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#Ultraschall versetzt Nager in Ruhestarre

Um bei Kälte oder Nahrungsmangel Energie zu sparen, können einige Säugetiere ihre Körpertemperatur und ihren Stoffwechsel zeitweilig herunterfahren. Forschenden ist es nun gelungen, diesen sogenannten Torpor-Zustand künstlich nachzuahmen. Stimulierten sie das Gehirn von Mäusen per Ultraschall, fiel die Körpertemperatur der Tiere um mehrere Grad Celsius. Bei fortgesetzter Stimulation ließ sich dieser Zustand 24 Stunden lang aufrechterhalten, wobei die Tiere innerhalb weniger Stunden nach Abschalten der Stimulation wieder unbeschadet erwachten. Das Verfahren könnte womöglich in der Medizin oder der Raumfahrt hilfreich sein.

Bei lebensfeindlichen Umweltbedingungen wie Kälte oder Nahrungsmangel können einige Säugetiere wie Mäuse, Fledermäuse und kleine Primaten eine Art Energiesparmodus aktivieren, genannt Torpor. Ähnlich wie beim Winterschlaf fahren sie dabei ihre Körpertemperatur und ihren Stoffwechsel herunter, sodass sie weniger Energie verbrauchen und teils bis zu mehreren Wochen ohne Nahrungsaufnahme überleben können.

Seit den 1960er Jahren versuchen Menschen, diesen Zustand nachzuahmen – beispielsweise für Astronauten auf Langzeit-Raumflügen oder um die Überlebenschancen von Schlaganfallpatienten zu erhöhen. Inzwischen sind die bei Mäusen beteiligten Hirnregionen bekannt und tatsächlich ist es Forschenden bereits gelungen, durch Injektionen in die entsprechenden Hirnregionen oder genetische Manipulationen einen künstlichen torporähnlichen Zustand bei Mäusen herbeizuführen. Allerdings waren alle bisherigen Verfahren so invasiv, dass eine Übertragung auf Menschen undenkbar war.

Neuromodulation per Ultraschall

Ein Team um Yaoheng Yang von der Washington University in Saint Louis hat es nun erstmals geschafft, einen solchen Zustand mit einem nicht-invasiven Verfahren zu erreichen. Dazu statteten die Forscher Mäuse mit tragbaren Ultraschallsendern aus, die auf Knopfdruck gezielte Ultraschallimpulse in den präoptischen Bereich des Hypothalamus im Mäusegehirn senden. Diese Region ist an der Regulation der Körpertemperatur und des Stoffwechsels beteiligt und wurde in früheren Studien als die für den Torpor verantwortliche Region identifiziert.

„Ultraschall ist die einzige verfügbare Energieform, die nichtinvasiv den Schädel durchdringen kann und sich millimetergenau auf jede Stelle im Gehirn fokussieren lässt, ohne dass dabei ionisierende Strahlung zum Einsatz kommt“, erklären die Forscher. „Das macht den Ultraschall zu einer vielversprechenden Technologie für die Neuromodulation bei Kleintieren, nicht-menschlichen Primaten und Menschen.“ Tatsächlich zeigte die Ultraschall-Stimulation bei den Mäusen die erhoffte Wirkung: Unmittelbar nach der Stimulation begann die Körpertemperatur zu sinken und das Aktivitätsniveau der Tiere nahm ab. Nach wenigen Minuten war die Körpertemperatur um mehr als drei Grad Celsius gefallen, das Herz schlug langsamer und Stoffwechselmessungen zeigten, dass die Tiere weniger Sauerstoff verbrauchten.

Vollständige Erholung nach Dauer-Anwendung

Blieben weitere Ultraschall-Impulse aus, begann die Körpertemperatur der Tiere nach rund einer Stunde wieder zu steigen und nach zwei Stunden hatten sie sich vollständig wieder erholt. Weitere Versuche zeigten, dass die Stärke und Dauer der Ultraschall-Impulse bestimmt, wie stark die Körpertemperatur absinkt und wie schnell sie sich wieder normalisiert. Mit einem automatischen Rückkopplungsregler dehnte das Forschungsteam die Torpor-Phasen aus: Immer, wenn die Körpertemperatur der Mäuse wieder zu steigen begann, gab der Regler erneut Ultraschall-Impulse ab. „Auf diese Weise konnten wir die Körpertemperatur der Mäuse 24 Stunden lang bei 32,95 Grad Celsius halten“, berichtet Yangs Kollegin Hong Chen. „Nach Abschalten des Ultraschalls normalisierten sich Stoffwechsel und Körpertemperatur wieder.“

Anschließende Hirnuntersuchungen ergaben, dass tatsächlich die Neuronen des präoptischen Bereichs des Hypothalamus in Reaktion auf den Ultraschall den Torpor auslösen. Mit Hilfe genetischer Sequenzierung fanden Yang und sein Team heraus, dass bestimmte Ionenkanäle in den Nervenzellen, die sogenannten TRPM2-Kanäle, durch den Ultraschall aktiviert werden und daraufhin eine Signalkette in Gang setzen, die Körpertemperatur und Stoffwechsel herunterreguliert.

Übertragbar auf andere Lebewesen

Um die Übertragbarkeit des Verfahrens auf andere Lebewesen zu testen, wendete das Forschungsteam die gleiche Technik auch bei Ratten an. Anders als Mäuse kommt bei diesen natürlicherweise kein Torpor vor. „Auch bei den Ratten stellten wir in Folge der Ultraschall-Stimulation eine signifikante Abnahme der Körpertemperatur fest“, berichtet das Team. „Obwohl das Ausmaß der Absenkung bei Ratten geringer war als bei Mäusen, zeigen diese Daten, dass das Verfahren grundsätzlich auch bei Lebewesen ohne natürlichen Torpor anwendbar ist.“ Aus Sicht der Forschenden könnte das darauf hindeuten, dass die Technik auch bei Menschen eingesetzt werden könnte.

„Diese Studie mag für diese Forschungsgruppe wie ein kleiner Schritt erscheinen, verspricht aber ein großer Sprung für die Menschheit zu werden, um torporähnliche Zustände in der Medizin und möglicherweise für die Weltraumfahrt zu nutzen“, schreiben Martin Jastroch von der Universität Stockholm und Frank van Breukelen von der University of Nevada in einem begleitenden Kommentar zur Studie, der ebenfalls in der Fachzeitschrift Nature Metabolism veröffentlicht wurde.

Quelle: Yaoheng Yang (Washington University in St. Louis, USA) et al., Nature Metabolism, doi: 10.1038/s42255-023-00804-z

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