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#Zwischen Bauchtanz und Grunge

Zwischen Bauchtanz und Grunge

„Das ist Yasmine, und sie wird einmal sehr berühmt sein“, lässt Jim Jarmusch Tilda Swinton im humorig-existenziellen Vampirdrama „Only Lovers Left Alive“ nach einer zufälligen Begegnung mit der Sängerin Yasmine Hamdan in einer Hinterhofbar in der rauchig düsteren Kasbah von Tanger schwärmen. Recht hat sie, hat auch er behalten. Yasmine Hamdan mag ihren Durchbruch als Performerin und Sängerin gehabt haben, als der Meisterregisseur, der auch für seine exquisite Filmmusik bekannt ist (von „Down By Law“ über „Coffee and Cigarettes“ und „Broken Flowers“ bis jüngst zu „The Dead Don’t Die“) sie 2013 einlud, ein Stück zu diesem Film beizusteuern. Liebhabern von elektronischer Underground-Musik war Yasmine Hamdan als Teil des Duos der ersten arabischsprachigen Indie-Underground-Band Soapkills da allerdings schon längst bekannt.

Wenn es so etwas wie eine arabische Diaspora gäbe, wäre Yasmine Hamdan vermutlich ihre musikalische Ikone. 1976 im Libanon geboren, kurz darauf wegen des Bürgerkriegs mit ihren Eltern ausgewandert, sammelte sie auf all ihren Zwischenstationen in Abu Dhabi, Griechenland, Kuwait und Frankreich, wo sie heute lebt, musikalische Einflüsse von Folklore bis zu experimenteller Musik, singt aber fast durchgehend auf Arabisch mit dieser ihrer so charakteristischen tiefen, voluminösen, mitunter gekonnt gesetzt brüchigen Stimme.

Wie Umm Kulthum, Fairuz oder Mohammed Abdel Wahab besingt auch Yasmine Hamdan die Liebe, vor allem aber die Trauer um das Verlorengegangene. Anders aber als bei ihren Vorbildern gibt es in Hamdans Liedern kein Heimatland, keinen Ort der nostalgischen Rückkehr. Hamdans nostalgische Kraft konzentriert sich stattdessen auf die Sprache, nonchalant wechselt sie zwischen Fusha, dem Hocharabischen, und arabischen Dialekten wie dem Palästinensischen, dem Libanesischen, dem Ägyptischen und sogar dem beduinischen Arabisch und entfaltet dabei ein ganzes Prisma der Schönheit dieser Sprache, mit deren poetischer Tradition sie sich in ihren Liedern auseinandersetzt.

Traumversunken trippig

Ihr Album „Al Jamilat“ von 2017, also einige Jahre nach dem von Jim Jarmusch so eifrig angekündigten Durchbruch, ist nach einem Gedicht des palästinensischen Lyrikers Mahmoud Darwish benannt. Im gleichnamigen Song vertont sie die titelgebenden „Schönen“ Darwishs, die „Lehrerinnen einer beängstigenden Offenbarung“. Yasmine Hamdan vermischt mit einer selbstbewusst spielerischen Energie diese Anrufung der großen Linien arabischer Poesie und Musik mit der subkulturellen Intensität des Slang, vermengt traditionelle Instrumente wie die Ud (oder Oud) mit denen des globalen Pop, vor allem der Elektrogitarre und dem Synthesizer. So dass am Ende etwas rauskommt, das sich vertraut anfühlt und gleichzeitig nie da gewesen. Ein bisschen erinnert sie mit dieser eigentümlichen Mixtur an die ägyptische Sängerin Youssra El-Hawary, die ebenfalls im Golfstaat Kuwait aufwuchs und die in ihren Liedern ägyptische Straßenszenen humorig mit dem Akkordeon besingt.

So beginnt auch „Hal“, das Lied, dem Adam und Eve, die beiden Vampire aus „Only Lovers Left Alive“ blutrünstig durch die alten Mauern Tangers streifend zufällig begegnen, mit einer langsam wogenden Sequenz traditioneller Klänge, zu denen die Sängerin, die einen Gastauftritt im Film hat, in seltsam eklektizistischem Outfit irgendwo zwischen Bauchtanz- und Grunge-Look mitsamt eines aufgeklebten Bindi zwischen den Augenbrauen, traumversunken trippig tanzt.

Klappern gegen böse Geister

Nach den ersten Minuten wechselt das Tempo, elektronische Beats und die dunkle Melodie vermischen sich unter Hamdans aufbrandenen Gesang zu einem Anti-Liebessong. Zum metallisch harten Takt traditioneller Qarqabas, maghrebinischer Handgriffklappern, die der Überlieferung nach böse Geister fern halten sollen, beendet sie, dem Text nach, eine unglückliche Liebe, um sich selbst zu retten: „Mein Herz soll nicht mehr lieben/Mein Herz soll nicht mehr sehnen“.

Doch so wenig Yasmine Hamdans Lieder in eine Kategorie gehören (einige haben es in der Beschreibung Hamdans mit dem Label „Weltmusik“ versucht, das so leer, weil so groß ist), so ambivalent ist auch die Rettung: „Diese Trennung bringt mich um“. Sterbend bleiben oder an der Trennung sterben, es gibt „keine Lösung“ dafür (der Titel des Liedes, „Hal“, lässt sich mit Lösung übersetzen), wie Hamdan in den letzten Zügen des Liedes mehrfach in das Mikrofon haucht. Die Lyrics von „Hal“ sind hermetisch, die Übersetzung läuft Gefahr, die Schwere des Liedes ins Banale zu verkehren. „Der Weg führt nicht über die Texte, sondern über die Emotionen“ hat Yasmine Hamdan einmal in einem Interview gesagt.

Adam, Jarmuschs melancholische Hauptfigur, ist ein unglücklicher Vampir. Die Sache mit der Blutbeschaffung gestaltet sich in Zeiten des modernen Sicherheitsstaates zunehmend schwieriger, das ewige Leben hat nach einer ersten kleinen Ewigkeit keinen Reiz mehr. Selbst die Liebe, die einzige irdische Entsprechung von Ewigkeit, ist nach den Jahrhunderten seines Vampirdaseins vielleicht ein wenig langweilig geworden. Doch was bleibt? Die Musik. Adam zieht sich hinter die dunklen Gardinen zurück und komponiert Totenlieder (im Film großartig intoniert durch Jim Jarmuschs eigene Band SQÜRL). Ein bisschen so ist es mit Yasmine Hamdans „Hal“ auch. Auf den Schultern einer jahrtausendealten Sprache und einer Jahrhunderte währenden Musiktradition von Liebesliedern stehend, schaft Yasmine Hamdan einen Song voller Leben und poetisch-musikalischer Kraft über den Tod eines Gefühls, eine Hymne des aufgeklärten Vampirs.                                                                                 

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