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#All die kleinen Einfamilienschachteln

All die kleinen Einfamilienschachteln

Es war schon später Nachmittag, unsere Beine wurden schwer. Den ganzen Tag hatten wir das architektonische Zuviel der Stadt erkundet, neugierig und überfordert wie alle, die zum ersten Mal nach New York kommen. Nur einige Klischees: Bagelfrühstück im Central Park, geschichtsbewusstes Passieren der Carnegie Hall, Begutachtung von Bauhausmöbeln und van Goghs „Sternennacht„ im Museum of Modern Art. Der Trump Tower, totalitäre Monstrosität aus Glas und Gold, die wir umvölkert von Grinsenden in roten Kappen vorfanden, gab uns den Rest. Wir wünschten Pluralismus und wanderten weiter zum Hauptquartier der Vereinten Nationen, einer riesigen Cornflakes-Schachtel, die sich an diesem Tag im April 2019 als nicht besuchbar erwies.

Weil noch etwas Zeit blieb, bis wir mit einem Freund in Chinatown verabredet waren, machten wir Rast im Tompkins Square Park, einem grünen Quadrat inmitten von Häuserblocks. Es war T-Shirt-Wetter, zudem ein Freitag, was die Menschen ins Freie trieb. Eine Jazzband spielte.

Nach ein paar Minuten nahm neben mir auf der Parkbank eine ältere Frau mit kurzen Haaren und ernstem Gesicht Platz. Sie sprach mich an, offenbar plauderlustig, und wir betrieben Smalltalk. Ich erkundigte mich, in welchem Teil Manhattans wir uns befänden. Im East Village, klärte meine Sitznachbarin mich auf, was mir nicht viel sagte, außer dass es einwandfrei nach New York klang, mir also behagte, zumal ich jetzt wohl mit einer echten New Yorkerin sprach.

Nun, erklärte die Frau, eigentlich komme sie aus Kalifornien, lebe aber seit 1979 in New York. Das erste Mal sei sie allerdings schon 1965 hier gewesen, um mit ihrer Band in der „Ed Sullivan Show“ aufzutreten. Jetzt war ich fasziniert. Das war die Fernsehsendung, in der ungefähr zur selben Zeit die Beatles vor einem Millionenpublikum die British Invasion lostraten. War meine Gesprächspartnerin eine berühmte Musikerin?

Kritik an amerikanischer Mittelschicht war auch Selbstkritik

Es stellte sich heraus, dass sie tatsächlich Musikerin, der Ruhm jedoch ein Rühmchen gewesen war. Während des Folkrevivals habe sie in der Band The Womenfolk gesungen. Sie seien damals viel auf Tour gewesen, auch in Clubs im Greenwich Village hätten sie gespielt. Das kam mir sagenhaft vor, erst tags zuvor war ich historisch gelaunt durch das einstige Folkie-Viertel spaziert, doch mehr als ein ehrliches „Wow“ brachte ich jetzt nicht hervor, ich kannte die Band ja nicht, und sowieso mussten wir gleich zu unserer Verabredung in Chinatown aufbrechen. Ich fragte meine neue Bekanntschaft noch nach ihrem Namen – Barbara, sagte sie, und wir gaben uns die Hand.

Am Abend googelte ich und erfuhr, dass The Womenfolk ein von 1963 bis 1966 aktives Quintett war, dessen allesamt weibliche Mitglieder sowohl Gitarre spielten als auch sangen. Die ursprünglich aus Memphis, Tennessee, stammende Barbara „Babs“ Cooper, Jahrgang 1941, und ihre vier Kolleginnen waren zunächst an der Westküste als Solokünstlerinnen aufgetreten. 1963 wurden sie von zwei Produzenten aus Los Angeles zur Band formiert, woraufhin sie drei Studio- und zwei Livealben für das Label RCA Victor aufnahmen. Neben Coverversionen von Folksongs wie „A Hundred Miles“ oder „The Last Thing On My Mind“ (mit Glen Campbell an der Leadgitarre) sangen sie auch eigene Kompositionen. Ihren einzigen Hit aber landeten sie mit dem Song „Little Boxes“ der mit ihnen befreundeten Songwriterin Malvina Reynolds.

Mit einer Länge von 62 Sekunden war die Womenfolk-Fassung mehr als fünfzig Jahre lang das kürzeste Lied, das je in den Billboard Hot 100 stand. Im April 1964 rangierte es auf Platz 83 der bedeutendsten Single-Charts des Landes.

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