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#Zwölf Sonnenbrillen für 5800 Euro

„Zwölf Sonnenbrillen für 5800 Euro“

Der Donnerstagmorgen beginnt langsam im Versteigerungssaal von Sotheby’s in Köln. Aus dem Nachlass von Karl Lagerfeld werden Reklameposter aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg verkauft. Der Modeschöpfer liebte deutsche Druckgrafik des frühen 20. Jahrhunderts: Werbung für AEG, fürs „Maßgeschäft Mode u. Sport“ Wilhelm Braun in München, für elektrische Bügeleisen von Degea, fürs Kabarett „Die Elf Scharfrichter“. Walter Schnackenberg, Lucian Bernhard, Bruno Paul, Ludwig Hohlwein: Niemand hatte eine größere Sammlung moderner Werbeplakate. Hatte: Denn der Modeschöpfer starb 2019, sein Nachlassverwalter wühlt sich noch immer durch die Wohnungen und Häuser, die voll sind mit Designer­möbeln, Büchern, Kunstwerken, Plakaten, Zeichnungen, Anzügen, Schmuck, Sonnenbrillen, iPods. Wenn nun ein paar Hundert Stücke versteigert werden, könnte sich das Chaos immerhin etwas lichten.

Alfons Kaiser

Verantwortlicher Redakteur für das Ressort „Deutschland und die Welt“ und das Frankfurter Allgemeine Magazin.

Viele der Werbeplakate hingen in Lagerfelds Villa in Louveciennes westlich von Paris, die er in seinen letzten Lebensjahren im Stil der zehner und zwanziger Jahre eingerichtet hatte. Pierre Mothes, „Vice President“ des französischen Sotheby’s-Zweigs, der alles begutachtete, erkannte schnell: Die Plakate, die oben im Flur hingen, müsse man in Deutschland anbieten, im neuen Sotheby’s-Haus im Kölner Palais Oppenheim. So kommt es, dass nach den Nachlassauktionen in Monaco und Paris im Dezember nun das Haus am Gustav-Heinemann-Ufer im Stadtteil Bayenthal mit der Auktion von weiteren 236 Losen gewissermaßen eingeweiht wird. Das passt auch deshalb gut, weil Bankier Emil von Oppenheim die prächtige Villa 1908 nach Pariser Vorbildern hatte errichten lassen.

„Die Schätzungen werden um das Dreifache übertroffen“

Am Pult steht die Auktionatorin, in der Hand den Hammer, der aber erst nach einer Kunstpause niedergeht, über einen Bildschirm laufen die Onlinegebote, einige Bieter sitzen im Publikum, rechts an der Wand neun Frauen und ein Mann an Telefonen mit Kunden am anderen Ende der Leitung, und links in den Fenstern strömt träge der Rhein vorbei. Als ein Plakat von Emil Pirchan („Sonnwendfeier“) versteigert ist, ruft die Auktionatorin: „Oh, wir haben ja noch ein anderes.“ Das Publikum lacht. Es geht langsam los, es ist viel zu haben, da ist man noch dankbar für Aufmunterung. Die Plakate gehen alle über Schätzpreis (800 bis 1200 Euro) weg.

Spannend wird es erst, als es persönlicher wird: Zwölf Designersonnenbrillen (Taxe 300/500 Euro) werden für 4500 Euro zugeschlagen; ein Steiff-Teddy in Lagerfeld-Optik (800/1000) erbringt 9500 Euro; zwölf weitere Sonnenbrillen (300/500) kosten dann sogar 5800 Euro. Dazu kommt das Aufgeld, versteht sich.

Sein Lebensgefährte: Karl Lagerfelds Porträt von Jacques de Bascher wurde für 65.520 Euro versteigert.


