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#Agent in eigener Sache: Seine Söhne über John Le Carré

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„Es ging mit einem Funken Wahrheit los und breitete sich aus“: John Le Carrés Söhne Simon und Stephen Cornwell über ihren berühmten Vater und Errol Morris’ Dokumentation „Der Taubentunnel“, die sie mitproduziert haben.

„John Le Carré: Der Taubentunnel“ heißt der neue Dokumentarfilm von Oscar-Preisträger Errol Morris („The Fog of War“), eine biographische Spurensuche, in deren Zentrum ein ausführliches, 2019 geführtes Interview mit dem 2020 verstorbenen Meister des Spionageromans steht und die jetzt auf Apple TV+ zu sehen ist. Le Carré war das Schriftsteller-Pseudonym des Ex-Agenten David Cornwell, Simon, 66, und Stephen Cornwell, 63, sind seine Söhne und Koproduzenten des Films. Mit ihrer Firma The Ink Factory kümmern sich die beiden seit 2010 vor allem um das visualisierte Erbe ihres Vaters. Sie realisierten die Le-Carré-Kino-Adaptionen „A Most Wanted Man“, „Verräter wie wir“ und die neue Serien-Version von „Little Drummer Girl“.

Sie haben Ihre ersten Lebensjahre mit Ihrem Vater in Deutschland verbracht, haben Sie daran noch Erinnerungen?

Simon: Klar, ich ging in Hamburg in den Kindergarten, davor lebten wir in Bonn. (Auf Deutsch:) Ich spreche fließend Deutsch .­..

Dann können wir ja auf Deutsch weiterreden …

Simon: Tja, das ist leider auf dem Stand eines Sechsjährigen.

Stephen: Ich habe nur so eine frühkindliche, fragmentarische Erinnerung. Und in der gibt es ein Bild, wie unser Großvater Ronnie uns mal mit einem Amphibienfahrzeug besuchen kam.

Dieser Ronnie, ein Hochstapler und Betrüger, spielt in dem Film eine große Rolle, weil er auf Ihren Vater einen prägenden Einfluss hatte. Waren Sie ihm auch nahe?

Stephen: Schon bald, als Dad mit „Der Spion, der aus der Kälte kam“ berühmt wurde, hielt er ihn eher von uns fern. Weil, wie jetzt der Film auch enthüllt, Ronnie aus seiner Popularität Profit zu schlagen suchte.

Simon: Als Teenager trafen wir ihn hin und wieder zum Mittagessen, was ziemlich abstrus war, weil der alte Mann wirklich nicht wusste, was er mit uns reden sollte.

Aber da war Ihnen schon klar, wen Sie vor sich hatten?

Simon: Ja, als wir heranwuchsen, erwähnte Dad immer wieder, wie furchtbar Ronnie sei. Unser Vater war natürlich ein Geschichtenerzähler, es ging mit einem Funken Wahrheit los und breitete sich aus. Aber wir verstanden, dass diese Storys im Kern zutrafen. Sie waren ziemlich unterhaltsam – aber die Realität war erschreckend.

Das Fundament von Le Carrés Romanen war ja seine Tätigkeit als Spion. Ab wann wussten Sie davon – er hat wohl kaum mit Ihnen Agent gespielt statt Cowboy und Indianer?

Simon: Nein, aber um uns herum hörten wir schon früh, dass Dad ein Spion sei. Wir widersprachen natürlich. Als Jugendliche waren wir uns dessen schon sicher. Er räumte ja gerne ein, dass er kurz ein Agent gewesen sei – tatsächlich waren das 17 Jahre.

Stephen: Er bestand meistens darauf, dass er im diplomatischen Korps tätig gewesen sei. Aber wir spürten, dass er sich mit all seinen Bekannten in einer verdeckten Welt bewegte.

Simon: Und sein Ex-Boss in Deutschland, ein enger Freund von ihm, wurde dann auch noch Chef des MI6, des britischen Auslandsgeheimdienstes.

Hat er überhaupt mit Ihnen gespielt, was für eine Art Vater war er?

Simon: Er hat sich da viel Mühe gegeben, am meisten erinnere ich mich an seine wunderbaren Geschichten, die er uns abends erzählte. Er hat dazu sogar Bilder gemalt – hätten wir die nur aufgehoben!

Stephen: Natürlich war er zuerst Autor, seine erste und einzige Leidenschaft war das Schreiben. Aber er hat sich wirklich bemüht, dass die Familie dabei nicht zu kurz kommt.

Dann war er nicht „der Vater, der aus der Kälte kam“?

Simon: Schöne Titelzeile, aber das kann man echt nicht sagen.

Stephen: Schreiben war sein Antriebsstoff, er schrieb täglich, Briefe, Artikel, Romane. Aber auch sehr stark befeuert von den familiären Beziehungen.

Was hat er Ihnen denn mitgegeben?

Stephen: Vor allem wohl unsere Inter­essen. Da lässt sich schwer unterscheiden zwischen den Genen, dem Einfluss, seiner Präsenz. Wir lebten in einer Welt von Geschichten, Figuren, Beobachtung. Er interessierte sich stark fürs Heute und Morgen, es gibt zwar diesen dunklen Unterton in seinem Schreiben, aber er war dabei den Leuten und dem Leben schon sehr zugewandt. Obwohl jedes Familienmitglied da sicher verschiedene Aspekte ausgeprägt hat – ich bin etwa auch Drehbuchautor –, gibt es wohl eine Konsistenz hinsichtlich Engagement, Sinn für Zusammenhänge und die Macht der Wortes.

John Le Carré alias David Cromwell mit seinen Söhnen Stephen (links) und Simon (rechts) während der Dreharbeiten zu der Dokumentation
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John Le Carré alias David Cromwell mit seinen Söhnen Stephen (links) und Simon (rechts) während der Dreharbeiten zu der Dokumentation
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Bild: Apple TV+

Simon: Er hat ja auch immer alles infrage gestellt: Wahrheit, Moral oder Politik. Stimmen die Werte von Institutionen, die sie öffentlich vorgeben, mit ihren Taten überein? Das alles ist etwas, dass er uns beigebracht hat.

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