Nachrichten

#Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Ausgangssperren

Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Ausgangssperren

Wird das Bundesverfassungsgericht die Bundes-Notbremse ausbremsen?

Papier: Ich begrüße es, ungeachtet inhaltlicher Kritik, grundsätzlich, dass der Bundesgesetzgeber, also das Parlament, diese wichtigen Fragen endlich selbst regelt. Jetzt ist tatsächlich auch das Bundesverfassungsgericht direkt gefragt; es hat bei förmlichen Gesetzen das Verwerfungsmonopol.

Wird es verwerfen?

Papier: Ich will mich mit Prognosen zurückhalten, aber ich halte eine einstweilige Anordnung in Bezug auf bestimmte Maßnahmen durchaus für denkbar. Am problematischsten sind in diesem Zusammenhang sicher die Ausgangsperren. In den jetzt zur Entscheidung anstehenden Eilverfahren geht es nur um eine Folgenabwägung, nicht um eine endgültige Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes.

Lorz: Sie waren daher auch zu Recht das umstrittenste Element des Pakets. Das ist der größte Grundrechtseingriff, wobei ja nicht geklärt ist, was er überhaupt bewirkt.

Aber deshalb greift die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers.

Papier: Ja, dieser Spielraum ist weit, weiter als bei der Exekutive. Gleichwohl stellt sich natürlich die Frage, ob die Maßnahmen unter Beachtung des gesetzgeberischen Beurteilungsspielraums noch als geeignet, erforderlich und angemessen zu beurteilen sind. Problematisch ist auch der Inzidenzwert als alleiniger Maßstab für die Grundrechtseingriffe.

Hans-Jürgen Papier, Bundesverfassungsgerichtspräsident bis 2010


Hans-Jürgen Papier, Bundesverfassungsgerichtspräsident bis 2010
:


Bild: dpa

Hessischer Kultusminister Alexander Lorz (CDU)


Hessischer Kultusminister Alexander Lorz (CDU)
:


Bild: dpa

Ist es nicht nur deshalb so weit gekommen, weil die Länder versagt haben?

Lorz: Letztlich haben sich alle aufgrund des Infektionsgeschehens für diese Regelung durch den Bund entschieden: Aber alles hat auch seinen Preis. Die Länder müssen nun mit diesem bundesweiten Automatismus leben.

Papier: Allerdings sehe ich hier keinen Angriff auf den Föderalismus. Der Bund ist für die Infektionsschutzgesetzgebung zuständig, egal wie dicht seine Regelungen ausfallen.

Wie steht es mit dem Recht auf Bildung der Schüler, die seit über einem Jahr keine Schule mehr von innen gesehen haben?

Lorz: Ja, dieses Recht gibt es. Wir haben uns als Kultusminister bemüht, so viel Präsenzunterricht wie möglich zu gewährleisten. Aber leider hat uns die Infektionslage immer wieder einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Papier: Das Recht auf Bildung ist ein völkerrechtlich anerkanntes Menschenrecht.

Warum hat man dann nicht mehr mit Belüftung, Filtern, Tests gearbeitet und vielerorts keinen adäquaten digitalen Unterricht angeboten?

Papier: Ich sehe hier auch ein Problem: Die Schüler wurden von den Schulen weitgehend ferngehalten, obwohl Wirtschaft und Arbeit mehr oder weniger uneingeschränkt weiterliefen. Von umfassenden Abwägungen war nicht viel zu erkennen. Der jetzt für die Schulschließungen maßgebliche Inzidenzwert von 165 grenzt an Willkür.

Lorz: Wir bringen alles zum Einsatz, was gegenwärtig möglich ist und zur Verfügung steht. In der Digitalisierung wären wir selbstverständlich alle gerne noch viel weiter. Aber leider vermag auch keine der Hygienemaßnahmen, einschließlich der neuen Teststrategie, eine absolute Sicherheit vor Ansteckungen zu gewähren.

F+Newsletter – das Beste der Woche auf FAZ.NET

Samstags um 9.00 Uhr

ANMELDEN


Bis Ende Mai soll entschieden werden, inwiefern Geimpfte Ihre Grundrechte wieder wahrnehmen können. Aber diese Rechte müssten doch eigentlich von selbst wieder „aufleben“, wenn die Voraussetzungen ihrer Beschränkung entfallen ist. Warum sollen Kinos nicht öffnen können, sobald sich dort nachweisbar niemand mehr anstecken kann?

Papier: Man muss die staatlichen Anordnungen und die privaten Geschäftsbeziehungen auseinanderhalten. Die staatlichen Verbote müssen entfallen, wenn sie für den Infektionsschutz nicht mehr erforderlich sind. Ein Geschäftsmann darf entscheiden, wen er aufgrund welcher Voraussetzungen in seinen Laden lässt. Die Politik lässt sich viel Zeit, die Rechte der geimpften Personen zu regeln. Und es kann nicht sein, wie jüngst in der F.A.Z. berichtet, dass alte Menschen, die vollständig geimpft sind, in Pflegeheimen weiterhin isoliert werden. Der Zweck all der Regelungen ist schließlich, Ansteckungen zu verhindern.

Muss nicht auch der Befund Konsequenzen haben, dass man sich im Freien kaum anstecken kann, sofern Abstände eingehalten werden?

Lorz: Auf jeden Fall. Wir werden uns noch lange an Abstand und Maske gewöhnen müssen, da man generell nicht weiß, ob der Nächste ansteckend ist. Aber es muss geöffnet werden, wo man das Risiko ausschließen kann. Zum Impfen: Wenn alles unmittelbar durch den Gesetzgeber geregelt werden soll, dauert es notgedrungen länger. Wir sollten pragmatisch vorgehen, nicht mit zu starren Regeln. In anderen Ländern, die nun beim Impfen als Vorbild gelten, gibt es beispielsweise keine in Stein gemeißelten Priorisierungsregeln.

Papier: Das schließt sich allerdings nicht aus. Wir sollten uns jedenfalls klarmachen, dass es bei der Impfpriorisierung um die Zuteilung von Lebens- und Entfaltungschancen geht. Es geht im Extremfall um alles. Also wenn eine zwingende Reihenfolge beim Impfen festgelegt wird, dann sollte dies grundsätzlich der Gesetzgeber tun.

Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, vergessen Sie nicht, ihn mit Ihren Freunden zu teilen. Folgen Sie uns auch in Google News, klicken Sie auf den Stern und wählen Sie uns aus Ihren Favoriten aus.

Wenn Sie an Foren interessiert sind, können Sie Forum.BuradaBiliyorum.Com besuchen.

Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Nachrichten kategorie besuchen.

Quelle

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Schließen

Please allow ads on our site

Please consider supporting us by disabling your ad blocker!