Sein Lebensgefährte: Karl Lagerfelds Porträt von Jacques de Bascher wurde für 65.520 Euro versteigert.
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Bild: Sotheby´s

Pierre Mothes, eigens aus Paris gekommen, ist gut gelaunt. Die Abendauktion am Mittwoch mit 57 Losen hat schon 501.400 Euro erbracht: „Die Schätzungen wurden um das Dreifache übertroffen.“ Die Versteigerungen in Monaco und Paris, mit viel mehr Losnummern und teils spektakulären Angeboten wie dem Rolls-Royce Phantom (436.000) und dem Phantom Drophead (375.500), hatten sogar 18,2 Millionen Euro erbracht. Das Mittwochshighlight in Köln: die Farblithographie „Das Cabinet des Dr. Caligari“ von Fritz Rotstadt für 163.800 Euro (inklusive Aufgeld).

Vermutlich ist Chanel am anderen Ende der Leitung

Mit Los 78 kommt der nächste Morgen in Schwung: „Der Graf und die Tante“, drei Lagerfeld-Zeichnungen nach Eduard von Keyserlings Erzählungen „Schwüle Tage“ (600/800). Kunst­beraterin Caroline Les­cure-Hebrard erhält mit ihrem Telefonbieter bei 19.000 den Zuschlag, gegen die vielen Onlinegebote. Los 79, fünf Zeichnungen, „Elegante Damen und Herren“, um 1950 (300/500), erbringen schon 20.000. Jetzt geht es schnell nach oben. Fünf weitere „Figuren und Porträts“ (300/500) kommen auf 22.000; die nächsten, ebenfalls um 1950 gezeichnet, auf 30.000; fünf weitere, von 1949, nach Tolstois „Krieg und Frieden“, schon auf 50.000. Zwischen­applaus im Saal. „Es gibt immer noch eine weitere Chance“, ruft die Auktionatorin den Onlinebietern zu, denn den Zuschlag hat jeweils die Frau mit dem Hörer am Ohr bekommen. Aber den Höhepunkt sichert sich wieder Caroline Lescure-Hebrard, mit einem Nicken: Los 83, fünf Zeichnungen zu „Krieg und Frieden“ und den „Wahlverwandtschaften“, von 1949, ebenfalls noch mit der Signatur „K.O.L.“ (Karl Otto Lagerfeld – den Otto ließ er später weg). 75.000 Euro plus Aufpreis: Applaus.

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Wen hat die Kunst­beraterin mit der dicken Brille da nur an der Strippe? Die Bieternummer ist L0056. Aber nähere Anfragen beantworten hier alle nur mit einem Lächeln. Die persönliche Handschrift werde eben besonders in diesem Fall geschätzt. Nach aller Wahrscheinlichkeit ist am anderen Ende der Leitung Chanel, die Marke, für die Lagerfeld von 1982 bis zu seinem Tod gearbeitet hat. Auch in Monaco und Paris hatte man schon zu­geschlagen, wie Chanel-Präsident Bruno Pavlovsky der F.A.Z. bestätigte. Mit dem Erwerb der Zeichnungen würde Chanel den Markt leer fegen und sich eine Basis für Veröffentlichungen und Ausstellungen schaffen – Lagerfelds Studio an der Rue de Lille, einen möglichen Ausstellungsraum, hat sich Chanel schon gesichert. Auch der Höhepunkt der Kölner Auktion geht dann am Donnerstagnachmittag in die Richtung: Lagerfelds Porträt seines Lebensgefährten Jacques de Bascher „aux cheveux longs“, also mit langen Haaren (500/800), erbringt 65.520 Euro, wieder übers Telefon.

Bei den Sakkos bleiben die Gebote dann irgendwie hängen. Um die 2000 Euro, das ist ungefähr so viel, wie die Jacken einst im Laden kosteten. Dabei ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass Lagerfeld sie wirklich trug, denn er hatte zwar Hunderte Jacken, aber wechselte sie viel öfter, als man bei seinem vermeintlich uniformen Stil glauben konnte. L0056 hat übrigens kein Inter­esse an den Jacken. Kein Wunder, denn die sind von Dior. Und von Saint Laurent – natürlich aus der Zeit, in der Lagerfelds Intimfeind Yves Saint Laurent dort längst nicht mehr Designer war.

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