt mir immer, immer Durst“

Die Verluste im Vergleich zur landauf, landab gespielten Fassung von 1873 sind verschmerzbar. Hier und da geht ein hinzugefügtes Instrumentaldetail verloren, ein Kornett-Geläut etwa; auch fehlen ein Einleitungschörchen und eine nachkomponierte, fünfundsiebzig Sekunden kurze Arie. Demgegenüber gewinnt man: erweiterte Versionen bekannter Stücke (sogar so berühmter wie des Moto-perpetuo-Rondeaus „Je suis Brésilien, j’ai de l’or“, einer zündenden Dauerplapper-Arie); komplette Alternativfassungen (etwa des Trioletts „Ce que c’est pourtant que la vie“, dessen Neuvertonung Offenbach indes abwechslungsreicher geriet); völlig unbekannte Nummern (darunter die Arie „C’est ainsi, moi, que je voudrais mourir“, die Musikwissenschaftler wie die Blaue Mauritius gesucht hatten, seit eine separate Ausgabe durch Offenbachs Verleger angekündigt, aber nie veröffentlicht worden war); substanziell neue Finale (des zweiten und dritten Akts) und sogar einen fast in Gänze neuen Aufzug: den kurz vor der Uraufführung dann von Grund auf überarbeiteten vierten!

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