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#Abi reicht nicht, das hatte auch der Opa

„Abi reicht nicht, das hatte auch der Opa“

Wenn immer mehr Kinder das Gymnasium besuchen und am Ende das Abitur erreichen, verliert dieses deshalb nicht unbedingt an Wert. Nach wie vor ist die Hochschulreife die Voraussetzung für den Zugang zu einer akademischen Berufsausbildung. Und in jeder Großstadt gibt es auch Rangunterschiede zwischen den einzelnen Gymnasien, die sich dann in höheren Zugangshürden oder anspruchsvolleren Fächerangeboten niederschlagen. Aber die sozial integrative Expansion des Bildungssystems zwingt dennoch zu feineren Formen von Distinktionsstrategien. Für viele Eltern ist der soziale Statuserhalt sozusagen die rote Linie der Schulbildung ihrer Kinder: Wenn man schon nicht mehr aufsteigen kann, dann soll der Nachwuchs auf keinen Fall das Bildungsniveau der Eltern unterschreiten.

Aber wenn immer mehr Angehörige eines Jahrgangs dieses Ziel verfolgen, wie zeigen meine Kinder dann, dass sie es noch mehr tun als die anderen? Wo sind sie noch zu finden, die feinen Unterschiede, die zeigen, dass die Schule allein nicht reicht? Dass da ein noch nicht gestillter Drang nach mehr ist, nach Auszeichnung und Exzellenz?

Latein, Geige oder ein Jahr im Ausland

Die Soziologen Tim Sawert und Anna Bachsleitner haben jetzt mit Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) untersucht, welchen Familien das eigentlich am besten gelingt. Ihr überraschender Befund: Es kommt auch auf die Großeltern an. Sawert und Bachsleitner konnten hierfür auf Daten zu 2599 Gymnasiasten zugreifen, die zum Zeitpunkt der Befragung 17 Jahre alt waren. Sie wollten wissen, ob diese Schüler mehr machten als andere: Besuchten sie eine Privatschule? Ein humanistisches Gymnasium? Gab es Austauschjahre im Ausland? Betrieben sie Sportarten wie Fechten, Tennis oder Hockey? Und spielten sie ein klassisches Musikinstrument?

Der Vorteil der SOEP-Daten ist dabei, dass man intergenerationelle Vergleiche anstellen kann, da man hier auch über Daten der Eltern und Großeltern der Schüler verfügt. Die Bildungsforscher konnten also fragen, ob sich eine Kontinuität im sozialen Status der Herkunftsfamilie eines Gymnasiasten auf dessen Distinktionsverhalten auswirkt. Sie unterschieden diese Familien dazu nach der Dauer der Zugehörigkeit zur akademischen Klasse, sodass sie eine Hierarchie entwickeln konnten von einer nicht akademischen Familie (keiner der Eltern hatte einen akademischen Abschluss) bis zu einer „historisch stabilen Akademikerfamilie“, in der sowohl mindestens einer der Eltern als auch der Großeltern bereits über akademische Abschlüsse verfügt hatten.

Akademikerkinder in der Minderheit

Schon die Verteilung der Gymnasiasten ist aufschlussreich: Die Studie fragt zwar, wie sich der akademische Bildungsstand der Familie historisch fortsetzt, aber eigentlich zeigt dieser Querschnitt durch die heutigen Abiturienten das Gymnasium als von Bildungsaufsteigern geprägt: 54 Prozent der Gymnasiasten haben nämlich gar keine akademisch gebildeten Eltern. Dazu kommen 12 Prozent, wo es nur die Großeltern waren, aber nicht die Eltern. 22 Prozent kommen aus einem klassischen akademischen Haushalt mit solchermaßen gebildeten Eltern, und nur 12 Prozent haben Eltern und Großeltern mit einem akademischen Bildungsabschluss. Unter den untersuchten Gymnasiasten sind Akademikerkinder eine Minderheit.

Die Ergebnisse zeigen aber: Je länger die Familie akademisch geprägt war, desto weniger begnügen sich die Kinder (oder deren Eltern) mit dem, was das Gymnasium allen bietet. Nein, die Kinder aus den alten Akademikerfamilien wollen sich unterscheiden. Sie ergänzen ihre schulischen Aktivitäten mit Extras, die noch ein wenig exklusiver, ja fast elitärer sind. Im Unterschied zu ihnen zeigen die Schüler ohne akademisch gebildete Eltern oder mit nur einem entsprechenden Elternteil keinen besonderen Ehrgeiz, auch außerhalb ihres Gymnasiums noch an ihrem akademischen Habitus zu arbeiten. Dass sie drin sind, scheint ihnen zu genügen.

Sawerts und Bachsleitners Studie hat aber ein Problem: Sie unterscheidet die Gymnasiasten nur nach dem Bildungsstand der Eltern und Großeltern. Nach dem Haushaltseinkommen fragt sie erstaunlicherweise nicht. Dabei wäre es naheliegend, dass alte akademische Familien nicht nur Bildungsgewinne anstreben, sondern auch Kapital vererben. Exklusive Sportarten, Musikunterricht oder Auslandsaufenthalte kosten schließlich Geld, vom Besuch teurer Privatschulen ganz zu schweigen. Bemerkenswert an der Studie ist dennoch, dass sie die Möglichkeit einer historisch argumentierenden Soziologie zeigt. Die Daten jedenfalls liegen mit den bemerkenswerten Längsschnitten, die das SOEP durch die deutsche Gesellschaft zieht, längst vor.

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