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#Zwischen Pomp und Peinlichkeit

Zwischen Pomp und Peinlichkeit

Der Frankfurter Schriftsteller, Büchner-Preisträger und bald siebzigjährige Martin Mosebach hat einen neuen Roman geschrieben: „Krass“ ist der aktuelle Spitzentitel seines Verlags und hat eine fünfhundert Seiten lange Handlung. Aber die eigentliche Hauptfigur dieses Romans ist von Anfang bis Ende die Sprache. Sie drängelt sich so vor die Handlung, dass es schwerfällt, über sie hinwegzugehen. Auch wenn es diejenigen tun, die bei jedem neuen Buch Mosebachs darum bitten, doch den manierlichen Stil des Autors nicht wortwörtlich zu nehmen oder mit einem politischen Programm zu verwechseln, der Mann sei unerbittlicher Beobachter seiner Gegenwart und sein Stil, das „Sopha“, das „Telephon“, der „Bankerott“, nur ein Instrument, um das Publikum seiner Geschichten zu irritieren, damit sie mit ihm hinter die Dinge schauen.

Tobias Rüther

Tobias Rüther

Redakteur im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung in Berlin.

Sprache ist seit langem das Hauptmotiv der Mosebach-Kritik. Im Grunde gibt es da nur zwei Lager: Das eine feiert Mosebach als letzten Repräsentanten der bürgerlichen Literatur in all ihrer Widersprüchlichkeit, mit ihrer Gabe zu Selbstironie und dem Hang zum Selbsthass, mit ihrer unerschütterlichen Bildungsfixierung auf zweitausend Jahre abendländische Kultur – die aber weiterhin zum Maßstab der Welt genommen wird, auch wenn in dieser Welt die abendländische Kultur längst nicht mehr allein herrscht. Umso mehr muss deswegen aber an ihr festgehalten werden, wir wüssten sonst nicht, wo wir heute stehen: Alle Geschichten, politische wie sexuelle, bleiben Echos der Geschichten, die uns schon die Alten sangen, am Abstand zu ihnen können wir errechnen, wie weit wir es gebracht haben.

Unter dem Parfüm ein Humorist?

Das andere Lager hält Mosebach für einen katholischen Reaktionär und imitiert seinen Ton, um ihn als Schwätzer zu entlarven, glaubt jedenfalls kein Wort davon, dass sich unter dem Parfüm doch nur ein Humorist versteckt, der ja gar nicht meint, was er tut, sondern Stil nur benutzt, um seiner Weltskepsis eine Form zu geben. Auch Mosebachs neuer Roman wird die beiden Lager nicht versöhnen. Und warum auch, es ist ja richtig, diesen Konflikt auszutragen, denn er beschränkt sich ja nicht auf Romane: Die Debatte um das Berliner Stadtschloss, um die Neue Altstadt von Frankfurt oder die Potsdamer Garnisonkirche verläuft ungefähr entlang der gleichen Konfliktlinien. Stiftet es Identität, wenn wir historische Zitate bauen, oder ist es nur fatale Sehnsucht nach Tradition?

„Krass“ erzählt die Geschichte eines Machtmenschen und einiger weniger mächtiger Leute, die sich um ihn herum bewegen. Der Roman spielt in drei Teilen, beginnt Ende 1988 in Neapel, geht ein Jahr später weiter in der französischen Provinz und endet nach einem Zeitsprung 2008 in Kairo.

Dieser Machtmensch Ralph Krass handelt mit Panzern und sammelt um sich herum hofstaatartig eine Gruppe von Menschen, mit denen er isst, in der Bucht vor Neapel schwimmen geht, durch Museen zieht und Immobilien besichtigt. Für das Programm hat er Jüngel engagiert, einen promovierten, arbeitslosen Kunsthistoriker, der im Auftrag seines Herrn alle Kosten bar aus einem Aktenkoffer begleicht und auch die junge Flämin Lidewine bezahlt. Eigentlich war Lidewine Assistentin eines Zauberers, der in Neapel gastiert, die Gruppe hat ihrer Show zugesehen und die junge Frau dann später auf den Straßen Neapels getroffen. Den Zauberer soll Lidewine verlassen, um ab jetzt Krass zu eskortieren. Es geht dabei nicht um Sex. Andererseits darf sie auch nichts mit einem anderen Mann anfangen. Als Lidewine es doch tut, verstößt Krass sie.

Im Salon seiner Suite am Telephon

Der Roman springt ein Jahr weiter, der Kreis um Krass hat sich aufgelöst, Jüngel, ebenfalls verstoßen von Krass und verlassen von seiner Frau, verzieht sich aus Kummer in die französische Provinz und freundet sich mit einem Schuster an, dessen Frau wiederum mit einem anderen weggelaufen ist – dem Leibarzt von Krass. Die beiden überleben einen gemeinsamen Autounfall. Ein weiterer Zeitsprung um zwanzig Jahre, und Jüngel, inzwischen Professor, begegnet in Kairo Lidewine wieder, die mit Kunst handelt. Und auch Krass ist in der Stadt gestrandet, pleite, todkrank, seine Waffengeschäfte mit dem ägyptischen Militär sind geplatzt, er taumelt durch die Straßen und trifft auf den Anwalt Mohammed, der sich um ihn kümmert – und weil dieser Roman permanent schicksalhafte Konstellationen inszeniert, aus denen sich Erkenntnisse ergeben, werden dann Mohammed und Lidewine ein Paar, stehen Lidewine und Jüngel am Krankenbett von Krass und zuletzt auf einem Friedhof, wo sie sein Grab aber nicht finden.

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